Wie man stilvoll einen Staatssender abschaltet (II): No More Pomp and Circumstance
Dass man heutzutage einfach abschaltet, hat vermutlich mit einem Wechsel der Inszenierungsweise staatlicher Machtausübung zu tun. Die Technokraten der Troika brauchen und verlangen keine pomp-and-circumstance-Inszenierung, der kalte TINA-Marktlogik-Sachzwang reicht völlig aus:
Fahr' wohl, mein wiehernd Roß und schmetternd Erz,
Mutschwell'nde Trommel, muntrer Pfeifenklang,
Du königlich Panier, und aller Glanz,
Pracht, Pomp und Rüstung des glorreichen Kriegs! –
Und o du Mordgeschoß, des rauher Schlund
Des ew'gen Jovis Donner widerhallt,
Fahr' wohl! Othellos Tagwerk ist getan! –
Othello:
O farewell,
Farewell the neighing steed, and the shrill trump,
The spirit-stirring drum, th' ear-piercing fife;
The royal banner, and all quality,
Pride, pomp, and circumstance of glorious war!
And O you mortal engines, whose rude throats
Th' immortal Jove's dread clamors counterfeit,
Farewell! Othello's occupation's gone.
Othello Act 3, scene 3, 350–357
If there were one speech that revealed Othello's "tragic flaw," this would be it. The noble Moor, who has led a life of astounding exploits and military glory, has ultimately staked his self-image and peace of mind on his marriage to a Venetian woman of privilege. When the villain Iago craftily persuades Othello that his wife has been unfaithful—a highly improbable event—the general bids farewell not just to marital bliss, but to his livelihood ("occupation"). No longer, he cries, can he experience "all quality,/ Pride, pomp, and circumstance of glorious war!"
Othello obviously isn't talking about his high school graduation. "Pomp and circumstance" (and "quality" and "pride") are the glories and ceremonies of warfare. In war's splendid rituals, Othello has forged his identity. Although we often use "pomp and circumstance" negatively, to denote affectation and overwrought exhibitionism, the Renaissance would have been more generous: pomp and circumstance were considered inherent, positive duties of the exalted classes.
No more pomp and circumstance as inherent, positive duties der herrschenden Klassen: es reicht die schlichte Hosenanzug-Inszenierung des Merkelianismus.
Ein bisschen schade und fade ist das schon, weil die "Pomp and circumstance"-Inszenierung ja immer auch etwas Anrührendes hatte (- das Massenornament der deutschen Faschisten ausdrücklich ausgenommen!).
Ein schönes Beispiel ist Edward Elgars Pomp and Circumstance March no.1 in D major - hier von ihm selbst dirigiert at the opening of the Abbey Road Studios, London, on November 12 1931 (!!) - und bis heute gespielt bei der Last Night of the Proms ( ('Land of Hope and Glory')!!
Ein anderes schönes Beispiel ist die Hymne of the Soviet Union, original 1984 promotional version played by USSR TV for many years. (Fully restored, converted to stereo and widescreen.)
Dass sie nicht mehr gespielt wird vom USSR TV, liegt wohl erstmal daran, dass auch dieser Staatssender abgeschaltet wurde, zum anderen aber wohl auch daran, dass solche Inszenierung von Herrschaft obsolet geworden ist. Wo wir sie noch sehen, empfinden wir sie als albern und aus der Zeit gefallen. Das ist einerseits sicherlich gut, andererseits kann man fragen, welche Integrationskräfte Herrschaftsverbände überhaupt noch haben ...
Es lohnte, den Clip einmal genauer zu analysieren. Mein Eindruck: brillant gemacht im Hinblick auf das Wort-Ton-Bild-Verhältnis, -nicht zu vergleichen mit den hilflos-doofen Social-Marketing-Kampagnen wie "Du bist Deutschland" o. ä. - Das ist eben der Unterschied zwischen P&C und PR!
Im Übrigen ...
kann Georg Seeßlens vorzügliche Definition nicht oft genug wiederholt werden:
Fahr' wohl, mein wiehernd Roß und schmetternd Erz,
Mutschwell'nde Trommel, muntrer Pfeifenklang,
Du königlich Panier, und aller Glanz,
Pracht, Pomp und Rüstung des glorreichen Kriegs! –
Und o du Mordgeschoß, des rauher Schlund
Des ew'gen Jovis Donner widerhallt,
Fahr' wohl! Othellos Tagwerk ist getan! –
Othello:
O farewell,
Farewell the neighing steed, and the shrill trump,
The spirit-stirring drum, th' ear-piercing fife;
The royal banner, and all quality,
Pride, pomp, and circumstance of glorious war!
And O you mortal engines, whose rude throats
Th' immortal Jove's dread clamors counterfeit,
Farewell! Othello's occupation's gone.
Othello Act 3, scene 3, 350–357
If there were one speech that revealed Othello's "tragic flaw," this would be it. The noble Moor, who has led a life of astounding exploits and military glory, has ultimately staked his self-image and peace of mind on his marriage to a Venetian woman of privilege. When the villain Iago craftily persuades Othello that his wife has been unfaithful—a highly improbable event—the general bids farewell not just to marital bliss, but to his livelihood ("occupation"). No longer, he cries, can he experience "all quality,/ Pride, pomp, and circumstance of glorious war!"
Othello obviously isn't talking about his high school graduation. "Pomp and circumstance" (and "quality" and "pride") are the glories and ceremonies of warfare. In war's splendid rituals, Othello has forged his identity. Although we often use "pomp and circumstance" negatively, to denote affectation and overwrought exhibitionism, the Renaissance would have been more generous: pomp and circumstance were considered inherent, positive duties of the exalted classes.
No more pomp and circumstance as inherent, positive duties der herrschenden Klassen: es reicht die schlichte Hosenanzug-Inszenierung des Merkelianismus.
Ein bisschen schade und fade ist das schon, weil die "Pomp and circumstance"-Inszenierung ja immer auch etwas Anrührendes hatte (- das Massenornament der deutschen Faschisten ausdrücklich ausgenommen!).
Ein schönes Beispiel ist Edward Elgars Pomp and Circumstance March no.1 in D major - hier von ihm selbst dirigiert at the opening of the Abbey Road Studios, London, on November 12 1931 (!!) - und bis heute gespielt bei der Last Night of the Proms ( ('Land of Hope and Glory')!!
Ein anderes schönes Beispiel ist die Hymne of the Soviet Union, original 1984 promotional version played by USSR TV for many years. (Fully restored, converted to stereo and widescreen.)
Dass sie nicht mehr gespielt wird vom USSR TV, liegt wohl erstmal daran, dass auch dieser Staatssender abgeschaltet wurde, zum anderen aber wohl auch daran, dass solche Inszenierung von Herrschaft obsolet geworden ist. Wo wir sie noch sehen, empfinden wir sie als albern und aus der Zeit gefallen. Das ist einerseits sicherlich gut, andererseits kann man fragen, welche Integrationskräfte Herrschaftsverbände überhaupt noch haben ...
Es lohnte, den Clip einmal genauer zu analysieren. Mein Eindruck: brillant gemacht im Hinblick auf das Wort-Ton-Bild-Verhältnis, -nicht zu vergleichen mit den hilflos-doofen Social-Marketing-Kampagnen wie "Du bist Deutschland" o. ä. - Das ist eben der Unterschied zwischen P&C und PR!
Im Übrigen ...
kann Georg Seeßlens vorzügliche Definition nicht oft genug wiederholt werden:
Merkelianismus besteht aus einfachen Grundzutaten: Erzeugung eines Nebels von Harmonie, egal wie erkauft, gelogen, geträumt. Darunter: Stärkung der staatlichen Gewalt, Polizei, Überwachung, Militär, Geheimdienst. Darunter: Abbau des Staates als fürsorgendes und beschützendes Instrument der Gemeinschaft, Übereignung des Geschehens an die großen Spieler des Marktes. Darunter (und da schließt sich der Kreis): Erzeugung eines neuen Wir-Gefühls, in dem die Politik des Neoliberalismus als Schicksal angesehen wird, dem gegenüber nur familiäre Wärme und gleichzeitig Härte helfen kann.
gebattmer - 2013/06/13 19:36
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