Archäologie C: Kunduz, 4. September 2009
- eine Ausstellung von Christoph Reuter und Marcel Mettelsiefen im Kunstraum Potsdam:
Am Anfang war die Zahl. Genau genommen war es das Gegenteil jener Genauigkeit, die man mit Zahlen assoziiert: Zwischen "17 und 142 Menschen" seien in der Nacht zum 4. September 2009 ums Leben gekommen bei dem Luftangriff auf vermeintliche Aufständische im Bezirk Chardara südlich von Kunduz. So der Nato-Untersuchungsbericht Monate später. Zum ersten Mal seit 1945 hatte ein deutscher Offizier das Bombardement einer großen Menschenmenge angeordnet. Wobei er gar nicht genau wissen konnte, wen und wie viele Menschen er aus der Luft töten ließ. Er tat es in der Annahme, all die Punkte auf seinem Bildschirm seien Taliban.
Dem war jedoch nicht so.
Rahmen der folgenden Aufklärungsbemühungen entstand ein 500seitiger Untersuchungsbericht der Nato-Mission in Afghanistan. Er dokumentiert minutiös den Funkverkehr zwischen den amerikanischen Piloten und den Deutschen am Boden, zeichnet akribisch das Geschehen seitens der Militärs nach.
Doch eines hat weder die Verfasser des Berichtes, noch andere Stellen so recht interessiert: Wen ließ Deutschland da eigentlich umbringen? Wie viele Menschen starben, als die Bomben bei den Tanklastzügen einschlugen, die von Taliban entführt und von der Dorfbevölkerung geplündert worden waren? 17 bis 142.
Diese Gleichgültigkeit war für uns der Grund für dieses Ermittlungsarbeit. Über Monate haben wir zusammengetragen, was genau in jener Nacht an der Furt geschah. Wer starb dort? Was trieb jeden Einzelnen zu den Tankwagen, die sich festgefahren hatten? Was fanden seine Angehörigen am nächsten Morgen von ihm?
...
Das Buch bei zweitauseneins;
das Interview im FREITAG:
"An diesem Abend sind nur Männer gestorben"
Zur Erinnerung:
Der Frage, welche Bilder wir haben, wir uns machen - und was sie mit uns machen, geht Michael Daxner in seinem Vortrag zur Ausstellung nach:
Wir erfinden Afghanistan
Mir kommt es darauf an, zu zeigen, welche Quellen unsere Bilder haben. Neben Literatur oder bildender Kunst, neben eigenen Erinnerungen wirken Bilder, die über die Medien vermittelt werden und solche, die aus den Diskursen kommen, ohne dass uns das bewusst ist. Welches konkrete Bild sich in unserem Kopf festsetzt, ist nicht vorhersehbar – oder nur in engen Grenzen – und dennoch teilen wir bestimmte Bilder mit vielen anderen, andere gehören nur uns ganz persönlich.
Nicht eigentlich darum ist es mir zu tun, sondern was wir mit den Bildern anfangen, um uns in die Diskussion einzumischen – und damit machen wir schon Politik, ob wir uns dieser bewusst verweigern oder aktiv handelnd Stellung beziehen. Aus den Bildern folgen Interpretationen, die wieder handlungsleitend sind und mit anderen Tatbeständen und Vorstellungen verknüpft werden. Meine Behauptung ist, dass diese Art des Handelns mehr zur Wirklichkeit unserer Politik beiträgt als die direkte Ansprache von Themen durch die Medien bzw. die Meinungsbildung der Politiker selbst.
Es geht heute um Afghanistan. Die These lautet: das Afghanistan, das die Deutschen im Kopf haben, hat mit dem Afghanistan, das in Zentralasien, zwischen Iran und Pakistan mit vier weiteren nördlichen Nachbarn liegt, wenig zu tun hat. Unser Afghanistan wird geradezu erfunden und viele nehmen es übel, wenn das wirkliche Afghanistan ganz anders ist – sich unseren Bildern und Vorstellungen widersetzt ...
Am Anfang war die Zahl. Genau genommen war es das Gegenteil jener Genauigkeit, die man mit Zahlen assoziiert: Zwischen "17 und 142 Menschen" seien in der Nacht zum 4. September 2009 ums Leben gekommen bei dem Luftangriff auf vermeintliche Aufständische im Bezirk Chardara südlich von Kunduz. So der Nato-Untersuchungsbericht Monate später. Zum ersten Mal seit 1945 hatte ein deutscher Offizier das Bombardement einer großen Menschenmenge angeordnet. Wobei er gar nicht genau wissen konnte, wen und wie viele Menschen er aus der Luft töten ließ. Er tat es in der Annahme, all die Punkte auf seinem Bildschirm seien Taliban.
Dem war jedoch nicht so.
Rahmen der folgenden Aufklärungsbemühungen entstand ein 500seitiger Untersuchungsbericht der Nato-Mission in Afghanistan. Er dokumentiert minutiös den Funkverkehr zwischen den amerikanischen Piloten und den Deutschen am Boden, zeichnet akribisch das Geschehen seitens der Militärs nach.
Doch eines hat weder die Verfasser des Berichtes, noch andere Stellen so recht interessiert: Wen ließ Deutschland da eigentlich umbringen? Wie viele Menschen starben, als die Bomben bei den Tanklastzügen einschlugen, die von Taliban entführt und von der Dorfbevölkerung geplündert worden waren? 17 bis 142.
Diese Gleichgültigkeit war für uns der Grund für dieses Ermittlungsarbeit. Über Monate haben wir zusammengetragen, was genau in jener Nacht an der Furt geschah. Wer starb dort? Was trieb jeden Einzelnen zu den Tankwagen, die sich festgefahren hatten? Was fanden seine Angehörigen am nächsten Morgen von ihm?
...
Das Buch bei zweitauseneins;
das Interview im FREITAG:
"An diesem Abend sind nur Männer gestorben"
Zur Erinnerung:
Der Frage, welche Bilder wir haben, wir uns machen - und was sie mit uns machen, geht Michael Daxner in seinem Vortrag zur Ausstellung nach:
Wir erfinden Afghanistan
Mir kommt es darauf an, zu zeigen, welche Quellen unsere Bilder haben. Neben Literatur oder bildender Kunst, neben eigenen Erinnerungen wirken Bilder, die über die Medien vermittelt werden und solche, die aus den Diskursen kommen, ohne dass uns das bewusst ist. Welches konkrete Bild sich in unserem Kopf festsetzt, ist nicht vorhersehbar – oder nur in engen Grenzen – und dennoch teilen wir bestimmte Bilder mit vielen anderen, andere gehören nur uns ganz persönlich.
Nicht eigentlich darum ist es mir zu tun, sondern was wir mit den Bildern anfangen, um uns in die Diskussion einzumischen – und damit machen wir schon Politik, ob wir uns dieser bewusst verweigern oder aktiv handelnd Stellung beziehen. Aus den Bildern folgen Interpretationen, die wieder handlungsleitend sind und mit anderen Tatbeständen und Vorstellungen verknüpft werden. Meine Behauptung ist, dass diese Art des Handelns mehr zur Wirklichkeit unserer Politik beiträgt als die direkte Ansprache von Themen durch die Medien bzw. die Meinungsbildung der Politiker selbst.
Es geht heute um Afghanistan. Die These lautet: das Afghanistan, das die Deutschen im Kopf haben, hat mit dem Afghanistan, das in Zentralasien, zwischen Iran und Pakistan mit vier weiteren nördlichen Nachbarn liegt, wenig zu tun hat. Unser Afghanistan wird geradezu erfunden und viele nehmen es übel, wenn das wirkliche Afghanistan ganz anders ist – sich unseren Bildern und Vorstellungen widersetzt ...
gebattmer - 2010/05/28 21:25
Dazu passt auch der folgende Artikel:
Will sagen: Das, worüber nicht berichtet wird, ist das wahrscheinlich Grauenhafteste, wenn man da noch unterscheiden mag.
(Nebenbei: Der Sendebutton sitzt hier so tief, dass man ihn kaum findet.)