"Nach unserem Verständnis funktioniert Demokratie mit einer starken Opposition" ... Wie sich Herr Sch. von der ARD einmal grandios vor dem russischen Präsidenten blamierte. Oder: Die bedingungslose Vollstreckung eines Konsenses deutscher Machtbräsigkeit durch die deutschen Medien: "Es gibt kein Recht auf Faulheit" (?)
Ich habe dieses wunderbare Interview seinerzeit versäumt. Es sei allen empfohlen, die einmal einen intelligenten, informierten, präzise formulierenden und in jeder Hinsicht souveränen Politiker sehen möchten.
M.a.W. Das Putin-Bashing der deutschen Medien ist unerträglich und braucht dringend Korrektur:
Jörg Schönenborn im Interview mit russischem Präsidenten Vladimir Putin im April 2013 - 2. Teil und 3. Teil.
Es reicht aber, um einen guten Eindruck zu bekommen, den ersten Teil anzusehen, - und hier insbesondere die schöne Passage (ab 07.00), in der Schönborn nach der Bedeutung starker Opposition in der Demokratie fragt (eigentlich fragt er ja gar nicht!), - was angesichts der Lage hier und heute doch eher albern wirkt.
Und was ist gegen diese Analyse zu sagen: Putin über den Westen, Irak, Libyen, Syrien ...?!?
Vgl. auch Gute Frage: Boykottiert Gauck die Winterolympiade in Sotschi oder fährt er einfach nicht hin? - Russophobie?
In beiden Fällen fällt auf die bedingungslose Vollstreckung eines Konsenses der deutschen Machtbräsigkeit durch die deutschen Medien, - sei es in Fragen der Ökonomie oder in denen der internationalen Politik oder auch - wie aktuell wieder in Fragen europäischer Sozialpolitik:
Besonders auffällig ist das im Rundfunk, wo ja die Anführungszeichen nicht mitgesprochen werden. So sind dann die rechten Kampfbegriffe "Armutsmigration" und "Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme" erstmal in der Welt und durch nachrichtliche Erwähnung eines zu einer "Debatte über die Zuwanderung aus Südosteuropa" hochgejazzten CSU-Stammtischkrakeels salonfähig gemacht. Selten wird dann noch - unter dem Druck der Sendezeit und des Formats - Information beigesteuert; wie hier in der Tagesschau-Meldung:
Allerdings sind die CSU-Warnungen durch Zahlen nicht zu belegen: Nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren zur Jahresmitte 2013 nur 0,6 Prozent der Hartz-IV-Bezieher Bulgaren und Rumänen. Obwohl die Zuwanderer aus diesen Ländern im Schnitt geringer qualifiziert sind, lag die Arbeitslosenquote für beide Nationalitäten Mitte 2013 unter dem Schnitt der Gesamtbevölkerung und deutlich unter der anderer Migrantengruppen. Experten halten es daher nicht für gerechtfertigt, pauschal von "Armutszuwanderung" aus Bulgarien und Rumänien zu reden...
Sehr schön deutlich wird die schmuddelige Einheit von Medien und Politik beim Agenda-Setting in Matthias Kaufmanns Analyse der emotionalisierten Berichterstattung, die Langzeitarbeitslose als Faulpelze und Schnorrer darstellte, die die Einführung der Hartz-Reformen orchestrierte:
... die Qualität der Debatte änderte sich nach dem 6. April 2001. Da gab Bundeskanzler Gerhard Schröder der Bild-Zeitung ein Interview. Eine Frage lautete: "Es gibt knapp 4 Millionen Arbeitslose und fast 600.000 offene Stellen – was stimmt da auf dem Arbeitsmarkt nicht?" Darauf hätte er zum Beispiel antworten können, dass nicht jeder Job zu jedem Bewerber passt, dass es auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, wenn nicht jeder Suchende blindlings jede Stelle annimmt, die nichts mit seiner Qualifikation zu tun hat.
Aber er sagte stattdessen: "Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft! Das bedeutet konkret: Wer arbeitsfähig ist, aber einen zumutbaren Job ablehnt, dem kann die Unterstützung gekürzt werden. Das ist richtig so. Ich glaube allerdings, dass die Arbeitsämter die entsprechenden Möglichkeiten noch konsequenter nutzen können."
Das war perfide, denn er sagte nicht: Arbeitslose sind allesamt faul. Aber er setzte Faulheit mit den genannten Zahlen in einen Zusammenhang. Niemand hatte nach Solidarität für Leute gefragt, die nicht arbeiten wollen, und er tat so, als ginge es genau darum. Tatsächlich ging es um Solidarität mit Leuten, die ihren Beitrag zum Solidarsystem bereits geleistet haben, denn darum geht es ja bei Sozialversicherungen. Andere verschärften dann den Ton. Der Tiefpunkt der Entwicklung war 2005 eine Broschüre, die Arbeitsminister Wolfgang Clement in Auftrag gegeben hatte. Erwerbslose wurden dort als "Trittbrettfahrer", "Schmarotzer" und "Parasiten" bezeichnet.
Was dabei herausgekommen ist, kann man wissen: Arbeitslosigkeit im Jahr 2013: Mehr als zwei Drittel aller Arbeitslosen im Bereich des SGB II/Hartz IV
+ "10 Strategien der Manipulation" revisited
M.a.W. Das Putin-Bashing der deutschen Medien ist unerträglich und braucht dringend Korrektur:
Jörg Schönenborn im Interview mit russischem Präsidenten Vladimir Putin im April 2013 - 2. Teil und 3. Teil.
Es reicht aber, um einen guten Eindruck zu bekommen, den ersten Teil anzusehen, - und hier insbesondere die schöne Passage (ab 07.00), in der Schönborn nach der Bedeutung starker Opposition in der Demokratie fragt (eigentlich fragt er ja gar nicht!), - was angesichts der Lage hier und heute doch eher albern wirkt.
Und was ist gegen diese Analyse zu sagen: Putin über den Westen, Irak, Libyen, Syrien ...?!?
Vgl. auch Gute Frage: Boykottiert Gauck die Winterolympiade in Sotschi oder fährt er einfach nicht hin? - Russophobie?
In beiden Fällen fällt auf die bedingungslose Vollstreckung eines Konsenses der deutschen Machtbräsigkeit durch die deutschen Medien, - sei es in Fragen der Ökonomie oder in denen der internationalen Politik oder auch - wie aktuell wieder in Fragen europäischer Sozialpolitik:
Besonders auffällig ist das im Rundfunk, wo ja die Anführungszeichen nicht mitgesprochen werden. So sind dann die rechten Kampfbegriffe "Armutsmigration" und "Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme" erstmal in der Welt und durch nachrichtliche Erwähnung eines zu einer "Debatte über die Zuwanderung aus Südosteuropa" hochgejazzten CSU-Stammtischkrakeels salonfähig gemacht. Selten wird dann noch - unter dem Druck der Sendezeit und des Formats - Information beigesteuert; wie hier in der Tagesschau-Meldung:
Allerdings sind die CSU-Warnungen durch Zahlen nicht zu belegen: Nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren zur Jahresmitte 2013 nur 0,6 Prozent der Hartz-IV-Bezieher Bulgaren und Rumänen. Obwohl die Zuwanderer aus diesen Ländern im Schnitt geringer qualifiziert sind, lag die Arbeitslosenquote für beide Nationalitäten Mitte 2013 unter dem Schnitt der Gesamtbevölkerung und deutlich unter der anderer Migrantengruppen. Experten halten es daher nicht für gerechtfertigt, pauschal von "Armutszuwanderung" aus Bulgarien und Rumänien zu reden...
Sehr schön deutlich wird die schmuddelige Einheit von Medien und Politik beim Agenda-Setting in Matthias Kaufmanns Analyse der emotionalisierten Berichterstattung, die Langzeitarbeitslose als Faulpelze und Schnorrer darstellte, die die Einführung der Hartz-Reformen orchestrierte:
... die Qualität der Debatte änderte sich nach dem 6. April 2001. Da gab Bundeskanzler Gerhard Schröder der Bild-Zeitung ein Interview. Eine Frage lautete: "Es gibt knapp 4 Millionen Arbeitslose und fast 600.000 offene Stellen – was stimmt da auf dem Arbeitsmarkt nicht?" Darauf hätte er zum Beispiel antworten können, dass nicht jeder Job zu jedem Bewerber passt, dass es auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, wenn nicht jeder Suchende blindlings jede Stelle annimmt, die nichts mit seiner Qualifikation zu tun hat.
Aber er sagte stattdessen: "Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft! Das bedeutet konkret: Wer arbeitsfähig ist, aber einen zumutbaren Job ablehnt, dem kann die Unterstützung gekürzt werden. Das ist richtig so. Ich glaube allerdings, dass die Arbeitsämter die entsprechenden Möglichkeiten noch konsequenter nutzen können."
Das war perfide, denn er sagte nicht: Arbeitslose sind allesamt faul. Aber er setzte Faulheit mit den genannten Zahlen in einen Zusammenhang. Niemand hatte nach Solidarität für Leute gefragt, die nicht arbeiten wollen, und er tat so, als ginge es genau darum. Tatsächlich ging es um Solidarität mit Leuten, die ihren Beitrag zum Solidarsystem bereits geleistet haben, denn darum geht es ja bei Sozialversicherungen. Andere verschärften dann den Ton. Der Tiefpunkt der Entwicklung war 2005 eine Broschüre, die Arbeitsminister Wolfgang Clement in Auftrag gegeben hatte. Erwerbslose wurden dort als "Trittbrettfahrer", "Schmarotzer" und "Parasiten" bezeichnet.
Was dabei herausgekommen ist, kann man wissen: Arbeitslosigkeit im Jahr 2013: Mehr als zwei Drittel aller Arbeitslosen im Bereich des SGB II/Hartz IV
+ "10 Strategien der Manipulation" revisited
gebattmer - 2014/01/07 21:01
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