Wenn der Staat ein Räuber ist: Das Sprengel-Museum in Hannover zum Beispiel ?
... verdankt gute Teile seiner Sammlung dem Ehepaar Margit und Bernhard Sprengel, das in der NS-Zeit auch bei Gurlitt einkaufte. Der überließ den beiden Anfang der Vierzigerjahre für gerade einmal 8000 Reichsmark 409 Blätter von Emil Nolde, der trotz seiner NS-freundlichen Gesinnung in der Münchner Schandausstellung vertreten war. Die Blätter stammten aus dem Besitz des Essener Folkwang Museums und anderer öffentlicher Häuser. Gleichzeitig rissen die Nazis im Hannoveraner Provinzialmuseum Werke von El Lissitzky, László Moholy-Nagy, Wilhelm Lehmbruck, Ernst Barlach und anderen von den Wänden. Dass der angesehene Schokoladenfabrikant Sprengel in derselben Stadt Bilder von Emil Nolde und Franz Marc in seinen Räumen hängen hatte, störte niemanden... (Kia Vahland; Süddeutsche, 5. November 2013, Museen im Fall Gurlitt)
Vgl. auch Süddeutsche Zeitung, 4. November 2013, Fall Cornelius Gurlitt - Seriöser Herr von nebenan
und - sehr gut! - ebd.: Ira Mazzoni und Catrin Lorch, Rechtliche Lage zum Raubkunst-Fund: Im Zeichen der Zweifel und der Ratlosigkeit
Dies sind die Werke aus dem Münchner Kunstfund (tagesschau.de), die seltsamerweise erst heute auf einer Pressekonferenz der Augsburger Staatsanwaltschaft gezeigt, aber bereits 2012 von Zollfahndern beschlagnahmt wurden und in einem Sicherheitstrakt des bayerischen Zolls unter Verschluss gehalten werden! Letzeres scheint mir allerdings vernünftig zu sein, damit nicht in Zeiten der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten für das flottierende Kapital sofort die Spekulation losgeht!
Wenn im Zusammenhang mit NS-Raubkunst und Restitutionsansprüchen vom "Sprengel-Museum" die Rede ist, dann bisher nur von Lovis Corinths Landschaftsbild „Römische Campagna“ oder Marcs «Katze hinter einem Baum», nicht aber z. B. von Karl Schmidt-Rottluffs „Marschlandschaft mit rotem Windrad“ (1922), das dem Hannoveraner Sammler und Unternehmer Max Rüdenberg gehörte. Die Finanzdirektion Hannover ordnete 1938/39 eine Vermögensverwaltung an. Rüdenberg war gezwungen, u.a. das Bild zu verkaufen.... 1939 fungierte Erich Pfeiffer als hannoverscher Zwischenhändler, der es für 180 Reichsmark an Bernhard und Margit Sprengel weitergab. Sprengel äußerte sich brieflich zufrieden über den geringen Preis. Im Inventarverzeichnis Sprengels ist das Bild 1940 mit dem Hinweis erfasst, dass Max Rüdenberg der Vorbesitzer gewesen sei. Elsbeth und Gustav Rüdenberg wurden 1941 in Riga ermordet. Margarethe und Max Rüdenberg wurden in Theresienstadt in den Tod getrieben.
Bernhard Sprengel stiftete 1969 seine Sammlung der Stadt Hannover. So gelangte das Aquarell in das 1979 - nach Streitigkeiten um die Namensgebung - eröffnete Sprengel Museum. So wohl auch die Blätter von Nolde (s. o.).
Man kann das natürlich auch so formulieren wie das Sprengel-Museum:
Das frisch verheiratete Paar Margrit und Bernhard Sprengel setzte mit Aquarellen von Emil Nolde den Grundstein ihrer herausragenden Sammlung von Werken der Klassischen Moderne. Nach dem Besuch der Ausstellung „Entartete Kunst“, München 1937, in der Noldes „Herbstmeer“, 1910, gezeigt wurde, war das Paar derart begeistert von dessen Kunst, dass es beschloss, die von den Nazis verfemte und später verbotenen Werke zu sammeln und damit vor der Vernichtung zu schützen.
Dass die Werke nach 1938 so günstig zu kriegen waren, ist doch nicht das Problem des Sammlers, der vor Vernichtung schützen will. Er hätte ja gern mehr bezahlt, aber die Händler wollten ja gar nicht mehr ...
Die Berliner Zeitung schreibt: Gurlitt Senior, Retter oder Raffke? Aus der Distanz gesehen und mit Blick auf jenen Bilderfund, der nun schwer bewacht im Garchinger Zolldepot lagert und nach allen Regeln der Kunst erforscht werden muss, war Gurlitt wohl ein geradezu paradoxe Figur: inniglicher Liebhaber und Kenner der von Hitler & Co abgrundtief gehassten Vorkriegsmoderne. Und hernach ein verschlagener, ruchlos auf den eigenen Vorteil bedachter Händler, der die Notlage verfolgter Künstler und jüdischer Kollegen ... ausnutzte.
Wie ist dann der Namensgeber des wichtigsten Museums in Hannover zu sehen, der vom Dealer günstig kaufte? - Bezahlt mit den Gewinnen der Firma B. Sprengel & Co, die 1936 zum für die Wehrwirtschaft wichtigen Betrieb ernannt wurde, da sie Scho-Ka-Kola herstellte (und die Bestandteil der Luftwaffenverpflegung war - „Fliegerschokolade“, ein Aufputschmittel für Stuka-Pitoten ...).
Es könnte also sein, dass in Hannover erneute Streitigkeiten um die Namensgebung des Museums angebracht wären. Wenn ich mich richtig erinnere, war die Alternative damals "Kunstmuseum Hannover mit Sammlung Sprengel" oder so ähnlich. Ich fürchte, heute liefe es eher auf "Swiss Life Art Arena feat. The Sprengel Collection" oder so hinaus ...Wie der Hannoveraner Kurt Schwitters schon sagte
Vgl. auch Süddeutsche Zeitung, 4. November 2013, Fall Cornelius Gurlitt - Seriöser Herr von nebenan
und - sehr gut! - ebd.: Ira Mazzoni und Catrin Lorch, Rechtliche Lage zum Raubkunst-Fund: Im Zeichen der Zweifel und der Ratlosigkeit
Dies sind die Werke aus dem Münchner Kunstfund (tagesschau.de), die seltsamerweise erst heute auf einer Pressekonferenz der Augsburger Staatsanwaltschaft gezeigt, aber bereits 2012 von Zollfahndern beschlagnahmt wurden und in einem Sicherheitstrakt des bayerischen Zolls unter Verschluss gehalten werden! Letzeres scheint mir allerdings vernünftig zu sein, damit nicht in Zeiten der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten für das flottierende Kapital sofort die Spekulation losgeht!
Wenn im Zusammenhang mit NS-Raubkunst und Restitutionsansprüchen vom "Sprengel-Museum" die Rede ist, dann bisher nur von Lovis Corinths Landschaftsbild „Römische Campagna“ oder Marcs «Katze hinter einem Baum», nicht aber z. B. von Karl Schmidt-Rottluffs „Marschlandschaft mit rotem Windrad“ (1922), das dem Hannoveraner Sammler und Unternehmer Max Rüdenberg gehörte. Die Finanzdirektion Hannover ordnete 1938/39 eine Vermögensverwaltung an. Rüdenberg war gezwungen, u.a. das Bild zu verkaufen.... 1939 fungierte Erich Pfeiffer als hannoverscher Zwischenhändler, der es für 180 Reichsmark an Bernhard und Margit Sprengel weitergab. Sprengel äußerte sich brieflich zufrieden über den geringen Preis. Im Inventarverzeichnis Sprengels ist das Bild 1940 mit dem Hinweis erfasst, dass Max Rüdenberg der Vorbesitzer gewesen sei. Elsbeth und Gustav Rüdenberg wurden 1941 in Riga ermordet. Margarethe und Max Rüdenberg wurden in Theresienstadt in den Tod getrieben.
Bernhard Sprengel stiftete 1969 seine Sammlung der Stadt Hannover. So gelangte das Aquarell in das 1979 - nach Streitigkeiten um die Namensgebung - eröffnete Sprengel Museum. So wohl auch die Blätter von Nolde (s. o.).
Man kann das natürlich auch so formulieren wie das Sprengel-Museum:
Das frisch verheiratete Paar Margrit und Bernhard Sprengel setzte mit Aquarellen von Emil Nolde den Grundstein ihrer herausragenden Sammlung von Werken der Klassischen Moderne. Nach dem Besuch der Ausstellung „Entartete Kunst“, München 1937, in der Noldes „Herbstmeer“, 1910, gezeigt wurde, war das Paar derart begeistert von dessen Kunst, dass es beschloss, die von den Nazis verfemte und später verbotenen Werke zu sammeln und damit vor der Vernichtung zu schützen.
Dass die Werke nach 1938 so günstig zu kriegen waren, ist doch nicht das Problem des Sammlers, der vor Vernichtung schützen will. Er hätte ja gern mehr bezahlt, aber die Händler wollten ja gar nicht mehr ...
Die Berliner Zeitung schreibt: Gurlitt Senior, Retter oder Raffke? Aus der Distanz gesehen und mit Blick auf jenen Bilderfund, der nun schwer bewacht im Garchinger Zolldepot lagert und nach allen Regeln der Kunst erforscht werden muss, war Gurlitt wohl ein geradezu paradoxe Figur: inniglicher Liebhaber und Kenner der von Hitler & Co abgrundtief gehassten Vorkriegsmoderne. Und hernach ein verschlagener, ruchlos auf den eigenen Vorteil bedachter Händler, der die Notlage verfolgter Künstler und jüdischer Kollegen ... ausnutzte.
Wie ist dann der Namensgeber des wichtigsten Museums in Hannover zu sehen, der vom Dealer günstig kaufte? - Bezahlt mit den Gewinnen der Firma B. Sprengel & Co, die 1936 zum für die Wehrwirtschaft wichtigen Betrieb ernannt wurde, da sie Scho-Ka-Kola herstellte (und die Bestandteil der Luftwaffenverpflegung war - „Fliegerschokolade“, ein Aufputschmittel für Stuka-Pitoten ...).
Es könnte also sein, dass in Hannover erneute Streitigkeiten um die Namensgebung des Museums angebracht wären. Wenn ich mich richtig erinnere, war die Alternative damals "Kunstmuseum Hannover mit Sammlung Sprengel" oder so ähnlich. Ich fürchte, heute liefe es eher auf "Swiss Life Art Arena feat. The Sprengel Collection" oder so hinaus ...
Wie der Hannoveraner Kurt Schwitters schon sagte
“Hannover strebt vorwärts nach weit.”
Man sollte das Museum nach ihm benennen.
gebattmer - 2013/11/05 18:23
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