Der Grieche - heute 1. in der FR und 2.: pervers
1. Unter dem Titel Kein Volk von Frührentnern und Faulenzern
versucht Gerd Höhler den Griechen als solchen zu retten mit immerhin ein paar statistischen Daten, was aber insgesamt in die Hose geht, weil er eben auch den Griechen halluziniert:
Haben die Griechen den Euro überhaupt verdient?
Sie selbst meinen: Ja. Sie haben vor zehn Jahren alles darangesetzt, in die Eurozone aufgenommen zu werden - mit geschönten Statistiken, wie viele Europäer sagen, was in Athen energisch bestritten wird. Inzwischen meinen manche Griechen allerdings, der Euro habe sich letztlich als Fluch erwiesen. Denn während die Griechen in den 80er und 90er Jahren durch schleichende Abwertungen der Drachme Exporte und touristische Dienstleistungen verbilligen und so wettbewerbsfähig bleiben konnten, leiden sie nun unter dem teuren Euro.
Lassen die Griechen es sich auf Kosten Europas gut gehen?
So lautet ein gängiges Vorurteil. Die Realität sieht anders aus. Tatsächlich liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit mit 41,6 Stunden deutlich über dem EU-Durchschnitt (37,4 Stunden). Die Griechen gehen auch nicht früher in Pension: Das mittlere Renteneintrittsalter liegt mit 61,4 Jahren genau im EU-Durchschnitt. In Deutschland sind es 61,7 Jahre. Die Griechen verdienen auch weniger als der durchschnittliche EU-Bürger: Das Lohnniveau liegt bei 73 Prozent, die Renten sogar nur bei 55 Prozent des EU-Durchschnitts. Jeder vierte Grieche verdient weniger als 750 Euro im Monat, jeder fünfte Haushalt lebt unterhalb der Armutsschwelle. Andererseits genossen die rund 800000 Staatsbediensteten bisher viele Privilegien - einschließlich der Möglichkeit, mit Mitte 50 in den Ruhestand zu gehen.
Wird der Grieche ein anderer als vor der Krise sein?
Er ist es eigentlich schon jetzt: Die Krise wirkt wie ein Schock...
Nachtrag: wichtig gegen die terribles simplificateurs und weil die 3 Toten mittlerweile hier schon vergessen sind, weil sie ihre Funktion ja erfüllt haben:
"... griechenland - oder was Sie heute mit aller wahrscheinlichkeit nicht in Ihrer Zeitung lesen werden" bei der autismuskritik!
2. Den klareren Blick als Höhler, warum der Grieche ein anderer werden soll, hat Elmar Altvater, - der freilich auch nicht von dem Griechen spricht, sondern von einem perversen Kreislauf:
... Umverteilung wird ... dadurch unterstützt, dass die Finanzinstitute sich bei den Zentralbanken zu Zinssätzen nahe null mit Geld voll pumpen. Freilich benötigen sie für das Geschäft des Investment-Banking nicht nur billiges Geld, sondern auch neue Schuldner. Diese Funktion erfüllen die Staaten mit dem Ergebnis, dass von den 16 Ländern der Eurozone heute 13 einem Defizitverfahren wegen Überschuldung unterworfen sind. Die Staaten mussten sich verschulden, um Banken und Fonds aus ihren prekären Engagements herauszuhauen. Zur „Belohnung“ müssen die Staaten den privaten Banken viel höhere Zinsen zahlen als die Banken bei einer öffentlichen Einrichtung, der EZB, für das Geld entrichten, das sie einer anderen öffentlichen Einrichtung, der Regierung, leihen. Das ist zwar pervers, doch die Finanzierung von Staatsausgaben durch Kreditaufnahme nicht bei Geschäftsbanken, sondern der EZB, ist den EU-Staaten untersagt. Es gibt die neoliberale Befürchtung, dass die Regierungen mit EZB-Hilfe die Geldmenge inflationär aufblähen.
So finden die Geschäftsbanken auf einmal ein lukratives Geschäftsfeld. Bei der EZB wird das Geld zu Zinssätzen bei Null geliehen, um mit diesem Geld „arbeiten“ zu können – etwa griechische Staatsanleihen zu kaufen. Die sind zwar mit gewissen Risiken verbunden, dafür aber können die Banken einen Risikoaufschlag auf den Marktzins erheben. Der Kredit wird für Griechenland teurer und für die Banken zum guten Geschäft: hohes Risiko, hohe Zinsen, hohe Bankgewinne. Haben also die Schulden Portugals, Italiens, Griechenlands und Spaniens (PIGS) und die Gewinne der Banken etwas miteinander zu tun? Sie haben. Der Chef der Deutschen Bank verkündet im April 2010 einen Quartalsgewinn von 2,8 Milliarden Euro, das wären auf das Jahr umgerechnet mehr als elf Milliarden. Zugleich werden durch Rating-Agenturen die griechischen Schulden herabgestuft, so dass sich die Zinsbelastung für den dortigen Staat, letztlich also für die Steuern zahlende Bevölkerung stark erhöht. ...
... und so wird der eine Grieche ein anderer, nämlich ärmerer, der andere wahrscheinlich auch ein anderer, nämlich noch reicherer. Die deutschen Medien erklären dem ersteren zur Zeit ausführlich, dass er das hinzunehmen hat. Sie haben das im Inland geübt, aber zur Sicherheit wird's der eigenen Bevölkerung a.B. des Griechen nochmal erklärt ("Komplexreduzierung daily" - Georg Seeßlen).
im FREITAG: Elmar Altvater : Die nächste Welle - unbedingt lesen!
Vg. auch hier ...
... und aus aktuellem Anlass - gestern live im Bundestag: Sahra Wagenknecht:
Der Text hier - via NachDenkSeiten
Jens Berger (tp) meint heute, die EU habe Altvater verstanden:
Historischer Wendepunkt in der Geldpolitik der EU
versucht Gerd Höhler den Griechen als solchen zu retten mit immerhin ein paar statistischen Daten, was aber insgesamt in die Hose geht, weil er eben auch den Griechen halluziniert:
Haben die Griechen den Euro überhaupt verdient?
Sie selbst meinen: Ja. Sie haben vor zehn Jahren alles darangesetzt, in die Eurozone aufgenommen zu werden - mit geschönten Statistiken, wie viele Europäer sagen, was in Athen energisch bestritten wird. Inzwischen meinen manche Griechen allerdings, der Euro habe sich letztlich als Fluch erwiesen. Denn während die Griechen in den 80er und 90er Jahren durch schleichende Abwertungen der Drachme Exporte und touristische Dienstleistungen verbilligen und so wettbewerbsfähig bleiben konnten, leiden sie nun unter dem teuren Euro.
Lassen die Griechen es sich auf Kosten Europas gut gehen?
So lautet ein gängiges Vorurteil. Die Realität sieht anders aus. Tatsächlich liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit mit 41,6 Stunden deutlich über dem EU-Durchschnitt (37,4 Stunden). Die Griechen gehen auch nicht früher in Pension: Das mittlere Renteneintrittsalter liegt mit 61,4 Jahren genau im EU-Durchschnitt. In Deutschland sind es 61,7 Jahre. Die Griechen verdienen auch weniger als der durchschnittliche EU-Bürger: Das Lohnniveau liegt bei 73 Prozent, die Renten sogar nur bei 55 Prozent des EU-Durchschnitts. Jeder vierte Grieche verdient weniger als 750 Euro im Monat, jeder fünfte Haushalt lebt unterhalb der Armutsschwelle. Andererseits genossen die rund 800000 Staatsbediensteten bisher viele Privilegien - einschließlich der Möglichkeit, mit Mitte 50 in den Ruhestand zu gehen.
Wird der Grieche ein anderer als vor der Krise sein?
Er ist es eigentlich schon jetzt: Die Krise wirkt wie ein Schock...
Nachtrag: wichtig gegen die terribles simplificateurs und weil die 3 Toten mittlerweile hier schon vergessen sind, weil sie ihre Funktion ja erfüllt haben:
"... griechenland - oder was Sie heute mit aller wahrscheinlichkeit nicht in Ihrer Zeitung lesen werden" bei der autismuskritik!
2. Den klareren Blick als Höhler, warum der Grieche ein anderer werden soll, hat Elmar Altvater, - der freilich auch nicht von dem Griechen spricht, sondern von einem perversen Kreislauf:
... Umverteilung wird ... dadurch unterstützt, dass die Finanzinstitute sich bei den Zentralbanken zu Zinssätzen nahe null mit Geld voll pumpen. Freilich benötigen sie für das Geschäft des Investment-Banking nicht nur billiges Geld, sondern auch neue Schuldner. Diese Funktion erfüllen die Staaten mit dem Ergebnis, dass von den 16 Ländern der Eurozone heute 13 einem Defizitverfahren wegen Überschuldung unterworfen sind. Die Staaten mussten sich verschulden, um Banken und Fonds aus ihren prekären Engagements herauszuhauen. Zur „Belohnung“ müssen die Staaten den privaten Banken viel höhere Zinsen zahlen als die Banken bei einer öffentlichen Einrichtung, der EZB, für das Geld entrichten, das sie einer anderen öffentlichen Einrichtung, der Regierung, leihen. Das ist zwar pervers, doch die Finanzierung von Staatsausgaben durch Kreditaufnahme nicht bei Geschäftsbanken, sondern der EZB, ist den EU-Staaten untersagt. Es gibt die neoliberale Befürchtung, dass die Regierungen mit EZB-Hilfe die Geldmenge inflationär aufblähen.
So finden die Geschäftsbanken auf einmal ein lukratives Geschäftsfeld. Bei der EZB wird das Geld zu Zinssätzen bei Null geliehen, um mit diesem Geld „arbeiten“ zu können – etwa griechische Staatsanleihen zu kaufen. Die sind zwar mit gewissen Risiken verbunden, dafür aber können die Banken einen Risikoaufschlag auf den Marktzins erheben. Der Kredit wird für Griechenland teurer und für die Banken zum guten Geschäft: hohes Risiko, hohe Zinsen, hohe Bankgewinne. Haben also die Schulden Portugals, Italiens, Griechenlands und Spaniens (PIGS) und die Gewinne der Banken etwas miteinander zu tun? Sie haben. Der Chef der Deutschen Bank verkündet im April 2010 einen Quartalsgewinn von 2,8 Milliarden Euro, das wären auf das Jahr umgerechnet mehr als elf Milliarden. Zugleich werden durch Rating-Agenturen die griechischen Schulden herabgestuft, so dass sich die Zinsbelastung für den dortigen Staat, letztlich also für die Steuern zahlende Bevölkerung stark erhöht. ...
... und so wird der eine Grieche ein anderer, nämlich ärmerer, der andere wahrscheinlich auch ein anderer, nämlich noch reicherer. Die deutschen Medien erklären dem ersteren zur Zeit ausführlich, dass er das hinzunehmen hat. Sie haben das im Inland geübt, aber zur Sicherheit wird's der eigenen Bevölkerung a.B. des Griechen nochmal erklärt ("Komplexreduzierung daily" - Georg Seeßlen).
im FREITAG: Elmar Altvater : Die nächste Welle - unbedingt lesen!
Vg. auch hier ...
... und aus aktuellem Anlass - gestern live im Bundestag: Sahra Wagenknecht:
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Jens Berger (tp) meint heute, die EU habe Altvater verstanden:
Historischer Wendepunkt in der Geldpolitik der EU
gebattmer - 2010/05/05 22:16
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