Archäologie LXIX: Woodstock, 15. bis 17. August 1969
... Ja, es war ein gigantischer Kindergarten, aber vor allem war Woodstock das Gegenteil der Volksgemeinschaft, das Gegenteil auch der "formierten Gesellschaft", in der versprengte Carl-Schmitt-Schüler noch in jenen mirakulösen Sechzigern das Heil sahen. Und deshalb wanderte Abbie Hoffman aus den USA aus und ließ sich in die "Woodstock Nation" einbürgern. Es gab sie bloß nie. Hoffman hatte sie zum Geisteszustand erklärt und Woodstock zum Land seiner Wahl. Die "Woodstock Nation" gab es auch nicht während der drei wundermilden Tage, die im August vor vierzig Jahren unter der Herrschaft des gütigen Reaktionärs Richard Nixon stattfanden.
Aber dort entstand ein Lied, ein trauriges Lied, yes Sir, ein besonderes Lied. Nein, es ist nicht "Star Spangled Banner", Jimi Hendrix" zerhackte Version der Nationalhymne, es ist auch nicht Country Joe McDonalds Vietnam-Rag, sondern die "Suite: Judy Blue Eyes", mit der - angeblich die Hosen voll im Premierenfieber - die Band Crosby, Stills, Nash & Young debütierte. (Genau genommen war es schon der zweite Auftritt.) "Remember what we"ve said and done and felt about each other/Oh babe, have mercy/Don"t let the past remind us of what we are not now." Dieser Song schläft in allen Dingen, die da träumen fort und fort. Ladies and gentlemen of the Woodstock Nation: Thank you so very much.
WILLI WINKLER
via Totally Fuzzy
This is Part 2/2 of the documentary. Since this was already posted in 2007 on google video this is the older documentary not the 40th anniversary version released recently.
16. Crosby, Stills & Nash "Suite: Judy Blue Eyes"
17. Ten Years After "I'm Going Home"
18. Jefferson Airplane "Saturday Afternoon" / "Won't You Try" **
19. - "Uncle Sam's Blues" **
20. John Sebastian "Younger Generation"
21. Country Joe McDonald "FISH Cheer / Feel-Like-I'm-Fixing-to-Die-Rag"
22. Santana "Soul Sacrifice"
23. Sly and the Family Stone "Dance To The Music" / "I Want To Take You Higher"
24. Janis Joplin "Work Me, Lord" **
25. Jimi Hendrix "Voodoo Child (Slight Return)" (credited as "Voodoo Chile" in the film) **
26. - "The Star-Spangled Banner"
27. - "Purple Haze"
28. - "Woodstock Improvisation" **
29. - "Villanova Junction"
30.* Crosby, Stills, Nash & Young "Woodstock" / "Find the Cost of Freedom" **
Der Regisseur Michael Wadleigh, der den Film zum Festival drehte (den ihm der noch völlig unbekannte Martin Scorsese zur Oscar-Reife schnitt) hat vielleicht doch den treffenden Vergleich für das Festival gefunden: Es war nicht nur das Gegenteil von, sondern auch das Gegenstück zu Leni Riefenstahls Reichsparteitagsfilm "Triumph des Willens". Die Nazis und Hitlers Lieblingsregisseurin feierten die schiere Masse, die Überwältigung durch die straff organisierte Menge, also den Rausch an der eigenen Macht. So dumm konnte nicht einmal Leni Riefenstahl sein, als dass sie nicht gesehen hätte, was in Nürnberg passierte: Der Masse war jede Individualität ausgetrieben, sie war, in der Formulierung Kracauers, als Ornament aufgezogen, angetreten zum Opfergang für den unersättlichen Führer, sein künftiges Schlachtvieh. Wie harmlos dagegen die Massen in Bethel, ganz weit oben im Bundesstaat New York. Nicht Kanonen-, sondern bloß Schwenkfutter für die gierigen Kameras: freischwingende Schwänze, unbearbeitete Brüste, ein sorgloses Spielen im Schlamm, das Ravi Shankar an die Wasserbüffel in seiner indischen Heimat erinnerte. Wer sich nicht vorstellen kann, welche Freiheit Woodstock wenigstens vorübergehend brachte, soll mal versuchen, seine noch nicht schulpflichtigen Kinder nackt an einem amerikanischen Hotelpool herumlaufen zu lassen.
s.o. Winkler in der sz: Ich empfehle den Artikel ganz zu lesen!
Diesen auch: Apple und der Schweinebauch ::
... Werben, sagt der Philosoph Christoph Türcke in seiner "Philosophie der Sensation" (München 2002), bedeutet unter solchen Voraussetzungen: "eine ganze Wahrnehmungsweise einüben, worin das Angepriesene seinen festen Platz hat". Das hat Folgen für den Leser oder Zuschauer: Eher dass er ein Adressat wäre, ein Kunde, der verführt werden soll, ist er ein Kenner, ein Mitwisser, ein Fachmann, der eigentlich keine Werbung braucht, sondern zusammen mit dem Hersteller das Produkt genießen will.
Die perfekte Werbung geht daher heute in das Produkt selber ein. Es selbst muss eine konditionierende Kraft besitzen. Es muss eine Verkörperung sein von Sinn und Rettung - und überzeugender als jede Art von verweisender Werbung ist es deswegen, wenn das Produkt in sich Ausdruck seiner verführerische Kraft ist. Die Werbung geht also ins Design, und wenn im Design etwas glückt, wie bei den Produkten von Apple, wie bei Audi oder Bionade, so geht die Eigenwirklichkeit des Produkts weit über jeden Appell an eine Kaufentscheidung hinaus...
Beide Artikel zusammengelesen könnten Aufschluss geben über eine interessante Veränderung: Könnte man schließen, dass Woodstock für einen Augenblick steht, in dem das Design von vielen Menschen selbst gemacht, d. h. gelebt und dadurch hervorgebracht wird - man könnte das demokratisch nennen (mit allen Einschränkungen, die Winkler klug formuliert) - , und Design im oben bezeichneten, heutigen Sinn Leben(-sstil) hervorbring, das/der nur nachgelebt werden kann? - Der kleine, aber entscheidende Unterschied zwischen dem - manchmal verzweifelt hilflos tastenden, aber letztlich doch selbstbestimmten Einüben einer Wahrnehmungsweise und dem Eingeübt-Werden! Letztlich die Frage danach, wer in einer Gesellschaft die "eine konditionierende Kraft" hat (Gramsci nennt das Hegemonie).
Freilich - Dialektik der Aufklärung - : Winkler arbeitet auch schön heraus, dass Woodstock eben auch genau das hervorgebracht hat: Auch wenn im zweiten Ansturm die Umzäunung draufging und in der Not der Eintritt doch noch freigegeben wurde, machte der Erlös aus den Nebenrechten, der legendären Dreifach-LP und dem Film, alle Beteiligten reich. Woodstock war nicht der Abschluss der sechziger Jahre - der kam vier Monate später in Altamont, wo ein Zuschauer vor den Augen der Rolling Stones abgestochen wurde -, sondern der Beginn der totalen Vermarktung der Pop-Musik.
We are stardust, we are golden ...
Nachtrag:
BBC Radio 2 Programmes - The 40th Anniversary of Woodstock - oder hier!
American singer-songwriter John Sebastian marks the 40th anniversary of one of the most legendary events of the hippie movement. Featuring contributions from some of the musicians who were there including Richie Havens, Carlos Santana, Pete Townshend and Joni Mitchell, plus previously unreleased tracks recorded at Woodstock by Creedence Clearwater Revival, The Grateful Dead and Joe Cocker; this documentary sheds a light on the celebrated festival.
Generally regarded as the last major event of the hippie era, Woodstock has become idealized in American popular culture as the festival where nearly half a million "flower children" came together to celebrate the counter culture. At the time, it held the record for the largest music audience in the world.
Original festival organizers Artie Kornfeld and Michael Lang, along with Academy Award winning director Michael Wadleigh, talk about their memories of the festival and members of Santana, Creedence Clearwater Revival, Canned Heat and The Grateful Dead reveal their Woodstock highlights, interspersed with tracks by headline artists at the festival.
Ergänzung: Jimi Henrix- Live at Woodstock '69 - 56:39
Aber dort entstand ein Lied, ein trauriges Lied, yes Sir, ein besonderes Lied. Nein, es ist nicht "Star Spangled Banner", Jimi Hendrix" zerhackte Version der Nationalhymne, es ist auch nicht Country Joe McDonalds Vietnam-Rag, sondern die "Suite: Judy Blue Eyes", mit der - angeblich die Hosen voll im Premierenfieber - die Band Crosby, Stills, Nash & Young debütierte. (Genau genommen war es schon der zweite Auftritt.) "Remember what we"ve said and done and felt about each other/Oh babe, have mercy/Don"t let the past remind us of what we are not now." Dieser Song schläft in allen Dingen, die da träumen fort und fort. Ladies and gentlemen of the Woodstock Nation: Thank you so very much.
WILLI WINKLER
via Totally Fuzzy
This is Part 2/2 of the documentary. Since this was already posted in 2007 on google video this is the older documentary not the 40th anniversary version released recently.
16. Crosby, Stills & Nash "Suite: Judy Blue Eyes"
17. Ten Years After "I'm Going Home"
18. Jefferson Airplane "Saturday Afternoon" / "Won't You Try" **
19. - "Uncle Sam's Blues" **
20. John Sebastian "Younger Generation"
21. Country Joe McDonald "FISH Cheer / Feel-Like-I'm-Fixing-to-Die-Rag"
22. Santana "Soul Sacrifice"
23. Sly and the Family Stone "Dance To The Music" / "I Want To Take You Higher"
24. Janis Joplin "Work Me, Lord" **
25. Jimi Hendrix "Voodoo Child (Slight Return)" (credited as "Voodoo Chile" in the film) **
26. - "The Star-Spangled Banner"
27. - "Purple Haze"
28. - "Woodstock Improvisation" **
29. - "Villanova Junction"
30.* Crosby, Stills, Nash & Young "Woodstock" / "Find the Cost of Freedom" **
Der Regisseur Michael Wadleigh, der den Film zum Festival drehte (den ihm der noch völlig unbekannte Martin Scorsese zur Oscar-Reife schnitt) hat vielleicht doch den treffenden Vergleich für das Festival gefunden: Es war nicht nur das Gegenteil von, sondern auch das Gegenstück zu Leni Riefenstahls Reichsparteitagsfilm "Triumph des Willens". Die Nazis und Hitlers Lieblingsregisseurin feierten die schiere Masse, die Überwältigung durch die straff organisierte Menge, also den Rausch an der eigenen Macht. So dumm konnte nicht einmal Leni Riefenstahl sein, als dass sie nicht gesehen hätte, was in Nürnberg passierte: Der Masse war jede Individualität ausgetrieben, sie war, in der Formulierung Kracauers, als Ornament aufgezogen, angetreten zum Opfergang für den unersättlichen Führer, sein künftiges Schlachtvieh. Wie harmlos dagegen die Massen in Bethel, ganz weit oben im Bundesstaat New York. Nicht Kanonen-, sondern bloß Schwenkfutter für die gierigen Kameras: freischwingende Schwänze, unbearbeitete Brüste, ein sorgloses Spielen im Schlamm, das Ravi Shankar an die Wasserbüffel in seiner indischen Heimat erinnerte. Wer sich nicht vorstellen kann, welche Freiheit Woodstock wenigstens vorübergehend brachte, soll mal versuchen, seine noch nicht schulpflichtigen Kinder nackt an einem amerikanischen Hotelpool herumlaufen zu lassen.
s.o. Winkler in der sz: Ich empfehle den Artikel ganz zu lesen!
Diesen auch: Apple und der Schweinebauch ::
... Werben, sagt der Philosoph Christoph Türcke in seiner "Philosophie der Sensation" (München 2002), bedeutet unter solchen Voraussetzungen: "eine ganze Wahrnehmungsweise einüben, worin das Angepriesene seinen festen Platz hat". Das hat Folgen für den Leser oder Zuschauer: Eher dass er ein Adressat wäre, ein Kunde, der verführt werden soll, ist er ein Kenner, ein Mitwisser, ein Fachmann, der eigentlich keine Werbung braucht, sondern zusammen mit dem Hersteller das Produkt genießen will.
Die perfekte Werbung geht daher heute in das Produkt selber ein. Es selbst muss eine konditionierende Kraft besitzen. Es muss eine Verkörperung sein von Sinn und Rettung - und überzeugender als jede Art von verweisender Werbung ist es deswegen, wenn das Produkt in sich Ausdruck seiner verführerische Kraft ist. Die Werbung geht also ins Design, und wenn im Design etwas glückt, wie bei den Produkten von Apple, wie bei Audi oder Bionade, so geht die Eigenwirklichkeit des Produkts weit über jeden Appell an eine Kaufentscheidung hinaus...
Beide Artikel zusammengelesen könnten Aufschluss geben über eine interessante Veränderung: Könnte man schließen, dass Woodstock für einen Augenblick steht, in dem das Design von vielen Menschen selbst gemacht, d. h. gelebt und dadurch hervorgebracht wird - man könnte das demokratisch nennen (mit allen Einschränkungen, die Winkler klug formuliert) - , und Design im oben bezeichneten, heutigen Sinn Leben(-sstil) hervorbring, das/der nur nachgelebt werden kann? - Der kleine, aber entscheidende Unterschied zwischen dem - manchmal verzweifelt hilflos tastenden, aber letztlich doch selbstbestimmten Einüben einer Wahrnehmungsweise und dem Eingeübt-Werden! Letztlich die Frage danach, wer in einer Gesellschaft die "eine konditionierende Kraft" hat (Gramsci nennt das Hegemonie).
Freilich - Dialektik der Aufklärung - : Winkler arbeitet auch schön heraus, dass Woodstock eben auch genau das hervorgebracht hat: Auch wenn im zweiten Ansturm die Umzäunung draufging und in der Not der Eintritt doch noch freigegeben wurde, machte der Erlös aus den Nebenrechten, der legendären Dreifach-LP und dem Film, alle Beteiligten reich. Woodstock war nicht der Abschluss der sechziger Jahre - der kam vier Monate später in Altamont, wo ein Zuschauer vor den Augen der Rolling Stones abgestochen wurde -, sondern der Beginn der totalen Vermarktung der Pop-Musik.
We are stardust, we are golden ...
Nachtrag:
BBC Radio 2 Programmes - The 40th Anniversary of Woodstock - oder hier!
American singer-songwriter John Sebastian marks the 40th anniversary of one of the most legendary events of the hippie movement. Featuring contributions from some of the musicians who were there including Richie Havens, Carlos Santana, Pete Townshend and Joni Mitchell, plus previously unreleased tracks recorded at Woodstock by Creedence Clearwater Revival, The Grateful Dead and Joe Cocker; this documentary sheds a light on the celebrated festival.
Generally regarded as the last major event of the hippie era, Woodstock has become idealized in American popular culture as the festival where nearly half a million "flower children" came together to celebrate the counter culture. At the time, it held the record for the largest music audience in the world.
Original festival organizers Artie Kornfeld and Michael Lang, along with Academy Award winning director Michael Wadleigh, talk about their memories of the festival and members of Santana, Creedence Clearwater Revival, Canned Heat and The Grateful Dead reveal their Woodstock highlights, interspersed with tracks by headline artists at the festival.
Ergänzung: Jimi Henrix- Live at Woodstock '69 - 56:39
gebattmer - 2009/08/15 22:52
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