"Christlich-jüdische Tradition" ??? - Imagine!!!
Die Chefarztfrau schrieb kürzlich:
Altsemitische Stammesgottheit soll Deutschland schützen
«Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christliche-jüdische Tradition. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland ( …) Gott schütze Deutschland.»
Im 21. Jahrhundert soll sich die Nation also über die verschiedenen Auslegungen eines bronzezeitlichen Kultes definieren. Kulturevolutionär waren wir da doch schon mal etwas weiter, oder?
Wie sagte mal jemand: Manchmal kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte ...
[Nachtrag]
Adam Soboczynski geht es ähnlich:
Unser Kulturkampf - Die Rede von der christlich-jüdischen Tradition ist ein Skandal
[Update 1.11.10]
Auf ihrem gestrigen Parteitag hat die Christlich-jüdisch Soziale Union einen 7-Punkte-Integrationsplan beschlossen, der das Konstrukt deutlich herabstuft:
Integration heißt nicht nebeneinander, sondern miteinander leben auf dem gemeinsamen Fundament der Werteordnung unseres Grundgesetzes und unserer deutschen Leitkultur, die von den christlich-jüdischen Wurzeln und von Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist. Dies ist der Maßstab für gelingende Integration, für eine starke und soziale Gemeinschaft und für den Zusammenhalt in Deutschland aus innerer Überzeugung.
Wenn ich das richtig verstehe, sind Wurzeln doch wohl von geringerer Relevanz für eine (Leit-)Kultur als Traditionen: Wurzeln hat, wenn man denn einer biologistischen Weltsicht anhängt, irgendwie alles, da kann man nichts machen; Traditionen muss man schon annehmen und pflegen, sonst sind sie keine. Andererseits scheint man - das signalisiert der bestimmte Artikel - genau zu wissen, was das für Wurzeln sind, und zu unterstellen, auch alle anderen wüssten es (denn sonst hätte man ja formulieren können: ... von christlich-jüdischen Wurzeln und von C,H&A geprägt - wobei mir auffällt, dass es eigentlich treffender wäre, eine deutsche Leitkultur als von C&A und H&M geprägt zu beschreiben, weil das sehr schön die Symbiose von rheinisch-katholischem Konservatismus mit auch, wenn nicht überwiegend türkisch-russischer Kundschaft und skandinavisch-globalistischer Modernität mit auch, wenn nicht überwiegend prekaritätsbedrohter Mittelschichtskundschaft mit der Illusion, Designerklamotten zu tragen, zum Ausdruck bringt, die - die Symbiose wie die Illusion - doch eigentlich, wenn man denn sowas braucht, die deutsche Leitkultur ausmacht. Der Eindruck drängt sich mir jedenfalls auf, wenn ich - was selten vorkommt - eine sogenannte Innenstadt betrete).
Interessant ist überdies, dass die christlich-jüdischen Wurzeln nicht in die engere Aufzählung der die Leitkultur prägenden bzw. geprägt habenden Einflüsse aufgenommen wurden (also etwa: die von christlich-jüdischen Wurzeln, Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist), sondern durch das erste und von der offenbar doch enger verbundenen Schwurbelgruppe C&H&A getrennt wurden.
Dass das von der Tradition zur Wurzel degradierte Christlich-Jüdische auch noch in einer Volksgemeinschafts-Wortkotze schwimmen muss (miteinander, gemeinsam, unseres, unserer, Gemeinschaft, aus innerer Überzeugung), markiert offenbar den Unterschied zwischen zivilisiert-niedersächsisch-christlicher (Osnabrück = Westfälischer Friede!) und roh-bajuwarisch-christlicher (München = Marsch auf die Feldherrenhalle!) Grausamkeit der Angehörigen dieses Rechtsnachfolgervolkes.
[Nachtrag 10.11.10]
Gedenktag 9. November Der Missbrauch der Juden durch die Politik
Ein Kommentar von Heribert Prantl
Heuchelei beim Gedenken an die Pogromnacht: Muslime werden im Namen christlich-jüdischer Tradition ausgegrenzt. Doch was Politiker gerne beschwören, gibt es so nicht. ..
Die christliche-jüdische Geschichte besteht vor allem in der Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden und in der Verketzerung des Talmud. Und wo es gemeinsame Wurzeln gab, hat die Mehrheitsgesellschaft sie ausgerissen. Wenn Juden anerkannt wurden, dann nach ihrem Übertritt zum Christentum. Und dieses Christentum hat bis in die jüngste Vergangenheit nicht die Gemeinsamkeit der Heiligen Schrift, sondern den Triumph des Neuen über das Alte Testament gepredigt.
Ist die Geschichtsvergessenheit des Gemeinsamkeitgeredes womöglich ein neuer Akt der Wiedergutmachung, eine philosemitische Fiktion aus schlechtem Gewissen? Handelt es sich um den Versuch, nachträglich alles richtig zu machen? Es wäre schön, wenn es nur so wäre. Beim Reden von der christlich-jüdischen Tradition handelt es sich aber um eine gewaltige Heuchelei. Die deutsche Politik drückt die alte, früher stigmatisierte Minderheit der Juden an die Brust, um die neue Minderheit, die Muslime, zu stigmatisieren. Die Juden werden missbraucht, um die Muslime als unverträglich zu kennzeichnen...
[Nachtrag 15.12.10/17.04.15]
words and music by Joni Mitchell and Charles Mingus
He is three
One's in the middle unmoved
Waiting
To show what he sees
To the other two
To the one attacking--so afraid
And the one that keeps trying to love and trust
And getting himself betrayed
In the plan--oh
The divine plan
God must be a boogie man!
One's so sweet
So overly loving and gentle
He lets people in
To his innermost sacred temple
Blind faith to care
Blind rage to kill
Why'd he let them talk him down
To cheap work and cheap thrills
In the plan--oh
The insulting plan
God must be a boogie man!
Which would it be
Mingus one or two or three
Which one do you think he'd want the world to see
Well, world opinion's not a lot of help
When a man's only trying to find out
How to feel about himself!
In the plan-oh
The cock-eyed plan
God must be a boogie man!
Joni Mitchell - Guitarra , Teclados, Voz
Wayne Shorter - Saxo Soprano
Herbie Hancock - Piano eléctrico, Teclados
Jaco Pastorius - Bajo, Horns
Peter Erskine - Batería
Don Alias - Congas
Emil Richards - Percusión
Charles Mingus - Voz
Altsemitische Stammesgottheit soll Deutschland schützen
«Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christliche-jüdische Tradition. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland ( …) Gott schütze Deutschland.»
Im 21. Jahrhundert soll sich die Nation also über die verschiedenen Auslegungen eines bronzezeitlichen Kultes definieren. Kulturevolutionär waren wir da doch schon mal etwas weiter, oder?
Imagine there's no heaven, above us only sky...
Wohl richtig, aber furchtbarer finde ich die unerträgliche Grausamkeit, die darin liegt, dass hier - und in den folgenden "Debatten" - von Bürgern des Rechtsnachfolgers des Deutschen Reiches eine christlich-jüdische Tradition halluziniert wird, deren einziger Zweck es ist, in dem Begriff verschwinden zu lassen, dass mit der industriell betriebenen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas die Angehörigen dieses Rechtsnachfolgervolkes jedes Recht verwirkt haben, jemals auf jüdische Tradition sich beziehen zu dürfen, geschweige denn diese durch Eingemeindung in eine "christlich-jüdische" auch noch für sich zu reklamieren. Dabei macht es - was die Ekelhaftigkeit der Argumentation angeht - keinen Unterschied, ob diese damit in Stellung gebracht wird gegen den Moslem oder ob dieser auch noch eingemeindet werden soll ...Wie sagte mal jemand: Manchmal kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte ...
[Nachtrag]
Adam Soboczynski geht es ähnlich:
Unser Kulturkampf - Die Rede von der christlich-jüdischen Tradition ist ein Skandal
[Update 1.11.10]
Auf ihrem gestrigen Parteitag hat die Christlich-jüdisch Soziale Union einen 7-Punkte-Integrationsplan beschlossen, der das Konstrukt deutlich herabstuft:
Integration heißt nicht nebeneinander, sondern miteinander leben auf dem gemeinsamen Fundament der Werteordnung unseres Grundgesetzes und unserer deutschen Leitkultur, die von den christlich-jüdischen Wurzeln und von Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist. Dies ist der Maßstab für gelingende Integration, für eine starke und soziale Gemeinschaft und für den Zusammenhalt in Deutschland aus innerer Überzeugung.
Wenn ich das richtig verstehe, sind Wurzeln doch wohl von geringerer Relevanz für eine (Leit-)Kultur als Traditionen: Wurzeln hat, wenn man denn einer biologistischen Weltsicht anhängt, irgendwie alles, da kann man nichts machen; Traditionen muss man schon annehmen und pflegen, sonst sind sie keine. Andererseits scheint man - das signalisiert der bestimmte Artikel - genau zu wissen, was das für Wurzeln sind, und zu unterstellen, auch alle anderen wüssten es (denn sonst hätte man ja formulieren können: ... von christlich-jüdischen Wurzeln und von C,H&A geprägt - wobei mir auffällt, dass es eigentlich treffender wäre, eine deutsche Leitkultur als von C&A und H&M geprägt zu beschreiben, weil das sehr schön die Symbiose von rheinisch-katholischem Konservatismus mit auch, wenn nicht überwiegend türkisch-russischer Kundschaft und skandinavisch-globalistischer Modernität mit auch, wenn nicht überwiegend prekaritätsbedrohter Mittelschichtskundschaft mit der Illusion, Designerklamotten zu tragen, zum Ausdruck bringt, die - die Symbiose wie die Illusion - doch eigentlich, wenn man denn sowas braucht, die deutsche Leitkultur ausmacht. Der Eindruck drängt sich mir jedenfalls auf, wenn ich - was selten vorkommt - eine sogenannte Innenstadt betrete).
Interessant ist überdies, dass die christlich-jüdischen Wurzeln nicht in die engere Aufzählung der die Leitkultur prägenden bzw. geprägt habenden Einflüsse aufgenommen wurden (also etwa: die von christlich-jüdischen Wurzeln, Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist), sondern durch das erste und von der offenbar doch enger verbundenen Schwurbelgruppe C&H&A getrennt wurden.
Dass das von der Tradition zur Wurzel degradierte Christlich-Jüdische auch noch in einer Volksgemeinschafts-Wortkotze schwimmen muss (miteinander, gemeinsam, unseres, unserer, Gemeinschaft, aus innerer Überzeugung), markiert offenbar den Unterschied zwischen zivilisiert-niedersächsisch-christlicher (Osnabrück = Westfälischer Friede!) und roh-bajuwarisch-christlicher (München = Marsch auf die Feldherrenhalle!) Grausamkeit der Angehörigen dieses Rechtsnachfolgervolkes.
[Nachtrag 10.11.10]
Gedenktag 9. November Der Missbrauch der Juden durch die Politik
Ein Kommentar von Heribert Prantl
Heuchelei beim Gedenken an die Pogromnacht: Muslime werden im Namen christlich-jüdischer Tradition ausgegrenzt. Doch was Politiker gerne beschwören, gibt es so nicht. ..
Die christliche-jüdische Geschichte besteht vor allem in der Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden und in der Verketzerung des Talmud. Und wo es gemeinsame Wurzeln gab, hat die Mehrheitsgesellschaft sie ausgerissen. Wenn Juden anerkannt wurden, dann nach ihrem Übertritt zum Christentum. Und dieses Christentum hat bis in die jüngste Vergangenheit nicht die Gemeinsamkeit der Heiligen Schrift, sondern den Triumph des Neuen über das Alte Testament gepredigt.
Ist die Geschichtsvergessenheit des Gemeinsamkeitgeredes womöglich ein neuer Akt der Wiedergutmachung, eine philosemitische Fiktion aus schlechtem Gewissen? Handelt es sich um den Versuch, nachträglich alles richtig zu machen? Es wäre schön, wenn es nur so wäre. Beim Reden von der christlich-jüdischen Tradition handelt es sich aber um eine gewaltige Heuchelei. Die deutsche Politik drückt die alte, früher stigmatisierte Minderheit der Juden an die Brust, um die neue Minderheit, die Muslime, zu stigmatisieren. Die Juden werden missbraucht, um die Muslime als unverträglich zu kennzeichnen...
[Nachtrag 15.12.10/17.04.15]
words and music by Joni Mitchell and Charles Mingus
He is three
One's in the middle unmoved
Waiting
To show what he sees
To the other two
To the one attacking--so afraid
And the one that keeps trying to love and trust
And getting himself betrayed
In the plan--oh
The divine plan
God must be a boogie man!
One's so sweet
So overly loving and gentle
He lets people in
To his innermost sacred temple
Blind faith to care
Blind rage to kill
Why'd he let them talk him down
To cheap work and cheap thrills
In the plan--oh
The insulting plan
God must be a boogie man!
Which would it be
Mingus one or two or three
Which one do you think he'd want the world to see
Well, world opinion's not a lot of help
When a man's only trying to find out
How to feel about himself!
In the plan-oh
The cock-eyed plan
God must be a boogie man!
Joni Mitchell - Guitarra , Teclados, Voz
Wayne Shorter - Saxo Soprano
Herbie Hancock - Piano eléctrico, Teclados
Jaco Pastorius - Bajo, Horns
Peter Erskine - Batería
Don Alias - Congas
Emil Richards - Percusión
Charles Mingus - Voz
gebattmer - 2010/11/01 18:40
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/8381336/modTrackback