Convincing: Truthähne in der Finanzwirtschaft - Elektroschocks für Finanzmathematiker - Lohndumping in der Fleischwirtschaft
Die SZ berichtet:
Eine Tagung im Deutschen Museum, getragen von der Carl-von-Linde-Akademie der TU München und kenntnisreich moderiert von dem Philosophen Klaus Mainzer, lieferte Einblicke in die Gedankenwelt der Wissenschaftler, die sich mit Risiken, extremen Ereignissen und deren Statistik befassen.
Dass Finanzmathematiker ein Gespür für die Größe ihrer Aufgabe haben, zeigten nicht nur biblische Metaphern, wie sie offenbar in der Zunft gebräuchlich sind. Da ist vom Noah-Effekt die Rede, wenn unerwartete, monströse Geschehnisse eintreffen, und vom Josef-Effekt, wo langfristiges Denken gefragt ist, in Anspielung auf die sieben fetten und die sieben mageren Jahre aus dem Alten Testament. "Natürlich hat die Finanzkrise auch im Milieu der Finanzmathematiker zu denken gegeben", erklärte der Berliner Mathematiker Hans Föllmer. Und mehrmals war auf dem Symposium zu hören: "Alle Modelle sind falsch."
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Klüppelberg präsentierte ausgefeiltere Methoden für die Statistik von Extremwerten, betont jedoch, dass auch neue Rechenverfahren grundsätzlich auf der Basis von Daten aus der Vergangenheit geschätzt werden müssten. Das schließt naturgemäß Einflussfaktoren aus, die jenseits des aktuellen Vorstellungsvermögens liegen. Oder wie sie der Philosoph Bertrand Russell mit einer Metapher vom Truthahn illustrierte: Das tägliche Füttern festigt in dem Tier ein Weltbild, das an Weihnachten plötzlich revidiert werden muss.
... dürfte es ein grundsätzliches Problem mathematischer Modelle sein, dass sie Präzision suggerieren, auch dort, wo die (laut Gebrauchsanweisung) nötigen Voraussetzungen für ihre Gültigkeit weggefallen sind. So wie in der Klimaforschung bunte Weltkarten mitunter den Eindruck erwecken, die klimatische Zukunft des Planeten lasse sich auf Jahrzehnte hinaus berechnen, können auf Prozentbruchteile bezifferte Risikoangaben einem Finanzhändler falsche Sicherheit vorgaukeln. "Modelle können wie Scheinwerfer wirken", sagt der Berliner Hans Föllmer, sie beleuchten manches, aber anderes hüllen sie erst recht in Dunkelheit...
Die SZ berichtet an anderer Stelle:
... Die TDCS ist eine Form der Hirnstimulation, bei der Elektroden an der Kopfhaut angelegt werden und über einen bestimmte Zeitraum die Aktivität von Hirnzellen hemmen oder aktivieren. Schon seit längerem wird diese Methode genutzt, um etwa Patienten mit neurologischen Störungen nach Schlaganfällen zu behandeln.
In der neuen Studie stimulierten die Forscher mit der TDCS Regionen im Scheitellappen des Vorderhirns, die für das numerische Verständnis wichtig sind. Diese Areale wurden bei den Probanden sechs Tage lang jeweils rund zwei Stunden lang unter Strom gesetzt, während sie verschiedene Lernaufgaben durchführen mussten.
Es zeigte sich, dass die so Behandelten noch bis zu sechs Monate später besser lernen konnten als zuvor...
Die Meldungen passen auch deshalb so gut aneinander, weil die eine Spezies immer so aussieht, als trüge sie die Scheitellappen des Vorderhirns außen. - Ist dann auch einfacher, die unter Strom zu setzen (... oder wer war jetzt der Finanzmathematiker?)
Die Fleischindustrie in Deutschland erlebt echte Wirtschaftswunderzeiten. In ganz Europa werden Schlachthöfe dichtgemacht und in die Bundesrepublik verlagert. Nicht, weil die deutschen Schlachter die besten oder schnellsten wären. Nein, Deutschland lockt mit Rahmenbedingungen, mit denen der Rest Europas nicht mithalten kann: Kein Mindestlohn, keine Tarifbindung und nur wenig Kontrollen. Mit diesen „Vorzügen“ ist Niedersachsen zum Zentrum der europäischen Fleischindustrie geworden.
Tausende Billigarbeiter aus Osteuropa schuften dort in Tiermästereien, Schlachthöfen und Zerlegebetrieben zu Löhnen von teilweise unter 5 Euro, bis zu 12 Stunden am Tag. Alleine Dänemark hat in den letzten Jahren 6000 Jobs nach Deutschland verlagert. Der größte Schweineexporteur der Welt, Danish Crown, gab letzte Woche bekannt, einen weiteren Schlachthof in Niedersachsen übernehmen zu wollen. „Unsere über Jahrzehnte gewachsene Fleischindustrie bricht zusammen“, klagen die dänischen Gewerkschaften, „weil Deutschland Löhne auf dem Niveau von Polen oder Ungarn zahlt.“ Auch in Frankreich, Belgien und den anderen Nachbarstaaten ist die Wut auf das deutsche Lohndumping groß.
via The Nokturnal Times
gebattmer - 2010/11/22 12:35
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