Archäologie CLXV: The Eichmann Trial
The Eichmann Trial Channel contains over 200 hours of trial sessions and a compilation of testimonies. The Channel is a joint effort between Yad Vashem and the Israel State Archives.
Eichmann war am 11. Mai 1960 von Agenten des israelischen Geheimdienst Mossad in San Fernando, einem Vorort der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, entführt worden. Dort hielt sich der SS-Obersturmbannführer mit seiner Familie versteckt, er nannte sich Ricardo Klement. Akten des US-Geheimdienstes CIA belegen, dass der Aufenthaltsort Eichmanns sowohl dem BND und der westdeutschen Regierung als auch der CIA seit 1958 bekannt war. (Die ZEIT)
Die vollständige Verhandlung von der Eröffnung am 11. April 1961 bis zur Urteilsverkündung am 15. Dezember desselben Jahres: Wer will, kann sich - ein halbes Jahrhundert danach - das Verfahren gegen Adolf Eichmann komplett ansehen. Auf YouTube. Aber was stellt das mit dem Zuschauer an? - Ein sehr lesenswertes Tagebuch eines Selbstversuchs von Peter Praschl im sz-magazin. ...
Unbedingt zuzustimmen (auch aus aktuellem Anlass) ist Praschl in seiner Schlussbemerkung:
Was ich aber durch die Eichmann-Videos endlich verstanden habe, ist, wie Zivilisation funktioniert. Dass sie exakt dort ist, wo sie sich die Form des Eichmann-Prozesses gibt. Ein Gerichtsverfahren. Zur Ermittlung der Wahrheit. Mit dem Vorsatz, Gerechtigkeit walten zu lassen. Der Bereitschaft, Trauma-Erfahrungen zuzuhören. Und der Bereitschaft, auch jenen, der die Zivilisation in Hektolitern von Blut erträndken will, zu behandeln, als gehöre er zu ihr. Er bekommt die Gelegenheit, sich zu verteidigen. Er darf lügen, sich rechtfertigen, um sein Leben reden. Die Zivilisation glaubt nicht einmal, dass es den Menschen dadurch besser geht, wahrscheinlich wäre es bekömmlicher, nicht darüber zu reden. Aber sie tut es, weil es das Richtige ist. ... Zivilisation ist nicht der kurze, sondern der lange Prozess.
Der SPIEGEL sah das 1960 freilich anders; ich vermute mit ihm große Teil der westdeutschen Öffentlichkeit:
Der Schauprozeß in Tel Aviv aber, aus einem Unrechtsakt hervorgegangen, von einem Staat inszeniert, den es zur Zeit der Eichmannschen Verbrechen noch nicht gab und auf dessen Boden Eichmann sie nicht begangen hat, ist unklug von den praktischen Interessen der Judenheit her und unweise vom Standpunkt der allgemeinen Moral.
Immerhin erstaunlich, wie sich der SPIEGEL-Autor Moritz Pfeil um die Interessen der "Judenheit" sorgt und im Besitz der Weisheit allgemeiner Moral wähnt ...
Vgl. auch Archäologie XLI - 29.10.1965 - Die Ermittlung - Auschwitz auf der Bühne
gebattmer - 2011/11/06 22:44
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