Verlierer - oder: Mission accomplished
Im Forum Kritische Pädagogik veröffentlicht Uwe Findeisen einen aus aktuellem Anlass überarbeiteten Aufsatz:
Mit Gewalt zur Anerkennung des Ich
Anmerkungen zu „Jugendgewalt“ und „School Shooting“:
U. a. befasst er sich mit Leistungslernen – Notensystem – Geltungsbedürfnis
:
... Das schulische Konkurrenzverhalten ist also eine widersprüchliche Angelegenheit, über dessen Här-ten in der Öffentlichkeit, zumal seit den PISA-Studien, freimütig berichtet wird. Das Prinzip lautet: Jeder ist seines Glückes Schmied - gegen die anderen. In der Schul- oder Arbeitsmarktkonkurrenz werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene einem Vergleich unterworfen, den siegreich bestehen muss, wer zu etwas kommen will. Jeder strengt sich also an, besser als die anderen zu sein. Dieses Verhalten aber mit der individuellen Leistung zu legitimieren, die dem Einzelnen entspreche, unter-schlägt, dass die Leistungsbedingungen nicht von denen, die konkurrieren, festgelegt werden, son-dern vorgegeben sind. Der eigentliche Lehrplan des heutigen Bildungssystems besteht laut Nüberlin darin, dass die Schule die Schüler im Unterricht unter einen künstlichen Zeitdruck setzt, so dass un-ter ihnen notwendigerweise Leistungsunterschiede entstehen. Noten sind also keine qualitative Be-urteilung, sondern eine „Leistungsabstandsmessung, die die Schüler in ein Rangordnung von Zif-fernnoten einordnet“ (Nüberlin 2002).
Die Schüler aber betrachten die Noten anders, nämlich als persönliches Verdienst. Ihr Schul-zeugnis ist für sie mehr als die Auflistung der Fachnoten. Es erscheint als „Wertigkeitszuschrei-bung“. – und der Grund dafür scheint allein in der Anstrengung und Begabung des Einzelnen zu lie-gen.
Leistungsdruck ist jedoch keine Selbstverständlichkeit von Lernprozessen. Lernen braucht Zeit, aber eine Durchschnittszeit fürs Lernen so festzulegen, dass immer einige nicht mitkommen, schafft erst den Leistungsdruck, an dem man scheitert. Aus der Wissensvermittlung folgt dieser se-lektive Umgang nicht, denn sie hätte ihr Maß am Verstehen des jeweiligen Inhalts - was mal länger, mal kürzer dauert. Wissen legt nicht fest, in welcher Zeit es verstanden werden will und muss. Dies erfahren in unserem Schulsystem nur die Schüler und Schülerinnen im Anfangsunterricht und das ist von den Lehrpersonen gewusst, wenn sie dann mit der realistischen Benotung beginnen, die sie leider nicht nur als gesetzliche Festlegung zur Sortierung, sondern als Hilfe zur Selbsteinschätzung des Kindes verstehen. Wissen in ein Pensum zu verwandeln macht die vorherrschende Form der Wissensaneignung erst zum Lerndruck. Lernen in einer vorher festgelegten Zeit hat nichts damit zu tun, dass jeder seine Fähigkeiten entwickelt. Es wird benutzt, um eine Verteilung von Berechtigun-gen für die Hierarchie der Berufswelt vorzunehmen. Für die Beteiligten erscheint dieser Zusam-menhang in verkehrter Form – nicht so, dass er die individuelle Laufbahn bestimmt, sondern als zur Verfügung gestellte Bedingung für die Entwicklung der Lernenden. So werden die lernhemmenden Bedingungen im Gegensatz zu ihrer praktischen Zweckbestimmung als Angebote und Möglichkei-ten verstanden, die man nun ergreifen muss, um weiter zu kommen. Und wo einer scheitert, da hat er eben die Chancen nicht wahrgenommen...
Vgl. auch: Warum "Jugendgewalt" eine Ideologie ist ...
und immer noch sehr empfehlenswert: Freistaat Thüringen: Bericht der Kommission Gutenberg-Gymnasium
Im Forum Kritische Pädagogik auch: Klaus Klemm -- Sinnloses "Sitzenbleiben" kostet jährlich 1 Milliarde
- Volltext der Studie
Mit Gewalt zur Anerkennung des Ich
Anmerkungen zu „Jugendgewalt“ und „School Shooting“:
U. a. befasst er sich mit Leistungslernen – Notensystem – Geltungsbedürfnis
:
... Das schulische Konkurrenzverhalten ist also eine widersprüchliche Angelegenheit, über dessen Här-ten in der Öffentlichkeit, zumal seit den PISA-Studien, freimütig berichtet wird. Das Prinzip lautet: Jeder ist seines Glückes Schmied - gegen die anderen. In der Schul- oder Arbeitsmarktkonkurrenz werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene einem Vergleich unterworfen, den siegreich bestehen muss, wer zu etwas kommen will. Jeder strengt sich also an, besser als die anderen zu sein. Dieses Verhalten aber mit der individuellen Leistung zu legitimieren, die dem Einzelnen entspreche, unter-schlägt, dass die Leistungsbedingungen nicht von denen, die konkurrieren, festgelegt werden, son-dern vorgegeben sind. Der eigentliche Lehrplan des heutigen Bildungssystems besteht laut Nüberlin darin, dass die Schule die Schüler im Unterricht unter einen künstlichen Zeitdruck setzt, so dass un-ter ihnen notwendigerweise Leistungsunterschiede entstehen. Noten sind also keine qualitative Be-urteilung, sondern eine „Leistungsabstandsmessung, die die Schüler in ein Rangordnung von Zif-fernnoten einordnet“ (Nüberlin 2002).
Die Schüler aber betrachten die Noten anders, nämlich als persönliches Verdienst. Ihr Schul-zeugnis ist für sie mehr als die Auflistung der Fachnoten. Es erscheint als „Wertigkeitszuschrei-bung“. – und der Grund dafür scheint allein in der Anstrengung und Begabung des Einzelnen zu lie-gen.

Vgl. auch: Warum "Jugendgewalt" eine Ideologie ist ...
und immer noch sehr empfehlenswert: Freistaat Thüringen: Bericht der Kommission Gutenberg-Gymnasium
Im Forum Kritische Pädagogik auch: Klaus Klemm -- Sinnloses "Sitzenbleiben" kostet jährlich 1 Milliarde
- Volltext der Studie
gebattmer - 2009/10/13 12:29
Ich probiers mal. Unverbindlich zur Ansicht.
Man kann sich angesichts der Verrohung als Nebenwirkung des Selektionsprozesses also auch blöd stellen und gegen den Befund daran festhalten wollen, daß Lehrer eigentlich mit dem "Aufbau der Zivilisation" beschäftigt seien.