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Bildung

Zuweilen (XVII): Horst Tomayer

Zuweilen bemerkt man erst (wie ich schon häufiger feststellte), wenn man vom Tod eines Menschen erfährt, wie wichtig er einem war.
Horst Tomayer ist tot. Der Schriftsteller ist heute im Alter von 75 Jahren in einem Hamburger Krankenhaus an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.
Tomayer hatte als Kolumnist von KONKRET ("Tomayers ehrliches Tagebuch"), als Buchautor ("German Poems"), als Vortragskünstler ("Interessieren Sie sich für Sexualität"), im "Sehr gemischten Doppel" (zusammen mit dem KONKRET-Herausgeber Hermann L. Gremliza) sowie als Darsteller in Fernsehserien ("Ein Bayer auf Rügen", "Tierarzt Dr. Engel") und in den Otto-Filmen gearbeitet. Zu seinen Bewunderern gehör(t)en die Schriftsteller Peter Hacks, Dietmar Dath, Robert Gernhardt, Hermann Kant, F. W. Bernstein und viele andere. Ein letztes von der Redaktion zusammengestelltes „Ehrliches Tagebuch“ wird in der Januarausgabe von KONKRET erscheinen. Verlag und Redaktion der Zeitschrift KONKRET trauern um ihren Autor.

Nachrufe in FAZ und - wie Tomayers Freund Gremliza zu sagen pflegt - Kinder-faz und sehr schön Klaus Bittermann.

Bundespräsident Tomayer: Weihnachtsansprache 2011



Zugabe: DER SPIEGEL 38/1993 - Tomayer und der Kommissschriftsteller Jünger

Das Happiness Institut Is A Warm Gun - Coca Cola und das Schulfach "Glück". Oder: Es gibt kein richtiges Leben in Flaschen.

Herr Rau, der den (für Lehrer/innen) lesenswerten Blog "Lehrerzimmer" betreibt, macht kürzlich darauf aufmerksam, dass die Firma Coca-Cola GmbH Lehrer per Mail auf ihr "Lebensfreude-Projekt" hinweist: "Ich unterrichte Glück" und offenbar dafür wirbt, ähnlichen Irrsinn zu veranstalten.

Im ersten Beitrag dazu wird eine Kollegin aus Göttingen, die auch noch ihren Namen dafür hergibt, benutzt, um Kontakt herzustellen zum Guru der Bewegung:
Der Herr der glücklichen Schüler: Ernst Fritz-Schubert, Heidelberger Oberstudiendirektor und Initiator des Schulfachs "Glück" (3. Stunde Glück: Lebensfreude kann man lernen), bei dem/oder durch den vermittelt - da ist der Text etwas schwammig - sie in ihrer Freizeit eine einjährige Zusatzausbildung absolvierte mit dem Ziel, die Lebensfreude, Lebenskompetenz und Persönlichkeitsentwicklung ihrer Schüler zu fördern.

Das ist ja nichts Schlimmes, wiewohl man sich fragen könnte, was es aussagt über das öffentliche Bildungswesen, wenn man dazu eine Zusatzausbildung braucht, die zudem noch privat gebucht werden muss: Ernst Fritz-Schubert, Pädagoge und Initiator des Schulfachs "Glück“ ist Mitglied im Expertenbeirat des Happiness Instituts, und das ist - wer hätte das gedacht - Coca Cola!
    Das Happiness Institut ist eine Initiative von Coca-Cola Deutschland. Coca-Cola steht seit 125 Jahren für Lebensfreude. Mit aktuellen Studien, spannenden Fakten und alltagsnahen Geschichten beschreibt das Happiness Institut gemeinsam mit Experten aus Wissenschaft und Praxis das Phänomen Lebensfreude. Weitere Informationen zum Happiness Institut.
Lesen Sie mal den Text zur Mission Lebensfreude und es wird Ihnen kotzübel!

Das Fach Glück wird mittlerweile an mehr als 100 Schulen und Kindergärten in Deutschland und Österreich angeboten. Gerade als Wahlfach in der Oberstufe erfährt es großen Zulauf.

Das kann ich mir vorstellen, zumal aktuelle Befunde bestätigen, dass in keiner anderen Industrienation die Kluft zwischen den äußeren Lebensumständen und der Lebenszufriedenheit so groß ist wie in Deutschland (UNICEF-Studie zu Kindern in Industrieländern - tagesschau.de). Und ich kann mir auch vorstellen, dass Lehrerinnen und Lehrer das wahrnehmen, darunter leiden und etwas ändern möchten.
Was ich nicht verstehen kann: Dass man auf die Idee kommt, das Glücksbedürfnis durch Outsourcing oder PPP mit Hilfe von Coca Cola, König Pilsener, Bertelsmann oder mit wesssen Hilfe auch immer befriedigen zu lassen. Fuck me running ...

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Theodor W. Adorno: Minima Moralia

[In einem anderen Blog, den ich gerne besuche - Bersarins AISTHESIS -, finden Sie akutell Einige Aspekte zur Kritischen Theorie Adornos]

Bildung, die auch das Empfinden von Glück, im Sinne von gewonnenem Weltaufschluss (Holzkamp), ermöglichen könnte, müsste in der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Glück Einsichten ermöglichen wie diese:
    PAUL 1968: "The idea of 'Happiness Is A Warm Gun' is from an advert in an American paper. It said, Happiness is a warm gun, and it was 'Get ready for the long hot summer with a rifle,' you know, 'Come and buy them now!' It was an advert in a gun magazine. And it was so sick, you know, the idea of 'Come and buy your killing weapons,' and 'Come and get it.' But it's just such a great line, 'Happiness Is A Warm Gun' that John sort of took that and used that as a chorus. And the rest of the words... I think they're great words, you know. It's a poem. And he finishes off, 'Happiness Is A Warm Gun, yes it is.' It's just good poetry." (songfacts)

"Yeh, - couldn't be happier"

The Monkey's Uncle (II) - oder: Die Kompetenzkatastrophe (III) : Entkernung des Gymnasiums

Vorbemerkung: The term monkey's uncle, most notably seen in the idiom "(well) I'll be a monkey's uncle", is used to express complete surprise, amazement or disbelief. It can also be used to acknowledge the impossibility of a situation, in the same way that "pigs might fly" is used. An example is if one says: "I may agree that if two plus two equals five, then I am a monkey's uncle" This is a consequence of the principle of explosion which states that any arbitrary proposition is a consequence of a contradiction. Synonyms: ... fuck me running! (taboo slang) ...
_______________________________

Wie Sie bemerken konnten, habe ich mit der Vorbemerkung auch noch meine Fremdsprachenkompetenz erweitern können, indem ich jetzt I am a monkey's uncle und fuck me running in meinen aktiven Wortschatz übernommen habe, wobei ich letzteres als Sprachbild fast noch schöner finde ...

... so dass ich mich jetzt sogar traue probeweise zu fomulieren:

Schulform Gymnasium - Ende eines Erfolgsmodells
Well, I'll be a monkey's uncle, fuck me running!!!!

Worum geht's? Heike Schmoll, bei der FAZ schwerpuntkmäßig zu Bildungsfragen sich äußernde Redakteurin, stellt in ihrem Artikel erstmal fest:

Bisher konnten sich Eltern darauf verlassen, dass ihre Kinder mit dem Abschluss des Gymnasiums in der Lage waren, ein Studium oder eine qualifizierte Ausbildung zu beginnen. Das Abitur war und ist noch immer der beste Indikator für Studienerfolg. Denn den Gymnasiallehrern ist es trotz einer Schülerschaft aus allen sozialen Schichten und einer größeren Übergangsquote aus der Grundschule gelungen, ein hohes Niveau zu halten. Das ist eine erstaunliche Leistung und hängt mit der hohen Qualität der Ausbildung zum Gymnasiallehrer zusammen.

Das mag zT so sein, zT ist es schwer in Frage zu stellen ... aber das ist hier nicht das Problem. Kommen wir zum Kern, genauer gesagt: zur Entkernung der Sache:

Entkernung des Gymnasiums

Die Gymnasien hatten einen eigenen pädagogischen Stil gefunden. Es war ein fragend-entwickelnder Unterricht, der Schüler motivierte und ein Sozial- und Lernverhalten einübte, das auf wissenschaftliches Arbeiten vorbereitete. Das Gymnasium hat bisher immer die Herausforderung als Prinzip verstanden und versucht, reflexive Distanz durch einen fachlich und methodisch anspruchsvollen Unterricht zu fördern...


Schön wär's, aber das ist, mit Verlaub, dummes Zeug. Wenn der Kern gymnasialer Bildung hier auf ein höchst problematisches Unterrichtsmuster reduziert wird (vgl. etwa Baumert: Gesprächsführung im Unterricht ), dann kann es nicht schade um den Laden sein; - Frau Schmoll müsste sich schon genauer mit den Problemen der Schulform namens Gymnasium auseinandersetzen, dann könnte ihr aufgehen, dass das, was sie für den Kern der Gymnasialidee hält, sich längst selbst vernichtet hat - und den Todesstoß erhalten hat von denen, die es kompetenz- und outputorientiert in die schöne neue Welt der Selbstoptimierung für Employability überführen wollten.
Unter Bildungsaspekten bemerkenswert ist i. Ü., dass Frau Schmoll sich mit Ihrer Entkernungsmetapher voll in die Ruine setzt:
Als Entkernung bezeichnet man im Bauwesen den Teil-Abriss eines bestehenden Gebäudes, bei dem in der Regel lediglich die Fassade erhalten bleibt. Entkernungen werden vor allem durchgeführt, wenn die Fassade eines Gebäudes erhalten bleiben soll, die dahinterliegende Struktur aber baufällig ist oder aus anderen Gründen nicht mehr (rentabel) genutzt werden kann. Hinter der historischen Fassade wird dann nach der Entkernung ein modernes Gebäude errichtet. Entkernungen werden durch professionelle Abbruchunternehmen oder spezialisierte Bauunternehmen durchgeführt.

Hier eine schöne Aufnahme der Leibnizschule in Hannover, die von Spezialisten der Alliierten Luftstreitkräfte entkernt wurde:

oststadt5_reference

Der Neubau bringt dann Schmoll-mäßig erstmal eine Verkernung, weil ja um den alten Kern nur eine neue Fassade hochgezogen wurde:
Ähnlichkeit und Ästhetik III: Herr A. aka Herr H. auf der Treppe

Fuck me running, sag ich nur ...

Exemplarisch könnte der status praesens des Gymnasiums - vor dem von Frau Schmoll beklagten neueren Teilabriss qua Stufenlehrerausbildung (über die man ja denken kann wie man will - das ist eine andere Geschichte ...) - am aktuellen Abitur in Niedersachsen gezeigt werden ...
[fortzusetzen]

Diagnostik für lernwirksamen Unterricht: What Dubs Can But Data Can't Do - Oder: Die Kompetenzkatastrophe (II)

Oldenburg Ende Februar kann sehr neblig und kalt sein. Statistische Daten ebenso. Vielleicht daher mein Unbehagen an dem, was viele der Vorträge auf der Tagung Diagnostik für lernwirksamen Unterricht (28.02.-01.03) als Ergebnisse empirischer Bildungsforschung zu bieten hatten. Nun fiel das auch noch zusammen mit der Lektüre von David Brooks' Kolumne (in der NYT International Weekly - Süddeutsche vom 01.03.) mit dem Titel What Data Can't Do , in der die Aporien empirischer (Bildungs-)Forschung selten klar formuliert werden:
    The big novelty of this historic moment is that our lives are now mediated through data-collecting computers. In this world, data can be used to make sense of mind-bogglingly complex situations. Data can help compensate for our overconfidence in our own intuitions and can help reduce the extent to which our desires distort our perceptions.

    But there are many things big data does poorly. Let’s note a few in rapid-fire fashion:


    Data struggles with the social.
    Your brain is pretty bad at math (quick, what’s the square root of 437), but it’s excellent at social cognition. People are really good at mirroring each other’s emotional states, at detecting uncooperative behavior and at assigning value to things through emotion.
    Computer-driven data analysis, on the other hand, excels at measuring the quantity of social interactions but not the quality. Network scientists can map your interactions with the six co-workers you see during 76 percent of your days, but they can’t capture your devotion to the childhood friends you see twice a year, let alone Dante’s love for Beatrice, whom he met twice.
    Therefore, when making decisions about social relationships, it’s foolish to swap the amazing machine in your skull for the crude machine on your desk.

    Data struggles with context.
    Human decisions are not discrete events. They are embedded in sequences and contexts. The human brain has evolved to account for this reality. People are really good at telling stories that weave together multiple causes and multiple contexts. Data analysis is pretty bad at narrative and emergent thinking, and it cannot match the explanatory suppleness of even a mediocre novel.

    Data creates bigger haystacks. This is a point Nassim Taleb, the author of “Antifragile,” has made. As we acquire more data, we have the ability to find many, many more statistically significant correlations. Most of these correlations are spurious and deceive us when we’re trying to understand a situation. Falsity grows exponentially the more data we collect. The haystack gets bigger, but the needle we are looking for is still buried deep inside.
    One of the features of the era of big data is the number of “significant” findings that don’t replicate the expansion, as Nate Silver would say, of noise to signal.
    Big data has trouble with big problems. If you are trying to figure out which e-mail produces the most campaign contributions, you can do a randomized control experiment. But let’s say you are trying to stimulate an economy in a recession. You don’t have an alternate society to use as a control group. For example, we’ve had huge debates over the best economic stimulus, with mountains of data, and as far as I know not a single major player in this debate has been persuaded by data to switch sides. ...

    Data obscures values. I recently saw an academic book with the excellent title, “ ‘Raw Data’ Is an Oxymoron.” One of the points was that data is never raw; it’s always structured according to somebody’s predispositions and values. The end result looks disinterested, but, in reality, there are value choices all the way through, from construction to interpretation.
Das trifft sehr gut, was als Problem hinter den Versuchen steckte, die diagnostische Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern zu professionalisieren (wogegen ja erstmal nichts zu sagen ist!): aus einer impliziten Alltags-Diagnostik (geleitet allenfalls von Alltagstheorie) eine explizite, wissenschaftliche Diagnostik zu machen (wogegen ja auch noch nichts zu sagen ist, weil ja unstrittig ist, dass das Lehrer-Alltags-Vor-Urteil höchst problematisch ist!).
Problematisch aber wird die postulierte Verwissenschaftlichung auf dem fast durchgängig propagierten Weg, pädagogische Fragestellungen im Kontext von Erziehung und Bildung mit den Mess-Methoden der Psychologie bzw. der empirischen Bildungsforschung "akkurat" beantworten zu wollen.
Und zu meinen, dass sei dann Diagnose, - womit als Diagnosekompetenz dann übrig bleibt die Fähigkeit (= Kompetenz??), die passenden Diagnosetools aus dem Diagnosepool auszuwählen und anzuwenden, und nicht die Fähigkeit, Lernvoraussetzungen, -potentiale und -schwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern selbst differenzierter wahrzunehmen und theoriegeleitet zu interpretieren,
  • u.a. durch Weiterentwicklung der eigenen social cognition (s. o. Brooks: People are really good at mirroring each other’s emotional states, at detecting uncooperative behavior and at assigning value to things through emotion.)
  • und der eigenen Fähigkeit, Kontexte strukturiert zu erfassen und zu deuten (s. o. Brooks: People are really good at telling stories that weave together multiple causes and multiple contexts. Data analysis is pretty bad at narrative and emergent thinking, and it cannot match the explanatory suppleness of even a mediocre novel. )!
Die Frage, die nicht gestellt wurde, war die, ob Computer-driven data analysis geeinet ist, diese Fähigkeiten weiter zu entwickeln:
In einem Vortrag zur Diagnostik experimenteller Kompetenz: Testverfahren und prozessorientierte Auswertungsmedthoden wurde der Versuch geschildert, eben die experimentelle Kompetenz von Neuntklässlern im Fach Physik so zu modellieren, dass sie - prozessorientiert - messbar werde. Wenn ich das richtig verstanden habe, geht das nicht oder führt nur zu Aussagen sehr begrenzter Reichweite. Das liegt daran, dass sich der beobachtete Versuchsaufbau eines Schülers wohl in Handlungssequenzen zerlegen lässt, in deren Analyse und Modellierung das Produkt und sogar die fachliche und Arbeitsqualität der jeweiligen Handlungsschritte eingehen können, nicht aber das narrative and emergent thinking, das das beobachtete Subjekt zu den beobachteten Handlungen veranlasst! Um Aufschluss daüber zu erlangen, müsste man das handelnde Subjekt wohl mal befragen: gespannt auf die Erzählung that weaves together multiple causes and multiple contexts.

Zuweilen war ich bei diesen Vorträgen geneigt einzuwerfen, dass man das oder wenigstens einiges doch vorher hätte wissen können (vgl. z.B. Hans Aebli: Denken - Das Ordnen des Tuns) und nicht all die wertvolle Arbeitskraft und die Forschungsgelder in Vorhaben hätte stecken müssen, die letztlich nur dazu dienen that our lives are mediated through data-collecting computers (s. o. Brooks). Aber diese Kritik ginge wohl am Wissenschaftsbetrieb, wie er nun einmal ist, vorbei ...

I. Ü. bleibe ich dabei, dass man über Unterricht gar nichts rauskriegt, wenn man nicht Holzkamps Unterscheidung von defensiven und expansiven Lerngründen berücksichtigt!

Die Problematik, aus "Daten" Schlussfolgerungen für lernwirksamen Unterricht zu gewinnen, wurde i. Ü. in der kritischen Auseinandersetzung mit der allseits hochgejazzten Hattie-Studie : Visible Learning bereits formuliert; - vgl. etwa
- Georg Lind: Meta-Analysen als Wegweiser? Zur Rezeption der Studie von Hattie in der Politik
- Hans Brügelmann – Die Hattie-Studie
- Ewald Terhart: Hat John Hattie tatsächlich den Heiligen gral der Schul- und Unterrichtsforschung gefunden? Eine Auseinandersetzung mit “Visible Learning”
(alle via Forum Kritische Pädagogik)

So what?

- fragte Rolf Dubs in seinem Vortrag (den zu hören und zu sehen allein den Besuch der Tagung lohnte!), und es wurde - für mich - überzeugend deutlich, dass die Diagnose von Schwierigkeiten beim Lernen im alltäglichen Unterricht zuallererst diagnostischen Optimismus (Dubs) braucht =
- tägliche Sensibilität,
- die individuelle Beobachtung im täglichen Unterricht, -
freilich auf der Grundlage fundierten wissenschaftlichen Wissens über Lerntheorien, Fachdidaktiken und vor allem über Metakognition!
- Aber warum sollten Lehrerinnen und Lehrer sich das nicht aneignen können?! Anstatt s. o. lediglich qualifiziert zu werden tools aus pools zu nutzen!!

Dubs_OL
Da war dann keine Oldenburger Datenkälte mehr ... Auf hohem theoretischem Niveau reflektierte Erfahrung mit emphatischem Bezug zu pädagogischen Grundwerten (s. o. Brooks: ... data is never raw; it’s always structured according to somebody’s predispositions and values. The end result looks disinterested, but, in reality, there are value choices all the way through, from construction to interpretation.)!

Ich will nicht leugnen, dass das, was Dubs mit professionellem Lehrerhandeln meint, sehr viel schwieriger zu realisieren - und schwieriger auszubilden - ist als das, was aktuell als Diagnosekompetenz gehandelt wird, aber es lohnt sich, das in der Auseinandersetzung mit der herrschenden Kompetenzkatastrophe zu versuchen ...

Die Kompetenzkatastrophe (I) - Oder: Machtausübung durch Individualisierung: Pastoralmacht relaunched

Kaube setzen! Und: Sitzenbleiben!!

Jürgen Kaube setzt sich heute in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (S. 63) unter dem Titel "Milchmädchen, bleib sitzen" im Zusammenhang der Debatte um das Sitzenbleiben (die seine Kollegin Schmoll jüngst mit dem Beitrag befeuerte, dann könne man ja gleich die Schule abschaffen) mit der Studie: Klassen-Wiederholungen - teuer und unwirksam (Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung; Grafik hier) auseinander.
Der Studie des renommierten Bildungsforschers zufolge betragen die jährlichen Gesamtausgaben für Klassenwiederholungen in Deutschland 931 Millionen Euro. Diese Berechnung umfasst die zu­sätzlichen Personalausgaben für die Schulen und die Schulverwaltung, den laufenden Sachauf­wand sowie die Investitionsausgaben differenziert nach jedem einzelnen Bundesland. Die Studie berücksichtigt dabei auch die unterschiedlichen Verfahren der Zuweisung von Lehrerstellen (Klas­senbezug oder Schülerzahlenbezug) in den Bundesländern...

Kaube bemerkt nicht die feine Ironie, die darin liegt, dass ein Bildungsforscher mit solchen Berechnungen den Widersinn entlarvt, Bildung und Bildungs(irr)wege junger Menschen quantitiv erfassen zu wollen (und das auch noch bezahlt von der B-Stiftung!).
Kaube steigt vielmehr voll drauf ein, hält Klemm für ein Milchmädchen und macht seine eigene Rechnung auf, in der er eine niedliche kleine Schule mit drei Klassen modelliert, in der auf jeder Stufe zwei Schüler sitzenbleiben. ...Also sind sechs Schüler sitzengeblieben, aber die Schule hat nur zwei zusätzliche Schüler, die zusätzliche Kosten verursachen .... Abschließend fragt er: Oder haben wir jetzt etwas übersehen und müssen selbst nachsitzen?

Ich fürchte, mit Nachsitzen ist es nicht getan, denn Kaube hat wohl übersehen, dass wir hier bildungsmäßig zur Output-Steuerung übergegangen sind, während er noch von einem statischen Inside-Modell ausgeht. Output-Steuerung bedeutet, wenn ich das richtig verstehe, dass vom zu betrachtenden System Schule (S1) ein bestimmtes Quantum an Kompetenz (K) zu einem bestimmten Zeitpunkt (Z) zur Verfügung zu stellen ist, - und das zu einem bestimmten Preis (GK). Da nun Kompetenz blöderweise z. T. immer noch an stoffliche Träger (M) gebunden ist und dem nächsten System (S2) zum Zwecke der Produktion weiterer Kompetenz (K') oder gleich dem übernächsten System (Systemsystem = S'S) zum Zwecke der Vernutzung menschlicher Arbeitskraft denn doch deren stoffliche Träger, also Menschen (M), zugeführt werden müssen, scheint es sinnvoll, die Systeme S1 und S2 als Profitcenter zu betrachten und zu kalkulieren, zu welchem Preis (GK) diese die Ware AK (= K + K') produzieren. Da diese, wie bereits erwähnt, teilweise noch an stoffliche Träger gebunden ist, liegt es nahe, die Gesamtkosten (GK + GK') durch die Anzahl (X) der in bestimmten Zeiteinheiten (Z) hervorgebrachten stofflichen Träger (XM) zu teilen, um eine Idee von den Kosten p.P. (GKpP) zu haben; - was schon wichtig ist, damit der Gesamtprozess G - W(AK + PM) - W' - G' im Hinblick auf die Zuführung kompetenter AK kalkulierbar bleibt. Ich gebe allerdings zu, dass die Annahme, die ermittelte Größe (GKpP) sei von Interesse, nur gilt, wenn man davon ausgeht, dass der Inhaber von G' einen Teil von G' in Form von Steuern abführt und sich für deren effizienten Einsatz interessiert, worauf die einschlägigen Veröffentlichungen der INSM allerdings schließen lassen.
Ich fasse zusammen:

Formel
[- wobei der in der Klammer mathematisch modellierte Kostenfaktor sich selbstverständlich nur auf den Anteil der Bildungsausgaben an den wenn überhaupt entrichteten Steuern der G'-Eigentümer in ihrer Gesamtheit bezieht, ansonsten geht das zu Lasten aller anderen, bei denen der Staat (auch: G-Kapitalist) Steuern eintreibt]

Wo also liegt Kaubes Fehler? Er liegt auf der Hand: Kaube - immerhin Diplom-Volkswirt - lässt Z außen vor, also die Zeiteinheit, in der das benötigte Quantum an K (+ K') produziert wird, - ein Fehler, den er schon mit einem Blick auf den Systemwechsel von G9 auf G8 hätte bemerken können - und was i.Ü. nur unter der Prämisse zulässig wäre, dass
a. nicht alle stofflichen Träger (M) von K bzw. K' im Prozess G-W-G' benötigt werden, weil immer mehr K' bereits in PM inkorporiert ist, und/oder
b. das vom Gesamtsystem benötigte Quantum an K + K' dem Systemsystem (S'S) auch von außen zugeführt werden kann, z.B. durch Ausnutzung von krisenbedingten Wanderungsbewegungen, also Zufuhr von insbesondere K'EU, - was sich insofern rechnet, als die Produktionskosten von K' dann in GR,I, P, E anfallen und hier nur die Kosten zur Herstellung der nötigen Sprachkompetenz (KSp bzw KSp') zu kalkulieren wären, die aber sicherlich auch gern von den stofflichen Trägern der K'EU - im Interesse der Herstellung hiesiger Employability (ED) - selbst aufgebracht werden und insofern vernachlässigt werden können.

Aber Kaube sagt oder weiß ja nicht, dass er von dieser Prämisse ausgeht! Insofern wäre doch zu einer Wiederholung statt nur zu Nachhilfe zu raten: Keine Schule lässt heute noch leichtfertig einen Schüler sitzen, sie bespricht das offen mit den Eltern, sie sucht auch nach anderen Schulformen, die möglicherweise besser geeignet sein könnten ; - es wäre nett, Frau Schmoll, Sie würden in diesem Sinne mal mit den Eltern des Kollegen Kaube sprechen!

P.S.: Für die Formel hätte ich gern einen WiWi-Nobelpreis oder irgendwas in der Art!

Die Kompetenzkatastrophe (I) - Oder: Machtausübung durch Individualisierung: Pastoralmacht relaunched

Vorbemerkung: Ich habe hiermit eine neue Rubik "Bildung" aufgemacht, weil es dringend geboten ist, das herrschende Kompetenz-Paradigma einer fundamentalen Kritik zu unterziehen: Die Notwendigkeit ergibt sich einerseits aus Beobachtungen der des status praesens der Praxis des Lehrens und Lernens und andererseits aus der Auseinandersetzung mit der zunehmend kritischen theoretischen Reflexion der Kompetenzorientierung ganannten Neuformatierung des noch so genannten "Bildungs"systems. Ohne eine fundamentale Kritik des Ansatzes würde jeder Versuch einer Neuorientierung zu kurz greifen. Dabei meint "fundamentale Kritik" nicht ein pauschales Verwerfen aufgrund ideologischer Prämissen, sondern das Beharren darauf, dass jedes Postulat, Lernen habe so oder so organisiert zu werden, die Prämissen der Konstruktion und die Ziele ausweisen muss.

Begonnen sei hier mit einem ersten Überblick über den aktuellen Diskussionsstand.

Andreas Hellgermann macht in einem sehr lesenswerten Artikel auf die Dialektik der Individualiserung der Lern- bzw. Bildungsprozesse aufmerksam. Individualisierung - ein Trend, der ja erstmal prinzipiell begrüßenswert erscheint - konstruktivistisch und lerntypenmäßig unterfüttert und passend zur herrschenden Methodenorientierung. Vordergündig bedienen die neuen Trends die Idee, Schule könnte auch anders sein: Anstatt das Herumtreiben durch den vielfältigen Einsatz von Medien, Methoden, Richtlinien und Lehrplänen zu verhindern, könnte sie SchülerInnen einen Raum in die Welt hinein eröffnen, durch den und in dem tatsächlich ein eigenes Urteil über die Welt möglich wird. Wir wissen alle, dass das nicht so ist.
Um zu verstehen, welche Hindernisse bzw. politisch-ökonomische Interessen dem entgegen stehen, ist es notwendig, sich intensiver mit dem Begriff der »Kompetenz« und dem damit verbundenen Paradigmenwechsel in Lehrplänen und Schule auseinanderzusetzen. Nichts spricht gegen Kompetenz. Jedoch ist dieser Begriff zum Schlüsselbegriff für die Produktion einer spezifischen Subjektivität geworden, die für das neoliberale Projekt zentral ist. Für dieses sind Schule im Ganzen, die Reduktion des Bildungsbegriffs, das lebenslange Lernen und der Bolognaprozess wichtige Handlungsfelder...

Hellgermanns (übrigens katholischer Theologe und Lehrer am Berufskolleg. Außerdem arbeitet er mit am Institut für Theologie und Politik in Münster) zentrale These:

Kompetenzgehirnwäsche: Machtausübung durch Individualisierung
Das neoliberale Dogma mit seiner u.a. auf Gery Becker (1976) zurückgehenden »Humankapitaltheorie« dominiert auch die Schule: Gut ist, was betriebswirtschaftlich vernünftig erscheint. Das neue Bildungsideal ist der »flexible Mensch«, der funktioniert, wo immer man ihn hinstellt. Um seine Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt zu garantieren, ist »lebenslanges Lernen« notwendig. Erlernt werden vor allem »Kompetenzen« - ein Schlüsselbegriff, der für das neoliberale Projekt zentral ist.

Der Autor zeigt zunächst auf , wie die Humankapitaltheorie zur Verbetriebswirtschaftlichung des Bildungssystems beigetragen hat, u.a. am Beispiel des Einsickerns der "externen Berater" in die Schule (vgl. zur Bertelsmannnisierung), um dann mit Bezug zu Foucaults Begriff der Pastoralmacht die Tücken der Individualiserung herauszupäparieren:

Die Pastoralmacht ist eine Machtform, die ausgehend von über Jahrhunderte eingeübten kirchlichen Praktiken wiederzufinden ist in den unterschiedlichsten Bereichen unserer modernen bzw. postmodernen Gesellschaft. Und sie ist eine individualisierende Machtform, eine Form der Lenkung, die nicht unmittelbar auf das Subjekt, sondern auf sein Handeln zielt.

Dies hilft uns zu verstehen, wie die scheinbar offeneren Lernformen mit dem Phänomen der Machtausübung und Lenkung zusammenhängen und so mit dem Projekt des Neoliberalismus verwoben werden können. Das Entscheidende an der Pastoralmacht ist, dass sie eine Machttechnik ist, die durch andere als die kirchlichen Institutionen übernommen wird und als neue, vielfältig verwendbare Machtform zur Verfügung steht. Die ehemals auf das Jenseits ausgerichtete Pastoralmacht kreist nun um das Heil des Menschen im Diesseits und damit um das Subjekt. Wie, das wird in der kleinen Geschichte von Günther Anders deutlich. Der König schenkt dem Königssohn Pferd und Wagen, damit er nicht mehr zu Fuß zu gehen braucht. Hier sind die beiden Elemente der Sorge und der Individualisierung enthalten, die sich als Lenkung und damit Produktion einer bestimmten Subjektivität zeigen.

Diese Macht ist gerade nicht zu verwechseln mit Gewalt oder Zwang. Wenn wir uns die Veränderungen in der Schule anschauen, dann lässt sich über einen längeren Zeitraum zeigen, wie sich die Formen der Einwirkungen auf SchülerInnen immer weiter von Gewalt und Zwangsmaßnahmen entfernt haben. Stattdessen haben sich Machttechniken entwickelt, die näher am Subjekt sind, gerade weil sie nicht mehr versuchen, direkt auf das Subjekt einzuwirken, sondern sein Handeln in den Blick nehmen. Nur so kann es gelingen, das Bewusstsein des Einzelnen zu erreichen und dadurch zu lenken, anstatt es zu zwingen.

An dieser Stelle wird nun auch deutlich, wozu die Standardisierungen in der Schule gebraucht werden: Sie sind die entscheidende Kontrollinstanz in Bezug auf das Handeln, weil nur mit ihnen überprüft werden kann, ob »richtig« gehandelt wurde. Und sie sind zugleich der Hinweis auf das Misstrauen gegenüber wirklicher Individualität und wirklicher Heterogenität, die möglicherweise doch zu »falschem« Handeln führen könnten. Darüber hinaus sind sie der Garant und Indikator für die Marktförmigkeit der erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen....


Das solchermaßen zu produzierende Idealsubjekt ist im Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) und im Deutschen Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen (DQR) fixiert. Deutlich ist, dass hier ein Subjekt gedacht wird, dass im Wesentlichen der Problemlöser ist , der bereit und in der Lage ist, jede Situation zu bewältigen. Er ist der von Richard Sennet beschriebene »flexible Mensch«, der handeln kann, wo immer man ihn hinstellt, der funktioniert. Nun ist es ohne Frage sinnvoll, wenn junge Menschen frühzeitig lernen, mit zukünftigen Lebenssituationen umgehen zu können, handlungsfähig zu bleiben. Aber: Was ist, wenn die Situation selber falsch ist, wenn die Gegebenheiten insgesamt infrage gestellt werden müssen, wenn es darum geht, einmal das Ganze zu sehen? Genau das wird nicht gelernt!
Das scheint mir das zentrale Problem zu sein: wie das Subjekt gedacht wird, das sich Welt aneignen und Weltaufschluss (Holzkamp) erlangen will bzw. soll. Die Verkürzung des Subjektbegriffs bzw. das Verschwinden des Subjekts im Neoliberalismus arbeitet vorzüglich heraus:

Felix Grigat: Die Kompetenzkatastrophe – oder
„Die Wiederkehr der Bildungsphilister durch die Hintertür“

Pädagogische Korrespondenz, Heft 46 / Winter 2012
... wenn er nachweist, dass im Rahmen des neoliberalen Kompetenz-Paradigmas Bildung nicht mehr vom sich zu bildenden Subjekt aus gedacht wird, sondern von der ökonomisch definierten Qualifikation. Das Ergebnis ist ein System, das sich noch Bildungssystem nennt, aber letztlich eines ist, das der Selbstzurichtung der Subjekte zur lebenslangen Herstellung von Employability = Vernutzbarkeit dient.

In dieser Situation ist ... (es) sinnvoll zu klären,
- welches Demokratieverständnis und Menschenbild das Grundgesetz zugrundelegt
und welchen daraus resultierenden Bildungsauftrag Landesverfassungen und schulische Richtlinien umreißen;
- wie sich dazu das Menschenbild und Bildungsverständnis der neoliberalen Wirtschaftstheorie verhält und wie die bekannten bildungsökonomischen Schlagwörter darauf aufbauen;
- welches Demokratieverständnis das Propagandakonzept aufweist und welche Mittel der Propaganda bei der Durchsetzung eines ökonomistischen Bildungsverständnisses im Kontext von PISA und Bologna aufzeigbar sind;
- was der mögliche politische Sinn dieser Operation war, die nicht nur in der Wirtschaft, sondern eben auch im Bildungswesen vor ihrem Scheitern steht.
Auf dieser Grundlage kann über Handlungsmöglichkeiten nachgedacht werden,
die angesichts der realen Problemlagen im Bildungswesen sinnvoll und notwendig
wären. ...

Jochen Krautz: Bildungsreform und Propaganda via Forum Kritische Pädagogik

Und noch ein Gedanke dazu: Die Reduzierung des Subjekts auf Vernutzbarkeit setzt seine umfassende Durchschaubarkeit voraus. Das meint nicht nur die Erhebung seines Like-Verhaltens bei Facebook, sondern vielmehr die Ent-eignung der Psyche der Individuen durch die Hirnforschung.

Freerk Huisken macht in seinem sehr lesenswerten Aufsatz Über die Untauglichkeit der Hirnforschung als Ratgeberin in Bildungsfragen deutlich, dass im harmlosesten Fall die Ergebnisse der Hirnforschung für die Organisation erfolgreichen Lernens überflüssig sind. Bei genauerer Prüfung erweise sich, dass sie falsch und obendrein in ihrer Konsequenz fatal seien:

In seinem neusten Buch über Bildung äußert sich Roth darüber, wie er sich das Erziehungsresultat, den erzogenen jungen Menschen, die „reife Persönlichkeit“ vorstellt: „Bei der Persönlichkeitsbildung geht es konkret um Stressverarbeitung und Frustrationstoleranz, die Fähigkeit zur Selbstberuhigung und Selbstmotivation, Impulshemmung und den Umgang mit negativen Gefühlen, um Bindungsfähigkeit und Empathie und schließlich um die Ausbildung des Realitätssinns und der Risikowahrnehmung.“ Diese „Kernkompetenzen“ zu erwerben erklärt er überdies zu einer „lebenslangen Aufgabe“. Angesichts dieser Zeilen habe ich meine Impulse gegenüber dieser gnadenlosen Reklame für selbsttätige Unterwerfung der Menschen unter die sie beschädigenden Lebensumstände kaum noch hemmen können. Was liegt so einem Erziehungsziel zugrunde? Roth geht – so könnte man denken - davon aus, dass offensichtlich große Teile der Schüler später in Schule und Arbeitswelt Lebensverhältnissen ausgesetzt sind, die ihnen nicht gut tun, ihre Interessen nicht zur Geltung kommen lassen, für sie ein Risiko darstellen, kurz: sie schädigen. Warum sonst sollten sie in Schule und Beruf Stress haben, frustriert und beunruhigt sein, von negativen Gefühlen geplagt werden, sich ständig zur Ruhe mahnen, Impulse zur Gegenwehr hemmen und ihren Alltag als risikoreich empfinden? Dieser von Roth – so sollte man meinen - unterstellten gesellschaftlichen Lage will ich gar nicht widersprechen. Das Leben der Mehrheit ist - „lebenslang“ - in der Tat bestimmt von der Sorge, ob für sie bezahlte Arbeit da ist, ob man seine Arbeit behält, ob man damit genug Geld verdient, wie lange man sie aushält und was danach ist. Offensichtlich sind die Menschen hierzulande mehrheitlich also nicht die Subjekte ihrer Lebensverhältnisse...

In diesem Zusammenhang lesenswert:
Christina Gericke - Schule und Wirtschaft: das neue Traumpaar?
Zur Kooperation von öffentlichen Schulen und privaten Unternehmen

ebenfalls in der Pädagogischen Korrespondenz, hier als pdf

und schon früher hatte ich verwiesen auf:
Andreas Gruschka - Strategien zur Vermeidung des Lehrens und Lernens: der neue Methodenwahn

Der lange, kontemplative Blick jedoch, dem Menschen und Dinge erst sich entfalten, ist immer der, in dem der Drang zum Objekt gebrochen, reflektiert ist. Gewaltlose Betrachtung, von der alles Glück der Wahrheit kommt, ist gebunden daran, dass der Betrachtende nicht das Objekt sich einverleibt: Nähe an Distanz.“

Adorno über Goethe

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

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