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gitano - 2010/05/18 08:06

Das Bessere ist schon auch mal der Freund des Guten

Da sitzt also einer einkommenslos an der Straße.

Und die Geschichten, die über ihn überall herumerzählt werden, handeln samt und sonders von falscher Politik, Vetternwirtschaft, schmutziger Schlamperei bei den wirklich „wichtigen Leuten“ und allzu leicht zugänglichen Krediten.
Die Opfer der Krise sind selber schuld oder verdienen unsere Fürsorge durch bessere Politik, Austrocknung der Sümpfe, rigoroses Wirtschaften der besseren Köpfe und Transaktionssteuern.

All diese "oral stories" sprechen nur von einem: der Vermeidbarkeit des gerade Stattfindenden.
Die notwendige Unvermeidbarkeit des misslingenden Harmonisierens eines Grundwiderspruchs – (wir theoretisch Interessierten nannten das mal einen systemimmanenten Antagonismus) - kommt darin nicht vor. Was ja auch nicht weiter schlimm ist für die Sinnfindung des Einzelnen, aber doch einen Fingerzeig abgibt, daß zwischen lebensweltlicher Verarbeitung und Wissenschaft ein nicht erzählbarer Bruch besteht.

Nach nunmehr 40 Jahren habe ich es endlich aufgegeben, meiner Mutter ihre Ontologie des erfolgreichen Wirtschaftens auszureden: sie lässt sich den Stolz auf ihre Handlungsfähigkeit nicht nehmen.

Du liest, ich habe so meine Zweifel, daß die Standortgebundenheit des changierenden Kosmosentwerfens sich nicht gerne verwechselt mit der Theorie des gemeinten Sachverhalts.

gebattmer - 2010/05/18 17:46

Alltagsbewusstsein und begreifende Erkenntnis

Wohl richtig: aus Käse kann man keine Funken schlagen ...
Aber ich las nicht ein Plädoyer für beliebig autopoietisches Konstruieren von (Schein-)Wirklichkeiten aus dem Text, sondern eines dafür, ökonomische Theorien eben nicht gegen das Alltagsbewusstsein zu entwickeln (im Aneignungsprozess), sondern sie einzuführen als Erweiterung, wenn man mag: als Möglichkeit der Emanzipation des set of mental resources that permit us to organize these experiences into a representation of a coherent social reality, also der Denkformen des Alltagsbewusstseins, mit denen sich sich die komplex-widersprüchlichen Realzusammenhänge kapitalistischer Lebenswirklichkeit in der Tat nicht begreifen lassen, die ja aber - wie verbogen auch immer - Erfahrungen der Subjekte organisieren.

Du liest, ich halte nichts von der These des unerzählbaren Bruchs zwischen lebensweltlicher Verarbeitung und Wissenschaft; - Holzkamp sprach von orientierendem und begreifendem Erkennen und der Chance, die Beschränktheiten lediglich sinnlicher Ereknntnis aufzuheben, denen das Alltagsbewusstsein der funktionalen Möglichkeit nach nicht unterworfen ist. In diesem Sinne hätten sich unterschiedliche Theorien in der Konkurrenz - im Hinblick auf ihre Reichweite - zu bewähren.
(Ich bin relativ sicher, dass sich herausstellt, dass mit den Denkformen der Politischen Ökonomie der einkommenslos auf der Straße Sitzende besser begriffen werden kann als mit the hegemonic economic theory in the world today—neoclassical economics! Aber vielleicht ist das naiv.)

Andersrum jedenfalls geht es nicht. Immer da, wo den Subjekten theoretische Gebäude übergestülpt werden, die sie dann ihrem set of mental resources aufpropfen, geht's in die Hose: so war das mit dem Parteilehrjahr der SED (wie ihrer westdeutschen Pendants) und so ist das mit den Manangern bei Renault, die von inneren Widersprüchen zerrissen aus dem Fenster springen ... Ein- oder Ausreden funktioniert nun mal nicht; - da würde ich den fürchterlichen Hirnforschern Recht geben!

Peter Weiss' Ästhetik des Widerstands ist für mich ein Beispiel für die andere Art der Wahrnehmungsbildung aus den Rudimenten des Klassenbewusstseins im Alltagsbewusstein ... (vgl. http://gebattmer.twoday.net/stories/3723637/)

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