Das Mittelmeer: Über 1.500 Tote und Vermisste in 2011

... Mit 56.000 Ankünften ist die überwiegende Mehrheit aller über das Mittelmeer nach Europa eingereisten 'Boatpeople' in Italien angekommen, davon 28.000 Tunesier. Malta und Griechenland registrieren 1.574 beziehungsweise 1.030 Ankünfte an ihren Küsten, davon die meisten im ersten Halbjahr.
Nach Angaben der griechischen Behörden (!) sind zusätzlich 55.000 illegale Migranten bei Evros über die griechisch-türkische Grenze gelangt.
Weitere Boote im Januar 2012

Die libysche Küstenwache informierte UNHCR darüber, dass 15 Leichen letzte Woche am Strand gefunden wurden. Es handele sich dabei um Somalier: zwölf Frauen, zwei Männer und einem Säugling. Letzten Sonntag wurden drei weitere Leichen entdeckt. Später wurde bestätigt, dass alle Toten aus Somalia stammten, die zuvor in provisorischen Unterkünften in Tripolis (dem sogenannten Railway-Project) ausgeharrt hatten.
Die anderen beiden Boote, die es im Januar bis Italien und Malta schafften, mussten aus Seenot gerettet werden. Die italienische Küstenwache übernahm 72 Somalier am 13. Januar 2012, darunter eine schwangere Frau und 29 Kinder. Das zweite Boot mit insgesamt 68 Personen an Bord wurde von der maltesischen Marine am 15. Januar mit Unterstüzung der US-Marine und eines zivilen Handelsschiffes 56 Meilen vor der maltesischen Küste gerettet...
Ansonsten gibt es eher Anzeichen dafür, dass gängige Praxis im Mittelmeer die unterlassene Hilfeleistung ist. Insbesondere die NATO-Verbände sind in dieser Hinsicht führend; vgl.
Darwin ahoi!
Ralf Schröder über das Ertrinken im Mittelmeer erster und zweiter Klasse:
Die existentielle Symbolik, die das zeitliche Zusammentreffen von Schettinos Malheur mit dem Jahresbericht des UNHCR barg, mochte kein Feuilletonist und kein Kommentator aufgreifen - obwohl ein Vergleich zwischen der christlichen Seefahrt und der improvisierten Nautik der afrikanischen Auswanderer ein Feld für wirklichen Erkenntnisgewinn gewesen wäre: Sterben als Skandal hier, Absaufen als Routine dort; das geballte Mitgefühl Europas hier, eisiges Schweigen dort; fieberhafte Suche nach den Schuldigen hier, diskrete Verweise auf das Schicksal dort; modernste Rettungsmaschinerie hier, unterlassene Hilfeleistung als Regelfall dort; luxuriöse Betreuung der Überlebenden hier, Transport ins Gefangenenlager dort; Schutz durch Rechtsanwälte hier, stete Drohung mit Abschiebung dort; hier Subjekte mit Namen, Wohnort und Beruf, dort lauter Namenlose, irgendwo aus einer Gegend namens Afrika stammend. Ein solcher Vergleich hätte sicherlich auch das Gewohnheitsrecht streifen können, mit dem man den Verkehrsunfall vor Giglio, hervorgerufen beim Tanz auf dem Grab von mittlerweile Zehntausenden schwarzer Habenichtse, zur » Katastrophe« oder zur » Tragödie« adelte. . .
Man könnte noch ergänzen: In der versifften Brühe suchen wir dann im Sommer wieder nach Hidden Beaches in der Hoffnung, es mögen keine Leichen angespült werden; - jedenfalls nicht solange wir da sind ....
gebattmer - 2012/02/24 22:06
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/64983483/modTrackback