Update Ukraine (XVIII): Mariupol= Tottenham revisited. Mechanismen der Eskalation. Auftritt Academi/Blackwater and the IMF
Ich hatte gerade angeregt, zum besseren Verständnis der Vorgänge in der Ukraine Heitmeyers Analyse der Tottenham-Riots zu verwenden, da liefert - zynisch gesprochen - die weitere Eskalation das passende Material:
Ukraine-Krise: Anarchie in Mariupol
Aus Mariupol berichtet Moritz Gathmann (SPOn 11.05.2014 – 00:01 Uhr) - ein, wie auch die Leserkommentare hervorheben, dür SPOn-Verhältnisse außerordentlich "objektiver" Artikel.
Im südukrainischen Mariupol herrscht am Tag nach den Kämpfen Chaos. Durch die Straßen ziehen betrunkene Jugendliche, die Bewohner plündern eine Armeekaserne. Die Schuld für das gestrige Blutbad geben die Menschen der Kiewer Regierung.
In Mariupol herrscht seit gestern Anarchie. Betrunkene Jugendliche ziehen am Samstagnachmittag über den Metallurgenprospekt, hinter der Stadtverwaltung lungern einige von ihnen um einen ausgebrannten Panzer herum, an einigen Kreuzungen haben sie Barrikaden aus Holz und Autoreifen errichtet. In einer Seitenstraße sind die Fenster eines Waffengeschäftes eingeschlagen: Marodeure haben die Schränke und Regale vollständig leer geräumt.
Freitagabend hatten die Armee und andere Einheiten eine Kaserne unweit des Zentrums verlassen, seitdem wird sie geplündert....
Ein Mann kommt mit seinem kleinen Sohn und einem Dackel an der Leine durch das aufgebrochene Tor der Kaserne: "Liebling, ich hab einen Feuerlöscher und eine Schaufel mitgenommen", erklärt er seiner Frau am Telefon. Die Menschen sind gut gelaunt, schleppen Stühle, Computer, Helme, Schutzschilde aus den Gebäuden der Kaserne....
Besonders anarchisch ist die Lage in Mariupol, weil die prorussischen Demonstranten praktisch keine Führer haben. Die Menschen erzählen, dass diese über die letzten Wochen in den Untergrund gegangen seien, aus Angst vor Verfolgung durch die Kiewer Regierung. Die Menge der Menschen ist deshalb sich selbst überlassen...
Oliver Nachtwey seinerzeit (in der FAZ): Plasmabildschirme wollen auch sie
Die Annahme, ein Machtwort Putins könne das stoppen, ist so blöde wie fahrlässig. Und so gefährlich wie die, die Firma Academi/Blackwater könne die ersticken (SPOn heute Einsatz gegen Separatisten: Ukrainische Armee bekommt offenbar Unterstützung von US-Söldnern).
Vgl. auch Civilian Warriors: The Inside Story of Blackwater and the Unsung Heroes of the War on Terror, by Erik Prince. Reviewed by Pepe Escobar
Ukraine-Krise: Anarchie in Mariupol
Aus Mariupol berichtet Moritz Gathmann (SPOn 11.05.2014 – 00:01 Uhr) - ein, wie auch die Leserkommentare hervorheben, dür SPOn-Verhältnisse außerordentlich "objektiver" Artikel.
Im südukrainischen Mariupol herrscht am Tag nach den Kämpfen Chaos. Durch die Straßen ziehen betrunkene Jugendliche, die Bewohner plündern eine Armeekaserne. Die Schuld für das gestrige Blutbad geben die Menschen der Kiewer Regierung.
In Mariupol herrscht seit gestern Anarchie. Betrunkene Jugendliche ziehen am Samstagnachmittag über den Metallurgenprospekt, hinter der Stadtverwaltung lungern einige von ihnen um einen ausgebrannten Panzer herum, an einigen Kreuzungen haben sie Barrikaden aus Holz und Autoreifen errichtet. In einer Seitenstraße sind die Fenster eines Waffengeschäftes eingeschlagen: Marodeure haben die Schränke und Regale vollständig leer geräumt.
Freitagabend hatten die Armee und andere Einheiten eine Kaserne unweit des Zentrums verlassen, seitdem wird sie geplündert....
Ein Mann kommt mit seinem kleinen Sohn und einem Dackel an der Leine durch das aufgebrochene Tor der Kaserne: "Liebling, ich hab einen Feuerlöscher und eine Schaufel mitgenommen", erklärt er seiner Frau am Telefon. Die Menschen sind gut gelaunt, schleppen Stühle, Computer, Helme, Schutzschilde aus den Gebäuden der Kaserne....
Besonders anarchisch ist die Lage in Mariupol, weil die prorussischen Demonstranten praktisch keine Führer haben. Die Menschen erzählen, dass diese über die letzten Wochen in den Untergrund gegangen seien, aus Angst vor Verfolgung durch die Kiewer Regierung. Die Menge der Menschen ist deshalb sich selbst überlassen...
Oliver Nachtwey seinerzeit (in der FAZ): Plasmabildschirme wollen auch sie
- Moderne Gesellschaften fallen nicht in einen vor-gesellschaftlichen Zustand zurück.
Deshalb muss die Soziologie fragen: Wie sieht es mit dem sozialen Kontext jener Menschen aus, die geplündert haben? Dabei geht es nicht darum, die Ausschreitungen für legitim zu erklären, sondern vielmehr, diese in dem sozialen Gefüge zu verorten, das sie hervorgebracht hat. Die Unruhen erklären sich auch nicht einfach aus sozialer Ungerechtigkeit, Perspektivlosigkeit und sozialer Deprivation. In einem verstehenden soziologischen Ansatz könnte man die Proteste als "anomische Aufstände" bezeichnen, die - so seltsam es auf den ersten Blick erscheinen mag - einer moralischen Ökonomie folgen.
Der Begriff der Anomie wurde von dem französischen Soziologen Émile Durkheim in seinen Abhandlungen über die Arbeitsteilung und den Selbstmord eingeführt und von dem Amerikaner Robert Merton weiterentwickelt. Anomie bezeichnet einen Zustand, in dem das Vertrauen in soziale Normen, Regeln und Institutionen schwindet, wenn gesellschaftliche Erwartungen und Ziele mit den verfügbaren Gelegenheiten und Mitteln nicht mehr erreicht werden können. Fehlen den Menschen legitime Mittel, diese Ziele zu erreichen, geben sie entweder auf, frustrieren oder: Sie verfolgen ihre Ziele auf nichtkonforme, nichtlegitime Weise.
Was sind nun die Erwartungen und Ziele, welche für die Unterprivilegierten zu uneinlösbaren Versprechen werden? Die Krawalle richteten sich - anders als bei den Unruhen in der Thatcher-Ära - weder gegen den Staat noch direkt gegen die Polizei, sondern es waren Unruhen in der Konsumgesellschaft...
Die Annahme, ein Machtwort Putins könne das stoppen, ist so blöde wie fahrlässig. Und so gefährlich wie die, die Firma Academi/Blackwater könne die ersticken (SPOn heute Einsatz gegen Separatisten: Ukrainische Armee bekommt offenbar Unterstützung von US-Söldnern).
Vgl. auch Civilian Warriors: The Inside Story of Blackwater and the Unsung Heroes of the War on Terror, by Erik Prince. Reviewed by Pepe Escobar
gebattmer - 2014/05/11 16:29
Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/874027003/modTrackback