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"Schüler als kognitive Mastschweine" - Zur Kritik der PISA-Vermessung des Menschen

Auf ihrem Gewerkschaftstag vom 12. bis 16. Juni wird die Bildungsgewerkschaft GEW auch darüber diskutieren, was von den PISA- und ähnlichen Studien zu halten und ob diesen zukünftig vielleicht sogar mit genereller Ablehnung zu begegnen ist. Telepolis sprach hierzu mit Wolfram Meyerhöfer, Professor für Mathematikdidaktik an der Universität Paderborn, der derlei "Vergleichsstudien" seit langem kritisiert und die gewerkschaftliche Auflehnung hiergegen wissenschaftlich fundiert und unterstützt hat.
Auszuge aus dem sehr lesenswerten Interview:

Sie wollen doch aber nicht bestreiten, dass ein Test besser als eine Schulnote ist?

Wolfram Meyerhöfer: Doch. Nur ist der Testwert anders problematisch als eine Note und zudem kein bisschen aussagekräftiger. In Bezug aufs Menschenmessen stellt sich die Frage aber noch anders. So ist es die eine Sache, dass wir mit Noten Menschen selektieren, um Zukunftschancen nach den Kriterien der Institution Schule zu vergeben. Dafür hat man sich halt entschieden, wenn man Lehrer wird. Es ist aber eine völlig andere Sache, wenn wir alles Kognitive und Seelische auf eine Zahlenskala pressen wollen. Das gilt insbesondere, wenn Schüler keine Möglichkeit haben, sich diesem Vermessen zu entziehen. Letztlich degradieren wir unsere Kinder mit derlei Verfahren zu kognitiven Mastschweinen.

Wir entmenschlichen sie also durch Verfahren, die ihren, man muss schon sagen, "gesellschaftlichen Wert" umso höher einstufen, umso weniger sie faktisch selbstständig, individuell, kreativ, ja, schlicht Kinder sind. Und das ist es, dieses Denken, was die PISA-Macher unserem Bildungssystem in Summe als neue Doktrin einverleiben und dabei euphemistisch "Qualität" oder ähnlich nennen, wobei sie im Hintergrund vor allem einen Bildungsmarkt im bisher noch staatlich geschützten Segment vorbereiten, also auf eine noch weitere Ökonomisierung von Bildung und Individuen abzielen. Umgekehrt muss man aber doch zugeben, dass PISA endlich die Debatte um die soziale Selektivität des Bildungssystems in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt hat.

Wolfram Meyerhöfer: Nein, das ist nichts weiter als ein Marketing-Märchen. Die soziale Selektivität des Bildungssystems ist seit Jahrzehnten bekannt, die hat man mit den im Schulsystem vorhanden Daten schon lange aufzeigen können. In der ersten PISA-Runde ging es auch nicht um soziale Selektivität, sondern um angeblich schlechte deutsche Schul-Leistungen. Diese wurden ertestet, indem man Tests mit in Deutschland völlig fremden Aufgaben konstruierte.

Nachdem man mit dieser Skandalisierungsstrategie PISA als bedeutsam konstruiert hatte, brauchte man für die zweite Runde dann einen neuen Skandal. Da hat man sich auf die soziale Selektivität gestürzt und alte Hüte als vermeintliche Neuigkeiten vermarktet. Die dritte Runde im Jahr 2009 wurde dann kaum noch zur Kenntnis genommen, denn alle verfügbaren Skandale waren bereits verbraucht. Zudem werden inzwischen auch die Testwerte besser, denn mittlerweile wird in Schulen zunehmend auf PISA-Aufgaben hin unterrichtet.

Sie bleiben also dabei, was Sie auch bereits zusammen mit dem Landesverband Hessen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erklärt haben: "PISA ist der falsche Weg!"? Zu welchen Konsequenzen aber führt das dann?

Wolfram Meyerhöfer: PISA konnte deshalb so viel Reformdruck in die falsche Richtung, nämlich jene von Ökonomisierung und Standardisierung von Bildung entfalten, weil es seit langem eine riesige Unzufriedenheit mit dem Schulwesen gab und gibt. Schule entkleidet die bildsamen Gegenstände von nahezu allem Bildsamen und unterrichtet das, was übrig bleibt. Mathematik, Literatur oder Geografie sind faszinierend, solange sie keinen Eingang in ein Klassenzimmer finden. Langeweile, Frust und die Wut des enttäuschten Geistes nähren daher jede Schulschelte. Entsprechend wurde die PISA-Beschämung begrüßt. Dabei wurde dann nur leider übersehen, dass PISA gar keinen Weg aufzeigt, um den bildsamen Gegenständen im Unterricht wirklich Raum zu verschaffen...


Vgl auch:
- Kompetenzgehirnwäsche: Machtausübung durch Individualisierung und
- Diagnostik für lernwirksamen Unterricht: What Dubs Can But Data Can't Do

Wenn Bilder die Welt erklären können: Vacation Skinner boxes oder anregende Lernumgebungen?

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If Charlie Parker Was a Gunslinger ... The Best of... Huh? #15
Was mag aus dem Bengel geworden sein? Kaube wiederholt die 4. Klasse???

Da wir gerade bei guten Photo-Blogs sind, hier noch via POUR 15 MINUTES D'AMOUR (schon mehrfach empfohlen!) die ultimative Illustration zur sog. Brüderle-Sexismus-Debatte, die ja medienmäßig eigentlich schon erledigt ist (das Problem damit offenbar auch):
- Plop !
Illustration de George Petty pour Esquire


via-oldroze-tumblr-com


Und noch ein Bild - und

wenn Bilder die Welt erklären können, dann dieses:

Abfahrt der Delegierten des 18. Parteitages der KP Chinas
KP-China

Falsch Gm8 (X): Der Philologenverband - immer dabei, aber jetzt flott G9

15.02.2013 Niedersächsischer Philologenverband für Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium
In ungewöhnlich scharfer Form - so meine LieblingsHAZ am Wochenende - hat Niedersachsens Philologenverband die Rückkehr zum Abitur nach 13 statt wie bisher nach zwölf Schuljahren gefordert. Die vor acht Jahren eingeführte Verkürzung der Schulzeit erweise sich „zunehmend als folgenreicher Eingriff in die Bildungs- und Erziehungsarbeit des Gymnasiums“, heißt es in einem Beschluss des Vorstands der Organisation, die die niedersächsischen Gymnasiallehrer vertritt. (16.02.2013 / HAZ Seite 1 Ressort: POLI)

Der vorgetragenen Kritik am G8 ist ja zuzustimmen, aber abgesehen davon, dass dieser Verband nicht die niedersächsischen Gymnasiallehrer vertritt, sondern die, die in dieser ständischen Organisation organisiert sein wollen, um die ständischen Interessen der Gymnasiallehrer und ihrer Schulform zu vertreten, gehört schon eine gehörige Portion Chuzpe dazu, die Rückkehr zum G9 von der neuen rot-grünen Landesregierung zu fordern (die im Koalitionsvertrag vorsichtig einen „ergebnisoffenen Dialog“ unter anderem zu der Frage angekündigt, ob die Gymnasien eine Wahlmöglichkeit zwischen einer kürzeren und einer längeren Schulzeit bekommen sollen), nachdem eben dieser Verband - trotz anfänglicher Bedenken - der in bildungspolitischen Grundfragen verwandten schwarz-gelben Koalition im Hinblick auf die Ein- und brachiale Durchführung des G8 jahrelang nicht widersprechen mochte. Wobei das wohl zu milde formuliert ist:
Was jetzt kritisiert wird, ist im wesentlichen von den eigenen Leuten, d.h. den unter Schwarz-Gelb ins Kultusministerium und die Landesschulbehörde aufgestiegenen Mitgliedern und Fuktionären des PhVN zu verantworten.
Dass man denen jetzt so vor's Schienbein tritt, lässt auf große Not und Panik schließen.

Die könnten insofern begründet sein, als die neue Landesregierung plant, zunächstmal den Gesamtschulen das G9 zu gestatten (was die Damen und Herren CDU-Kultusminister - von eben diesem PhVN applaudiert - denen verboten hatten, was - nebenbei - die Gesamtschulen zu einer teilweisen Aufgabe ihrer Grundanliegen zwang!). Die Kolleginnen und Kollegen vom PhV wissen auch, dass ihrem Gymnasium - bei Übergangsquoten von in Großstädten über 50% - massiv Schülerinnnen und Schüler verloren gingen, wenn das von Eltern und Schülern bevorzugte G9 eben an IGS/KGS und nicht am Gymnasiun zu haben wäre!

Herr Audritz, der Vorsitzende des PhVN in der Presseerklärung, führte weiter aus, dass auch der verstärkte und begrüßenswerte Zustrom zu den Gymnasien aus allen Bevölkerungsschichten und von Schülern mit Migrationshintergrund in den letzten Jahren zunehmend eine veränderte Situation geschaffen habe: „Wir wollen aber jeden gymnasialfähigen Schüler auch zu einem qualifizierten und erfolgreichen Abschluss führen. Dazu brauchen wir jedoch wieder mehr Zeit.“

Sag ich doch: "Wir wollen aber jeden gymnasialfähigen Schüler auch zu einem qualifizierten und erfolgreichen Abschluss führen." ...
Wir, nicht die Gesamtschulen wollen zum Abschluss führen , - und wir bestimmen auch, was ein "gymnasialfähiger Schüler" ist !
Hinter der Anpassung an wohl nicht mehr zu leugnende Tatsachen, was die veränderte Klientel der weiterführenden Schulen angeht, die einen höheren Bildungsabschluss anstrebt, kriecht aus der scheinbar fortschrittlichen Forderung der alte gymnasiale Besserwisser-Standesdünkel hervor.
Mir stellt sich immer noch die Frage, wie man meint wissen zu können, was ein "gymnasialfähiger Schüler" ist ...

GBlog: Falsch Gm8
Vgl. auch: Die Kompetenzkatastrophe (I) - Oder: Machtausübung durch Individualisierung: Pastoralmacht relaunched

Kritische Bildungstheorie: Zur Aktualität Heinz-Joachim Heydorns

Kritische Bildungstheorie ist untrennbar an den Namen Heinz-Joachim Heydorn geknüpft, dessen Arbeiten – ausgehend von seiner Analyse des Widerspruchs von Bildung und Herrschaft – sich auf eine Neufassung des Bildungsbegriffs konzentrieren. Die Beiträge dieses Sammelbandes verfolgen ein doppeltes Interesse: Zum einen dokumentieren sie eine von der Evangelischen Akademie Tutzing und der DEAE organisierte Tagung anläßlich des 20. Todestages Heydorns. Zusätzlich jedoch wurden weitere Arbeiten in diesen Band aufgenommen, die den systematischen Stellenwert kritischer Bildungstheorie innerhalb der gegenwärtigen Erziehungswissenschaft ausloten. Gerade die Auseinandersetzung mit dem aktuellen erziehungswissenschaftlichen Diskurs, der um die Begriffe "Moderne – Postmoderne" bzw. "Modernitätskritik" organisiert ist, macht deutlich, daß diese Revisionsdebatte ohne Einsicht in die gesellschaftlich zugespitzten Widersprüche von Bildung und Herrschaft an theoretischer Stringenz verliert. Wie nun die aktuelle gesellschaftliche Situation im Blickwinkel kritischer Bildungstheorie focusiert und wie diese umgekehrt angesichts veränderter gesellschaftlicher Verhältnisse weitergedacht werden kann, das demonstrieren die Beiträge dieses Sammelbandes an ausgewählten Problemkonstellationen.
Euler, Peter ; Pongratz, Ludwig A. (eds.), :
Kritische Bildungstheorie. Zur Aktualität Heinz-Joachim Heydorns.
tuprints , Darmstadt , (2009)
- download pdf (12MB)

Auf der Web­sei­te ​www.​kritische-​bil­dungs­theo­rie.​de ste­hen Ra­dio­bei­trä­ge des Päd­ago­gen und Mit­be­grün­ders des So­zia­lis­ti­schen Deut­schen Stu­den­ten­bun­des (SDS) Heinz-​Joa­chim Hey­dorn zur Ver­fü­gung:

Lehr­er­bil­dung ein Dau­er­pro­blem: Hey­dorn un­ter­sucht un­ter­schied­li­che Kon­zep­te der Lehr­er­bil­dung auf den Ein­fluss von Ideo­lo­gie und In­ter­es­se. Er be­trach­tet die An­for­de­run­gen sei­ner Zeit an Bil­dung und Lehr­er­bil­dung und dis­ku­tiert un­ter­schied­li­che Bil­dungs­kon­zep­te an den Hoch­schu­len für Er­zie­hung. Down­load hier

Zur päd­ago­gi­schen Si­tua­ti­on un­se­rer Zeit: Hey­dorn stellt an­ge­sichts der Auf­lö­sung der bür­ger­li­chen Kul­tur und der Per­spek­tiv­lo­sig­keit eines „post­re­li­giö­sen Zeit­al­ters“ (Hey­dorn) Über­le­gun­gen über Mög­lich­kei­ten und Gren­zen der Er­zie­hung in der Schu­le an. Er kri­ti­siert eine Re­du­zie­rung der Päd­ago­gik auf (Über)Le­bens­hil­fe. Down­load hier

"Erziehung ist stets die Erzeugung von Wissen und von Trauma zugleich"

Georg Seeßlen: WIR SIND ERZOGENE

Sehr empfehlenswerter Aufsatz auf Seeßlens Blog! Leseprobe:
    ... Die Erziehung des Menschen ändert beständig seine Strategien und seine Instanzen. Eltern und Schulen inszenierten sich als die großen Träger der Erziehung in der bürgerlichen Gesellschaft. Sie sollen, wenn es nach dem Willen der Konservativen geht, auch in der post-bürgerlichen Zeit ihre Funktion nicht vollkommen aufgeben und müssen sich deswegen, bezüglich der katastrophalen Verhältnisse, die man so zu beobachten pflegt, schwere Vorwürfe anhören: Sie versagen in der Erledigung einer Aufgabe, die ihnen die Gesellschaft zugleich beständig abspricht, und was bleibt ihnen dann übrig, als sich gegenseitig die Verantwortung für die Unerzogenheit oder die Anti-Erzogenheit oder schließlich die Fehlerzogenheit der nächsten Generation zuzuschieben?
    ... Die Erzieher sind entmachtet, aber Erziehung ist mehr denn je zum Fetisch der Personenbildung geworden.

    Denn von den Erziehern ist der Prozess nicht in die eigenen Hände der Personen gegangen, sondern vielmehr in die Hände von Markt, Medien und Propaganda. Dies hat die Gestalt von Nachrichten, von Werbung, von Diskursen der Unterhaltung, der Meinungen und des Geschmacks. Von diesen neuen Formen der „Erziehung“ erfuhren wir in den sechziger Jahren, als die Rede von „peer groups“ aufkam, und man sich wechselseitig zu erziehen begann, wie in einem Leben als endlose Soap Opera. Auf die vertikale Erziehung durch die sozialen Institutionen war die horizontale Erziehung durch Medien und („marktkonforme“) Performance getreten. Die Erziehung verliert ihre Geschichte, um zugleich Effizienz und Begehren zu gewinnen. Die Strafe verliert sich im Unbewussten, die Belohnung aber nimmt die Form der Ware an. „Die möglichst vollständige Anpassung des Subjekts an die verdinglichte Autorität der Ökonomie ist zugleich die Gestalt der Vernunft in der bürgerlichen Wirklichkeit“ schreibt Max Horkheimer.[1] Die bürgerliche Vernunft der Selbsterziehung zur Anpassung an Markt, Produktion und Konsum hat freilich nun ihre Selbstverständlichkeit verloren. Im Neoliberalismus nehmen Belohnung und Bestrafung in der Erziehung für die verdinglichte Autorität der Ökonomie wieder drastische Formen an; man lockt mit Machtmaschinen zwischen Fitnesstrainer, Automobil und Yacht, und man droht mit dem Entzug noch der kleineren Formen bürgerlicher Sicherheit. Die Verlierer dürfen mit Solidarität der für die Ökonomie erzogenen Menschen nicht rechnen...
Das ist wohl so.
Was bleibt angesichts dieser Diagnose für die Schulen, die sich nurmehr hilflos noch inszenieren sich als die großen Träger der Erziehung in der bürgerlichen Gesellschaft bzw. für die, die in dieser Institution weiter arbeiten müssen oder gar wollen?

norberto68 zitiert dazu die lesenswerte Abhandlung „Autonomie zwischen Behausung und Abenteuer. Die Lebensaufgabe von Kindern und Rahmenbedingungen für die Schule“ von Ruedi Rüegsegger:
    Ein anderes Beispiel: Im Radio wird über die Verschuldungsfalle durch Kleinkredite diskutiert. Die Fälle nehmen zu, in denen Leute ihre „neue Armut“ mittels Kleinkrediten bewältigen wollen. Es bestehe ein Verbot, Jugendlichen unter 18 Jahren solche Kredite zu gewähren. Als Lösung schlägt der Bankenvertreter vor, diese Gefahr der Schuldenfalle müsse in der Schule thematisiert werden, nur so sei es möglich, die Leute vor Verschuldung zu bewahren. Statt rigoroser gesetzlicher Bestimmungen für das Kleinkreditgeschäft – wohlverstanden!

    Ich will nicht einem Fatalismus das Wort reden, die Schule muss Verantwortung wahrnehmen, wo, realistisch eingeschätzt, ein kleiner Beitrag geleistet werden kann; beispielsweise ist es entscheidend, dass jedes Mädchen und jeder Junge einmal geübt hat, ein Kondom über eine Banane zu stülpen. Aber wir dürfen uns keine Illusionen machen und in Verzweiflung fallen, wenn es dann halt doch nichts nützt, und wir müssen Prioritäten setzen, denn alles, was getan werden müsste, kann nicht an die Schule delegiert werden...
    Diese skeptische Beurteilung der Wirkungsmöglichkeit von Schule ist mir wichtig, denn Lehrpersonen neigen zum Idealismus. Sie empören sich über die Ungerechtigkeiten, nehmen die Gefahren für Mensch und Umwelt sehr Ernst, sie wollen die Welt verbessern, indem sie den Kindern helfen, gute Menschen zu werden. Diese Haltung ist vornehm und soll hier in keiner Weise lächerlich gemacht werden. Ist sie aber nicht durch einen kritischen Realismus untermauert, läuft sie Gefahr, in Enttäuschung und Frustration zu enden. Vor allem dann, wenn Kinder und Jugendliche, von den Weltverbesserungsideen nichts wissen wollen, ist das für Lehrpersonen im höchsten Masse kränkend. Wenn sie dann als Reaktion darauf den Problemen und vor allem den Schülern gegenüber zynisch werden, mag man das noch halbwegs verstehen, akzeptieren darf man es jedoch nicht. Denn nichts verkehrt die Ziele von Pädagogik so ins Gegenteil wie Zynismus und Menschenverachtung. Grenzen aufzuzeigen und zu akzeptieren ist deshalb nicht kleinmütig, sondern verantwortungsvoll und unverzichtbar.
Im abschließenden 10. Kapitel entwirft Rüegsegger eine Schule als institutionelle Gemeinschaft:
    Für die Bewältigung der Lebensaufgaben von Kindern und Jugendlichen, in einer individualisierten Gesellschaft, die von der Globalisierung gepuscht wird, ist die Schule ein zentraler Ort. Diesen bereitzustellen und zu alimentieren ist ist demokratisch legitimierte Pflicht der Politik, diesen einzurichten ist die Aufgabe der Lehrpersonen...

    Die Schule soll Kindern und Jugendlichen Sicherheit vermitteln, damit sie Vertrauen aufbauen können, mit dem sie ohne Angst explorieren, die Welt entdecken und begreifen können. Zwischen Behausung (Sicherheit) und Abenteuer (Exploration) sollen sie Erfolge und Selbstwirksamkeit erleben dürfen, um Autonomie erfahren und entwickeln zu können. Um die Hindernisse zu bewältigen, braucht es intelligente Copingstrategien, das heisst Erfindungsreichtum und Kreativität, den Mut, wenn nötig, Hilfe in Anspruch zu nehmen, und verbale Konfliktfähigkeit, um gewalttätige Aggression zu vermeiden...
Sehr lesenswert: Interessant finde ich die Idee, die Aufgaben der Schule von den Entwicklungsaufgaben der Schülerinnen und Schüler her zu denken, und den Rekurs auf Kohlbergs Moralstufen bei der Konzeption der Schule als institutionelle Gemeinschaft.

I. Ü. ist der (pensionierte) Kollege Norberto, bei dem ich den Hinweis auf diesen Text fand, unbedingt zu loben, stellt er doch sein umfassendes Wissen der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung:
Bei norberto68 finden - nicht nur - Deutschlehrer/innen eine Fülle von scharfsinnigen Analysen, didaktischen und methodischen Hinweisen.
Als norberto42 [Man ist nicht umsonst Philologe gewesen, das will sagen, ein Lehrer des langsamen Lesens. (F.N.)] überlässt er uns das, was ein hoch professioneller Deutschlehrer in den Jahren seiner Praxis produziert: Analysen, Interpretationen, didaktische Konzepte zum Literatur- (und Grammatik-) Unterricht - zur weiteren Arbeit damit. Meine Hochachtung!!
norberto42

Archäologie (CCXXIX): Resolution zum Werther (1968/69)

Herr Rau veröffentlicht im Lehrerzimmer ein sehr schönes historisches Dokument aus der Welt der Bildung bzw. der noch interessanteren Welt ihrer Vermittlung / Aneignung.
Ansehen!

Verblödungsbericht 2012: Bildungsniveau in Deutschland weiter angestiegen: 20 Prozent können nicht richtig lesen

Bildungsbericht 2012

1. „Sockel der Abgehängten“
Forscher warnen vor einer Spaltung: Einerseits gibt es immer mehr Abiturienten – andererseits immer mehr Sonderschüler und Jugendliche ohne Chancen

Christian Füller in der taz
Am unteren Ende des Bildungssystems gibt es einen steigenden Sockel von Bildungsverlierern. 18 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss. Die Bildungsverlierer bleiben von den Bemühungen der Regierung nahezu unangetastet.
focus-schule
Seit 1998 ist ein Zuwachs von Bildungseinrichtungen freier Träger um ein Viertel festzustellen. Während ein großer Teil der Einrichtungen frühkindlicher Bildung seit jeher in freier (gemeinnütziger oder auch gewerblicher) Trägerschaft betrieben wird, ist die Erhöhung der Zahl allgemeinbildender Schulen in freier Trägerschaft um fast 1.200 (um 53% des Bestands von 1998) im letzten Jahrzehnt beachtlich. Besonders beachtenswert ist die Zunahme von Grundschulen in freier Trägerschaft von 314 auf 791 (um 152% des Bestands von 1998). Auch die Teilnehmerzahlen an diesen Einrichtungen sind stark angestiegen, im Hochschulbereich haben sie sich – auf niedrigem Niveau – mehr als verdreifacht.
Klassenunterschiede - Thomas Pany bei tp

Ich habe den ganzen Tag über im Rundfunk nur Erfolgsmeldungen gehört und frage mich, welche "Bemühungen der Regierung" wohl gemeint sein könnten: Die Förderung von Bildungseinrichtungen freier Träger im Interesse der gehobenen bildungsnahen Schichten?? Vgl. einen älteren Eintrag: Von den USA lernen heißt siegen lernen

Bildungsausgaben

2. Dass nur 20% nicht richtig lesen können, wage ich heftig zu bezweifeln:
Was die Lesekompetenz der Bildungsgewinner angeht stellt Bersarin grundsätzliche Fragen:
    ... Es gibt Menschen, die lesen literarische oder philosophische Texte, und ihnen kommt im Zug ihres Lesens nichts anderes in den Sinn, als diese Texte unmittelbar auf sich selber, auf ihren lebensweltlichen Bezugsraum zu applizieren oder biographisch auszudeuten. Solches Verfahren nennt sich Referenzrahmenbestätigung oder biographischer Reduktionismus. ... Gab es schon immer, ist nicht weiter schlimm, wenn es lautlos unter der wohlfühligen Lese-Bettdecke im gehüteten Heim geschieht. Schlecht gerät diese Angelegenheit jedoch, wenn sich ein solcher Umgang mit Literatur (bzw. mit Kunst überhaupt) in einen allgemeinen Diskurs transformiert. Dies mag sich nun beim Geschwätz auf den Vernissagen, dem Herumreden in den Seminaren oder beim Plaudern nach einer Ausstellung ereignen: immer wieder geben die subjektiven Reaktionsweisen den Maßstab ab, und es wird mit Regelmäßigkeit von der Sache selbst abgesehen...
Was den schulischen Beitrag zur Abschaffung des Lesens als Verstehensprozess angeht:
Gruschka, Andreas - Strategien zur Vermeidung des Lehrens und Lernens: der neue Methodenwahn (Auszüge aus dem Referat)

Der lange, kontemplative Blick jedoch, dem Menschen und Dinge erst sich entfalten, ist immer der, in dem der Drang zum Objekt gebrochen, reflektiert ist. Gewaltlose Betrachtung, von der alles Glück der Wahrheit kommt, ist gebunden daran, dass der Betrachtende nicht das Objekt sich einverleibt: Nähe an Distanz.“

Adorno über Goethe

_____________________________________
rom über Wader [= Nachtrag]:

Ein schönes Beispiel für Referenzrahmenbestätigung und arschdenk-biographischen Reduktionismus ist die (Nicht- bzw. Ent-) Würdigung Waders in der HAZ vom 23.06. zu seinem 70. Geburtstag:
haz_wader


Vgl. Archäologie CXCVI: WaderWeckerVaterLand

Bildungsbericht 2012 (a): Lehrer

1. ein Hinweis auf einen frühen Film von Alexander Kluge:

Lehrer im Wandel (1962–63) Co-directed with Karen Kluge. P. Alexander Kluge. C. Alfred Tichawsky. E. Alexander Kluge. 35 mm. B & W. 11 min. --> im UbuWeb

2. eine Einführung in die neuere Mathematikdidaktik von Tom Lehrer (1965):

Die allererste Forderung an Erziehung

Nochmals:

Adorno-Erziehung nach Ausschwitz by oldshoe
via Audioarchiv

Helge Schneider und Naomi Wolf: "SCHULE IST NICHT SCHÖN!" - aus dem Kinofilm "JONAS und wie er die WELT sah" mit Christian Wulff



LTW2008_Grossflaechen_Bildung1

Kann es sein, dass wir gegenwärtig - oder schon länger - den Dreharbeiten des nächsten Films mit Christian Ulmen beiwohnen?

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Es spricht einiges dafür, dass Wulff gar nicht Wulff ist, sondern von Ulmen gespielt wird (und Bettina von Franka Potente und Ulmen von Wulff), was auch die Rolle des großen Drecksblatts in dem Spektakel erklären würde, das natürlich eingeweiht ist oder gar Regie führt: Kai von Kotze!

ulmen
ulmenwulf

Kompliment an die Maske - und dazu noch eine Verschwörungstheorie:

Was durch das Spektakel vergessen gemacht wird - vgl. auch Der verkorkste Jahresbeginn – Wulff-Krisen-Gewinnler sind die Falschen:



... In diesem Drama zunehmend globalisierter Proteste und Unterdrückungsmaßnahmen offenbart sich ein Handlungsstrang, mit dem sich viele der Cheerleader einer neoliberalen Globalisierung nie auseinandergesetzt haben: die Macht des globalisierten Kapitals, die Autorität demokratisch gewählter Regierungen in verheerender Weise zu untergraben.

Aus der Perspektive globaler Konzerninteressen sind geschlossene Gesellschaften wie China unternehmensfreundlicher als lästige Demokratien, in denen Gewerkschaften, hohe Menschenrechtsstandards und eine starke Presse die Kosten in die Höhe treiben.

Überall auf der Welt ähneln sich die Gegenreaktionen auf die Proteste, was nahe legt, dass die Akteure aus dem Staats- und Unternehmenssektor dabei sind, zu lernen, wie man Abweichlertum unter Wahrung einer demokratischen Fassade am besten unterdrückt...

2012 werden sich die Proteste drastisch verschärfen - Naomi Wolf in der WELT (!!)

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

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