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Träume verwehen ...

Träume verweh'n, wenn sie nicht wissen, wo sie schlafen sollen,
und bevor der Tag kommt, zieh'n sie mit dem Wind davon.
Die Welten dreh'n, wer von uns weiß, wer seine Freunde sind?
Wenn ein neuer Tag kommt, seh'n wir alle anders aus.

Die Zeit vergeht und so viel bleibt im Straßenstaub.
Wird uns fremd, wie ein Bild von daheim.
Alles längst verschwunden, alles überwunden und doch
war da viel mehr als ein Spiel.

Träume erfrieren, wenn niemand da ist, der sie träumen will,
und bevor der Tag kommt, sind sie mit der Nacht davon.
Jetzt steh'n wir hier, wer von uns weiß noch, welchen Weg er geht?
Wenn ein neuer Tag kommt, ist nichts, wie es einmal war.

Die Zeit vergeht und so viel bleibt im Straßenstaub.
Wird uns fremd, wie ein Bild von daheim.
Alles längst verschwunden, alles überwunden und doch
war da viel mehr als ein Spiel.

Alle Rechte liegen beim jeweiligen Interpreten bzw. Verlag
Rio Reiser: Träume - aus: "Himmel & Hölle" (1995), seinem letzten Album.

Udo Lindenbergs „Stark wie Zwei" erinnert in Produktion und Duktus an Reisers Album. Es ist wirklich gut: kaum noch - oder nur noch unaufdringlich - Lindenbergs Manierismen: man höre "Verbotene Stadt".
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Archäologie XIX

sophia
Sophia

Und dennoch leben sie (1960)
Regie: Vittorio De Sica
Drehbuch: Vittorio De Sica, Cesare Zavattini und Alberto Moravia (Roman)
# Sophia Loren: Cesira
# Jean-Paul Belmondo: Michele
...
loren_und-dennoch
La Ciociara -> IMDb

Faust II revisited

Allüberall wird heuer festgestellt, dass Goethes Faust deshalb aktuell ist, weil erstmals 1808 zu Ostern – im Rahmen der Gesamtausgabe – erschienen. So rankt sich manches um das Ostermotiv : sehr schwurbelig in der ZEIT mit Frau von Thadden, klarer schon bei Seibt in der SZ, aber weshalb es wirklich lohnen könnte, gerade jetzt im "Faust" zu lesen, bleibt dabei eher verborgen:
Interessanter als die allzumenschliche Streberei ist Goethes im Faust II poetisch entfaltete Theorie gesellschaftlicher Entwicklung: Nachdem Faust und Mephisto die kleine Welt (und das doofe Gretchen) hinter sich gelassen haben, geht es um Einsichten in den Verlauf der Geschichte (u. a. der Finanzmärkte!) … ---- die viel aktueller sind, als die Schreiberlinge des bundesdeutschen Feuilletons, die offenbar so weit weg sitzen von der Wirtschaftsredaktion, zu erkennen vermögen. Im „Faust“ findet sich eine Erklärung für den aktuellen Crash, der nicht so genannt, nur umschrieben werden darf …
Goethe lesen!

kaiser
Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh' und Weite; -
Den Weisen seh' ich mir zur Seite,
Allein wo ist der Narr geblieben?

junker
Gleich hinter deiner Mantelschleppe
Stürzt' er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fettgewicht,
Tot oder trunken? weiß man nicht.

zweiter junker
Sogleich mit wunderbarer Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle.
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch fratzenhaft, daß jeder stutzt;
Die Wache hält ihm an der Schwelle
Kreuzweis die Hellebarden vor -
Da ist er doch, der kühne Tor!

mephistopheles
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
Was immerfort in Schutz genommen?
Was hart gescholten und verklagt?
Wen darfst du nicht herbeiberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
Was hat sich selbst hinweggebannt?

kaiser
Für diesmal spare deine Worte!
Hier sind die Rätsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. -
Da löse du! das hört' ich gern.
Mein alter Narr ging, fürcht' ich, weit ins Weite;
Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.

gemurmel der menge
Ein neuer Narr - Zu neuer Pein -
Wo kommt er her? - Wie kam er ein? -
Der alte fiel - Der hat vertan -
Es war ein Faß - Nun ist's ein Span -

kaiser
Und also, ihr Getreuen, Lieben,
Willkommen aus der Näh' und Ferne!
Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne,
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
Doch sagt, warum in diesen Tagen,
Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und Heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns ratschlagend quälen sollten?
Doch weil ihr meint, es ging' nicht anders an,
Geschehen ist's, so sei's getan.



schatzmeister
Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
Subsidien, die man uns versprochen,
Wie Röhrenwasser bleiben aus.
Auch, Herr, in deinen weiten Staaten
An wen ist der Besitz geraten?
Wohin man kommt, da hält ein Neuer Haus,
Und unabhängig will er leben,
Zusehen muß man, wie er's treibt;
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrigbleibt.
Auch auf Parteien, wie sie heißen,
Ist heutzutage kein Verlaß;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb' und Haß.
Die Ghibellinen wie die Guelfen
Verbergen sich, um auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu tun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt,
Und unsre Kassen bleiben leer.



kaiser
Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Not?



mephistopheles
Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieser Welt?
Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft:
Begabten Manns Natur- und Geisteskraft.

mephistopheles
Daran erkenn' ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.

kaiser
Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn.

mephistopheles
Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen,
Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften,
Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,
Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.
So war's von je in mächtiger Römer Zeit,
Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll's haben.
…..

157864-featInzwischen – während des „Heiteren Fests“ - sind aus der blinden Bereitschaft des Kaisers und seines Hofes, das müßige Leben weiterzuführen und auf Schein-Reichtümer zu bauen, auf Mephistos Initiative, aber doch nur im Sinne des Hofes die praktischen Konsequenzen gezogen worden.
Der Schatz, den der Kaiser noch vor dem Mummenschanz sofort ausgraben wollte, ist schon gehoben: Es ist das Papiergeld. Das Papiergeld, das als allgemeines Äquivalent schon seit dem 12. Jahrhundert bekannt ist, beginnt seinen Siegeszug als Mittel des kapitalistischen Kredits mit John Law zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die Bedeutung des Kredits für die Ankurbelung der kapitalistischen Wirtschaft und damit den positiven Zusammenhang zwischen Papiergeld und sich entwickeln dem Kapitalismus wird Goethe kaum durchschaut haben. Er sieht in der Zeit der Französischen Revolution nur die viel auffälligeren Gefahren des Kreditsystems (Inflation, Spekulation), nicht auch dessen belebende ökonomische Wirkung und begreift deshalb - gemäß seinen Erfahrungen - das Papiergeld in erster Linie als Mittel des Parasitentums. In diesem Verständnis geht es in den »Faust« ein. Wenn Mephisto das Papiergeld erfindet, so führt er nicht etwas am Kaiserhof Fremdes ein, sondern gibt ihm ein Mittel zum parasitären Genuss an die Hand, das seinem Wesen gemäß ist. Das Papiergeld bescheinigt hier einen Wert, der nicht erarbeitet, also gar nicht vorhanden ist. Es verlängert das müßige Leben des Kaiserhofs, ohne dass jemals die Absicht bestünde, dem Vorschuss tatsächliche Arbeit folgen zu lassen.
In der Fastnacht hat der Kaiser - so erfahren wir jetzt - als großer Pan im Vertrauen darauf, dass im Boden seines Reiches Schätze verborgen liegen, die man nur auszugraben braucht, durch seine Unterschrift den Wert dieser Schätze auf ein Blatt Papier übertragen und damit »alles Weh in Wohl verwandelt« (6056). Das »schicksalschwere Blatt« (6055) wurde noch in der Nacht »durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht« (6072) und zur Begleichung ausstehender Zahlungen unter die Leute gebracht. Und schon herrscht, wie die Minister freudig meinen, überall im Lande eine neue Prosperität.
(Heinz Hamm: Goethes Faust – Werkgeschichte und Textanalyse, Berlin (Volk und Wissen) 1977, S. 165 ff.)

Lustgarten


kaiser
Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht,
Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht?
Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,
Versichr' ich dich der höchsten aller Gnaden.
Sei stets bereit, wenn eure Tageswelt,
Wie's oft geschieht, mir widerlichst mißfällt.

marschalk
Durchlauchtigster, ich dacht' in meinem Leben
Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben
Als diese, die mich hoch beglückt,
In deiner Gegenwart entzückt:
Rechnung für Rechnung ist berichtigt,
Die Wucherklauen sind beschwichtigt,
Los bin ich solcher Höllenpein;
Im Himmel kann's nicht heitrer sein.

heermeister
Abschläglich ist der Sold entrichtet,
Das ganze Heer aufs neu' verpflichtet,
Der Landsknecht fühlt sich frisches Blut,
Und Wirt und Dirnen haben's gut.

kaiser
Wie atmet eure Brust erweitert!
Das faltige Gesicht erheitert!
Wie eilig tretet ihr heran!

schatzmeister
Befrage diese, die das Werk getan.

faust
Dem Kanzler ziemt's, die Sache vorzutragen.

kanzler
Beglückt genug in meinen alten Tagen. -
So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,
Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.
"Zu wissen sei es jedem, der's begehrt:
Der Zettel hier ist tausend Kronen wert.
Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,
Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.
Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz,
Sogleich gehoben, diene zum Ersatz."

kaiser
Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!
Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?
Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?

schatzmeister
Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;
Erst heute nacht. Du standst als großer Pan,
Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:
"Gewähre dir das hohe Festvergnügen,
Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen."
Du zogst sie rein, dann ward's in dieser Nacht
Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
Damit die Wohltat allen gleich gedeihe,
So stempelten wir gleich die ganze Reihe,
Zehn, Dreißig, Funfzig, Hundert sind parat.
Ihr denkt euch nicht, wie wohl's dem Volke tat.
Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt,
Wie alles lebt und lustgenießend wimmelt!
Obschon dein Name längst die Welt beglückt,
Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.
Das Alphabet ist nun erst überzählig,
In diesem Zeichen wird nun jeder selig.

kaiser
Und meinen Leuten gilt's für gutes Gold?
Dem Heer, dem Hofe gnügt's zu vollem Sold?
So sehr mich's wundert, muß ich's gelten lassen.

marschalk
Unmöglich wär's, die Flüchtigen einzufassen;
Mit Blitzeswink zerstreute sich's im Lauf.
Die Wechslerbänke stehen sperrig auf:
Man honoriert daselbst ein jedes Blatt
Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt.
Nun geht's von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;
Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,
Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.
Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.
Bei "Hoch dem Kaiser!" sprudelt's in den Kellern,
Dort kocht's und brät's und klappert mit den Tellern.

mephistopheles
Wer die Terrassen einsam abspaziert,
Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert,
Ein Aug' verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,
Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher Schedel;
Und hurt'ger als durch Witz und Redekunst
Vermittelt sich die reichste Liebesgunst.
Man wird sich nicht mit Börs' und Beutel plagen,
Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,
Mit Liebesbrieflein paart's bequem sich hier.
Der Priester trägt's andächtig im Brevier,
Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.
Die Majestät verzeihe, wenn ins Kleine
Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.

faust
Das übermaß der Schätze, das, erstarrt,
In deinen Landen tief im Boden harrt,
Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke
Ist solchen Reichtums kümmerlichste Schranke;
Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,
Sie strengt sich an und tut sich nie genug.
Doch fassen Geister, würdig, tief zu schauen,
Zum Grenzenlosen grenzenlos Vertrauen.

mephistopheles
Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,
Ist so bequem, man weiß doch, was man hat;
Man braucht nicht erst zu markten, noch zu tauschen,
Kann sich nach Lust in Lieb' und Wein berauschen.
Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Pokal und Kette wird verauktioniert,
Und das Papier, sogleich amortisiert,
Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt.
Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.
So bleibt von nun an allen Kaiserlanden
An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.


07_cover_mSchon deutlich, dass man schon 1808, spätestens aber nach einer genaueren Analyse des so genannten "fiktiven Kapitals" aus dem späteren 19. Jahrhundert wissen konnte, dass das Drucken von Papier nur bei einigen wenigen Reichtum zu erzeugen vermag- und dass man Mephistos Ironie verstehen können muss, sonst fällt man auf ihn als Anlageberater herein - wie der Kaiser, der ja eigentlich eher der Realökonomie vertrauen möchte ... aber nichts weiß; - wie die Kanzleramtsökonomen einschließlich des unglaublichen Ackermann heute.

Archäologie XVIII: In Hannover nach dem Krieg

John_Kay_Steppenwolf
Ostersonntag 20.05 - NDR INFO: "Vom Flüchtlingskind zum Rockstar": Wie aus Joachim Krauledat Steppenwolf wurde. Eine Sendung von Uli Kniep

"Born To Be Wild": Vor 40 Jahren erschien das erste Album der Rockband Steppenwolf. Sänger Joachim Krauledat alias John Kay war als Kind von Tilsit nach Hannover geflüchtet, dann als Jugendlicher nach Kanada ausgewandert, von wo er seine Karriere startete. Durch den Film "Easy Rider" wurde seine Band Steppenwolf weltberühmt.

Dazu Mathias Greffraths schöner Text:
Hannover nach dem Krieg: Zwei Jungs spielen Fußball. Der eine singt später "Born To Be Wild", der andere wird Journalist und schreibt über ihr Wiedersehen nach 50 Jahren: Der Wilde von nebenan:
An der Stimme hätte ich den Jungen nicht erkannt, der mich, ein halbes Jahrhundert ist das her, auf dem Fensterbrett eines Treppenhauses in Hannover für ein paar kostbare Minuten seine Gibson J200 halten ließ. Die war weiß und sah aus wie die von Elvis – aber sie war aus Hartfaserplatte gebastelt und der Hals zu schwach, um Saiten zu halten. Damit stand der Junge stundenlang vor dem Spiegel seiner Mutter, rockte und sang Wörter, die er nicht verstand. Der Spiegel war groß, denn die Mutter war Änderungsschneiderin, und ihr Mann fuhr Zigaretten aus. Das war in der Kronenstraße 37 in Hannover, Mitte der fünfziger Jahre, in einem dieser hellhörigen Nachkriegsmiethäuser mit ihren 40-Quadratmeter-Familieneinheiten, in denen man immer leise sein musste.

Ich fand den Jungen aus dem dritten Stock etwas unheimlich, auf jeden Fall für mich unerreichbar. Mit zwölf schon rannte er im schwarzen Trenchcoat herum, trug Röhrenhosen, seine Schuhe waren braun mit weißem Deckblatt. Immer trug er diese dunkle Brille, immer nahm er ein paar Stufen auf einmal, vielleicht musste er zum Essen und war spät dran, oder er wollte nicht angesprochen werden. Er war nur gut anderthalb Jahre älter als ich, aber schon durch den Stimmbruch und groß wie 18. Ich sang Sopran im Schulchor der Leibnizschule: die Freimaurerhymne von Mozart. »Brüder, reicht die Hand zum Bunde.« Das trieb mir die Tränen in die Augen, verschmolz mit den Wochenschaubildern vom 17. Juni und ein paar Jahre später umstandslos mit der ersten Brecht-Lektüre. What If Mozart Wrote Born to Be Wild? – so heißt der Titel einer alten CD, einer Hommage verschiedener Künstler an Steppenwolf. Gute Frage. What if Adorno had liked jazz? War aber nicht so. ...


KayandFonda
John Kay and Peter Fonda, 2004

Sleeveface

one or more persons obscuring or augmenting any part of their body or bodies with record sleeve(s) causing an illusion:

sleeveface1
sleeveface2

Ein Lob dem schönen alten LP-Cover, - mit CD-Booklets ist das schlecht zu machen ...

Update 2010:
muscatello_mink_deville

Zuweilen VII - Zum Tod von Erwin Geschonneck

bemerkt man erst, wenn man vom Tod eines Menschen erfährt, dass er einem eigentlich schon länger gefehlt hat. Mir wird dieses Gesicht immer in Erinnerung bleiben: Erwin Geschonneck in Frank Beyers Verfilmung von Jurek Beckers einzigartigem Roman Jakob der Lügner:
erwin_geschonneck_jakub-the-liar
Jacob1

Ausnahmsweise sei hier der Nachruf der HAZ zitiert, weil nicht wie üblich bei seinem Ableben auf einen Kommunisten gepisst werden musste:
Er hat mit vielen zusammengearbeitet, die im 20. Jahrhundert Film- und Theatergeschichte geschrieben haben: vor dem Krieg mit Erwin Piscator an der Jungen Volksbühne, nach dem Krieg mit Ida Ehre an den Hamburger Kammerspielen und mit Bertolt Brecht am Berliner Ensemble. Da hatte ihn auch schon der Regisseur Helmut Käutner fürs Kino entdeckt.
Erwin Geschonneck hat selbst Film- und Theatergeschichte geschrieben. Der Sohn eines Flickschusters und Nachtwächters war der vielleicht bekannteste Schauspieler in der DDR. In weit mehr als 100 Film- und Fernsehfilmen hat er mitgespielt. „Das kalte Herz“ (1950), „Fünf Patronenhülsen“ (1960), „Nackt unter Wölfen“ (1962), „Karbid und Sauerampfer“ (1963) zählen zu den bekanntesten. Gestern ist Erwin Geschonneck im Alter von 101 Jahren gestorben.
Was hätte der am 27. Dezember 1906 in Ostpreußen geborene Schauspieler für eine Weltkarriere machen können: Er spielte mit in dem Gettodrama „Jakob der Lügner“ (1974). Frank Beyers Film war der einzige aus der Defa-Produktion, der je für den Oscar nominiert wurde. Doch blieb der Kommunist Geschonneck seinem Staat treu, ohne sich je mit ihm gemein zu machen. Die Akademie der Künste würdigte ihn gestern als einen „aufrechten, unbeugsamen Zeitgenossen“. Wurde Geschonneck gefragt, warum er nie versucht habe, seiner Berliner Plattenbauwohnung und dem ganzen eingemauerten Land zu entkommen, antwortete er: „Mir genügte es auch, ein guter Schauspieler zu sein.“
Kraftvollen, knorrigen, oft mit viel Selbstironie ausgestatteten Figuren hauchte er Leben ein. Nicht immer konnte er mit seinen Rollen hohe Sympathiewerte erzielen: In „Das Beil von Wandsbek“ (1951) war er der unauffällige Familienvater, der den Nazis als Henker diente. In „Sonnensucher“ (1958) spielt er einen aufrechten Kommunisten, der sich gegen verbohrte Funktionäre zur Wehr setzte – beide Filme waren in der DDR zunächst verboten. In „Karbid und Sauerampfer“ schlug er sich als „Karbid-Kalle“ nach Schwejkscher Art durch die Zone, um sieben Fässer Karbid zu ergattern. In „Nackt unter Wölfen“ (1963) gehört er zu den Häftlingen im KZ-Buchenwald, die sich der SS entgegenstellen.
Seinen letzten Film „Matulla und Busch“ drehte er 1995 unter der Regie seines Sohnes Matti Geschonneck. Für Heiner Müller und dessen Projekt „Duell Traktor Fatzer“ kehrte er in den neunziger Jahren noch einmal ans Berliner Ensemble zurück.
Es war wohl kein Zufall, dass in Geschonnecks Filmen immer wieder der Kampf gegen den Faschismus auftaucht: Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 ging er ins Exil, bis nach Odessa in die Sowjetunion verschlug es ihn. Er wurde ausgewiesen und 1939 in Prag verhaftet, überlebte die Todeslager Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges zählte er zu den 4000 KZ-Häftlingen auf dem Schiff Cap Arcona, das von der Royal Airforce versenkt wurde. 350 KZ-Häftlinge kamen damals mit dem Leben davon. Einer davon war Geschonneck.
Seine letzte Ruhe wird er auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof finden, dem traditionsreichen Künstlerfriedhof in Berlin. Seine Grabstätte liegt gleich neben der von Bertolt Brecht und Helene Weigel. Das ist ein würdiger Platz für den Volksschauspieler Erwin Geschonneck.

Ausgabe: HAZ Datum: 13.03.2008
erwin_geschonneck

Sehenswert: Jakob der Lügner (DEFA/Frank Beyer 1974)

Unbedingt hörenswert:
„Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie“
Erinnerungen eines Mannes an das Lager Dachau
Originaltonfeature von Thomas Heise
Rundfunk der DDR, 1987 verboten
Ursendung: 1989

Archäologie XVII - 16. März 1968

My_Lai_massacre

Am Morgen des 16. März 1968, gegen acht Uhr Ortszeit, werden mehrere Kompanien der US-Sondereinheit Task Force Barker auf dem Gebiet des Gemeindeverbandes My Lai abgesetzt, um dieses Terrain in der mittelvietnamesischen Küstenprovinz Quang Ngai zu durchkämmen. Man vermutet dort ein Aufklärungsbataillon der Nationalen Befreiungsfront (FLN), im Westen seinerzeit "Vietcong" (VC), von den amerikanischen Frontsoldaten "Charly" genannt.

Als die Helikopter knapp drei Stunden später, gegen elf Uhr, zurückkehren, um die Männer abzuholen, ist Son My ausradiert. Etwa 500 Tote liegen in Wassergräben und Reisfeldern, auf Feldwegen oder im Dorf selbst - Frauen und Kinder, Männer mittleren Alters, Greise und Säuglinge. Die C-Kompanie unter dem Kommando des Leutnants William Calley hat keinen Vietcong aufgespürt, keine Waffen gefunden, keine Verluste erlitten, keine Gefangenen gemacht, aber einige tausend Schuss abgefeuert.

Ronald Haeberle, Fotograf für die Armeezeitung Stars & Stripes, ist von Anfang an dabei. Was er sieht, wird ihn nicht wieder loslassen, er wird seinen Job aufgeben und ein Jahr danach über diese drei Stunden schreiben, er habe es als Soldat nicht fertiggebracht, seine Kameraden beim Töten zu fotografieren. "Ich fotografierte nur ihre Opfer."

Haeberle wird zum Chronisten des Grauens, er wird es auch wegen der knappen Kommentare, mit denen er seine Bilder versieht. Wer das Massaker nacherleben, wer es rekonstruieren will, muss sich daran halten. In Haeberles Bildlegenden ist zu lesen: "Frauen und Kinder werden zusammengetrieben. In Todesangst sehen sie, dass die Soldaten ihre Gewehre auf sie richten." - "Um das Feuer anzufachen, wirft ein Soldat Strohmatten, die zum Trocknen von Reis benutzt werden, über die Toten." - "Der Körper vor dem brennenden Haus zuckt noch. Ein GI sagt mir, er sehe seither Gespenster."

Als Haeberle ein Jahr nach dem Massaker, inzwischen aus der Armee entlassen, öffentliche Vorträge hält und dabei Bilder aus My Lai zeigt, die bis dahin niemand außer ihm gesehen hat, hört er den Vorwurf, Handlanger des Vietcong zu sein und Fälschungen zu verbreiten. Doch beschreibt Ron Ridenhour - als Soldat 1968 in Mittelvietnam stationiert - zur gleichen Zeit in ungezählten Briefen und Petitionen an Kongressabgeordnete, Senatoren und Journalisten immer wieder, was ihm Calleys Männer über den 16. März 1968 erzählt haben - bis auch die Army einräumt, dass an jenem Tag "die Dinge etwas aus dem Ruder gelaufen sind". Sie ringt sich zu halbherzigen und zähen Recherchen durch, bei denen zu guter Letzt ein Einzeltäter übrig bleibt: Leutnant William Calley, kein monströser Killer, sondern ein überforderter junger Offizier, wie es heißt, dem einfach die Sicherungen durchgebrannt seien und mit ihm den Soldaten der C-Kompanie. Vorsätzliche Tötung gewiss, aber kein Mord, werden später beim Calley-Prozess die Richter sagen

"Wir hatten einen Weg gefunden, wie wir uns keine Vorwürfe zu machen brauchten", räsoniert Captain Willard in Francis Coppolas Vietnam-Film Apocalypse Now über den Umgang mit Zivilisten in Vietcong-Gebiet, "wir zerhackten sie mit Maschinengewehren in zwei Hälften und legten ihnen dann einen Verband an."

...
Hier weiterlesen:
Lutz Herden: Ausflug nach Pinkville - MY LAI 1968 * US-Truppen säubern in Südvietnam ein Vietcong-Gebiet
democracy_vietnam_mylai03

Vgl. auch: Über My Lai und besondere Morde im Krieg


Erich Fried
Antiquitätenladen in Saigon


Durchbrochene Elfenbeinkugeln
geschnitzt noch im alten Annam
umschließen kleinere Kugeln
die wieder Kugeln umschließen
alle vielfach durchbrochen
und frei beweglich
ineinander geschnitten
in mühsamer Arbeit
aus einem Stück
ohne erkennbaren Zweck
Auch der Krieg in Vietnam
ist vielfach durchbrochen
und durch die Löcher
bestaunt man kleinere Kriege
umschlossen vom großen
im Inneren frei beweglich
und hört sie rasseln
alle von Menschenhänden
in mühsamer Arbeit geschnitten
aus einem Stück

....
Sie berechnen die Masse des Nichts den Kurswert der Explosionen und die Halbierungsperiode der Intelligenz und die Transformationen von Menschen in strahlenden Staub zur Erhaltung der Energie der bestehenden Ordnung ...
Erich-Fried

Archäologie XVI

eddieedithcharles
Eddie Constantine, Edith Piaf and Charles Aznavour.
Schönen Abend noch.

G8 revisited

Zu dem Bericht vom 4. März:
Dass unsere Kinder in der Schule belastet werden, steht außer Frage. Ob das Maß jedoch so hoch ist, dass Inhalte gekürzt werden sollten, ist fraglich. Schließlich sind die Schulen die Hälfte des Jahres völlig geschlossen (104 Sonnabende und Sonntage, 80 Ferien- und Feiertage). In der verbleibenden Schulzeit fällt der Unterricht flächendeckend bis zu 20 Prozent dann irgendwie aus. Im Abiturjahr fällt der Unterricht nach den schriftlichen Arbeiten zwei Monate bis zu 95 Prozent aus. Auch 32 Schüler in einer Klasse sind immer noch ein Lehrerorganisationsproblem. Statistisch stellte der Staat schon 2001 für 13 Schüler einen Lehrer zur Verfügung (laut Bundesamt für Statistik). Das dürfte sich noch verbessert haben. Durch Abschaffung der 13. Klasse des Gymnasiums wurden bundesweit weitere 50 000 Lehrer völlig vom Unterricht befreit. Was machen die eigentlich? Und Ruhe ist das Letzte, was die Schulen brauchen. Wir leben auf keiner Insel, sondern in globaler Konkurrenz. Nicht nur in Singapur, selbst in den Niederlanden sind viele Kinder freiwillig bereits bis 20 Uhr in der Schule.
Burgwedel Gerolf K.
Gymnasiallehrer


Dies war ein Leserbrief in meiner LieblingsHAZ zu einem Artikel, in dem ich zitiert wurde. Wie auch immer: Ich finde, so etwas darf man als verantwortlicher Redakteur nicht veröffentlichen: Der Mann zeichnet immerhin mit seinem Namen und einer Berufsbezeichnung und wird durch die Veröffentlichung als pisamäßig unterste Stufe und bar jeder Kompetenz, einen Gedanken verständlich zu äußern und mit dem nächsten sinnvoll zu verknüpfen, geoutet!
Was die 50 000 Lehrer machen werden, die durch die Einführung des G8 hoffentlich völlig vom Unterricht befreit sein werden, wenn das denn eintritt, könnte ich sagen: Die schreiben den ganzen lieben langen Tag Blogs über das völlige Versagen des deutschen Schulsystems voll... Schließlich verstehen sie was davon ...

Update
... so wie Frau H-N (war wohl noch sehr früh!):
Interviews | 06.03.2008 07:20 Uhr
"Unsere Schüler müssen Freude am Lernen haben"
Elisabeth Heister-Neumann, CDU, Kultusministerin in Niedersachsen, im NDR Info Interview vom 6. März 2008


NDR Info: Muss das Turbo-Abitur für die Schüler erträglicher gemacht werden?

ElisabethHeister-Neumann: Ich bin zunächst erst einmal davon überzeugt, dass das G8-Abitur vernünftig ist. Wir sind in Deutschland quasi Schlusslicht in der Umstellung – das ist also weltweit Standard. Die andere Frage ist, wie man umsteuert vom G9 auf G8. Bei dieser Umsteuerung stellen wir fest, dass zumindest in einigen Schulen doch Klagen geführt werden, dass es nicht reibungslos läuft. Dann kommt es genau zu den Punkten, die Sie angesprochen haben – eben eine stärkere Belastung der Schülerinnen und Schüler. Das kann nicht sein. Wir müssen sehen, dass unsere Schüler auch in der Schule Freude am Lernen haben und deshalb müssen wir in die Feinheiten schauen. Das wird sicherlich heute auch noch mal Gegenstand der Diskussion während der Kultusminister-Konferenz sein.

NDR Info: Welche Feinheiten haben Sie denn da im Auge?

Elisabeth Heister-Neumann: In Niedersachsen haben wir übrigens schon angefangen, dass bei der Vermittlung der Inhalte wirklich auch darauf geachtet wird, dass die Umstellung von Rahmenrichtlinien auf curricular auch tatsächlich durchgeführt wird. (...). Wir haben bislang immer schwerpunktmäßig eine ganz bestimmte Stofffülle ins Auge gefasst und diese wird abgearbeitet. Bei dem curricular ist es so, dass man bestimmte Notwendigkeiten formuliert, mit Methodenlehre gleichzeitig und dann exemplarisch sagt – an ein, zwei, drei Beispielfällen soll gelernt werden, wie man mit diesen Fragen umgeht. Und das heißt nicht die Ansammlung von reinem Wissen, sondern das heißt, exemplarisch an bestimmten Dingen eben lernen, wie so etwas zu erlernen ist. Und das kann man sicherlich in einem Zeitraum von G8 auch erreichen.

NDR Info: Und wer müsste das dann entscheiden? Macht das dann der Lehrer jeweils vor der Klasse?

Elisabeth Heister-Neumann: Es sieht so aus, dass es von den Kultusministern der Länder über die Kultusminister-Konferenz auch sogenannte Bildungsstandards gibt - bestimmte Bereiche. Und diese Standards müssen eingehalten werden, sonst ist das gesamte Abitur natürlich in den deutschen Ländern nicht vergleichbar. Der Weg dorthin bleibt zu einem großen Teil auch wirklich der Schule vor Ort überlassen.

NDR Info: Würde das denn auch bedeuten, dass man womöglich auf ganze Fächer verzichtet?

Elisabeth Heister-Neumann: Nein, auf keinen Fall. Erstens sollte nicht auf Fächer verzichtet werden und zweitens, das mir auch ganz wichtig (...), dass wir auch die Hausaufgaben mit im Blick haben. Denn das ist etwas, wo ich die meisten Klagen höre. Dass auf der einen Seite diese Veränderung des Stoffplans, aber gleichzeitig die nicht in dem Maße durchgeführte Einbindung der Hausaufgaben ein Problem ist. (...) In seiner Freizeit muss der Schüler noch andere Dinge machen können, die für die Entwicklung und Bildung von Bedeutung sind. Und deshalb müssen die Lehrer, meines Erachtens, die Hausaufgaben stärker in die Lehrpläne miteinbeziehen.


Update vom 04.04.: Kultusministerin bleibt blass
Der unfreundliche HAZ-Artikel ist offenbar noch sehr freundlich gehalten. Teilnehmer berichten von fachlichem Desaster ....

Bodycount

Schon über 60 Tote beim aktuellen Militäreinsatz der israelischen Armee in Gaza. Das ist ganz und gar nicht schön.
„Schlimmer als der Holocaust“, sagt Mahmoud Abbas und hat damit vollkommen Recht, wenn man wie er davon ausgeht, dass der Holocaust gar nicht stattgefunden hat.
„Es handele sich um die höchste Opferzahl bei einem israelischen Militäreinsatz seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967“, stellt die EU-Ratspräsidentschaft erschrocken fest.
Und tatsächlich: Noch mal so viele Tote, und das
Massaker“ erreicht die Ausmaße des von der Hamas initiierten „Bruderkampfes“ vor knapp einem Jahr in Gaza, als sich Palästinenser gegenseitig abknallten.

Seitdem herrscht die Hamas über Gaza. Täglich wird von dort aus die israelische Zivilbevölkerung beschossen. Und in Israel wird seit Jahr und Tag darüber diskutiert, wie man darauf reagieren solle. Erste Option: militärisch eingreifen oder, zweite Option: den Forderungen der Gaza-Palästinenser entgegenkommen?
Letzteres ist gar nicht so einfach, weil keine Forderungen bekannt sind.
„Ende der Besatzung“? Gibt es schon seit drei Jahren. Und eine Öffnung der Grenzen kann ja wohl kaum eine Forderung der Palästinenser sein, wenn ihr Hauptziel ein souveräner eigener Staat ist. Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Raketenangriffe auf israelische Bürger hatten und haben nur einen Sinn: Die israelische Armee zum Eingreifen zu zwingen. Also bitte, Ziel erreicht. Israel hat sich letztlich doch für die zweite Option entschieden.

Quelle: Planet Hop
vom 2. März 2008

2 Tipps

1. Open Source Jahrbuch 2008 kostenlos downloaden
Die Technische Universität Berlin hat das neue Nachschlagewerk "Open Source Jahrbuch 2008" zum kostenlosen Download ins Netz gestellt. Unter dem Motto "Zwischen freier Software und Gesellschaftsmodell" haben die Fach-Autoren wieder interessante Kapitel zu den ökonomischen und gesellschaftlichen Aspekten des Phänomens Open Source und freier Content verfasst.

2. Am 26. Februar diskutierten in der Reihe SWR2-Forum Otto Depenheuer, Reinhard Merkel und Herbert Prantl das Thema "Werden die Grundrechte ausgehölt?"(mp3).
Ich bewundere Herrn Prantl dafür sehr, dass er bei den Ausführungen von Herrn Depenheuer die Contenance waren konnte. Mir hat es teilweise bei dessen Äußerungen kalte Schauer über den Rücken gejagt. So weit sind wir also schon wieder? Unbedingt anhören, diese Diskussion hilft beim Aufwachen und beim Sinne schärfen.

via Interessante Zeiten

Alter Mann im Reading Room

logo_rr Die FAZ hat einen eingerichtet für Martin Walser, genauer für seinen neuen Roman, den sie auch vorab oder nur druckt. Was insofern erstaunt, als vor nicht allzu langer Zeit (2002) Schirrmacher Walser einen Brief schrieb, den er auch gleich veröffentlichte, in dem er ihm erklärte, warum die FAZ seinen Roman "Tod eines Kritikers" nicht abdrucken wolle: der sei antisemitisch! (Perlentaucher hat die Auseinandersetzung um den Roman dokumentiert.) Am treffendsten in dieser Debatte wohl Klaus Theweleit (über die Geschäftemacherei mit dem Antisemitismus), der den Vorgang einen "primitiven Rattenkrieg" nennt. Theweleit hält "sowohl Walser als auch Reich-Ranicki, seit dreißig Jahren schon, für absolut amoralische Typen: für Maulhelden, die jede Gelegenheit beim Schwanz packen, sich selbst ins Öffentliche zu schieben, egal womit". Wäre der Roman "Tod eines Kritikers" von einem unbekannten Autor, wäre er ignoriert worden. Für ihn sei Walser auch kein Nationalkonservativer, denn er habe keine Ideologie, "außer jener, im Mittelpunkt stehen zu müssen." Walser, Ranicki, Schirrmacher verfolgten vor allem Eigeninteressen: "Das sind Markt-Machos, die sich auf ekelhafteste Weise ihre Taschen füllen." Theweleit sieht Missbrauch von allen Seiten. Auch was die aktuellen Debatten um Israel betreffe: Deutsche hätten dazu die "Klappe" zu halten. "Alles andere ist unanständig."
Unanständig ist dann auch der FAZ-ReadingRoom, denn man geht doch wohl nicht in den Room mit dem, den man neulich einen Antisemiten nennen musste. Es sei denn, man hätte nicht gemusst. Oder es war halt nicht so schlimm.
martin_walser260- Mit Theweleits Analyse kommt man weiter; sie kann aber auch nicht erklären, warum einer, der in seinen Romanen bis Anfang der 80er Jahre die Kleinbürger der alten BRD so gnadenlos sezieren konnte (Anselm Kristlein!), mit der Entdeckung seines Leidens an der deutschen Teilung (Dorle und Wolf) abzudrehen begann. Es sei denn, man nehme an, Walser habe immer nur verkaufen wollen. Dazu aber war er zu gut, und manchmal ist er es auch jetzt noch - und daher hier der Hinweis, dass im erwähnten Room auf Walsers Lesungen aus seinem neuen Roman "Ein liebender Mann" (auf NDR Kultur) verlinkt wird: Von Zeit zu Zeit hör ich den Alten gern ... (auch wenn ich nicht den ganzen Roman lesen wollte: alter Mann und junge Frau, das nervt: vgl. auch Roths Zuckerman)
Gehen Sie. Jede Sekunde Ihrer Gegenwart ist … eine … Revolution. Ich habe Angst.
Sie sah ihn an, sagte nichts.
Jetzt sind Ihre Augen grün, sagte er. Rein grün.
Ich finde Angst nicht schlimm, sagte sie in einem lauten, harmlosen, nichtsnutzigen Umgangston.
Und er: Es wäre schön, einen Menschen zu haben, der genau die Angst empfindet, die man selber hat. Das wäre Nähe. Das wäre die Nähe selbst.
Oh, sagte sie, das ist wieder so ein Satz von Ihnen. Einen Menschen haben, der genau die Angst empfindet, die man selbst hat. Exzellenz, darf ich sagen, was ich denke?
Wer mir nicht sagt, was er denkt, beleidigt mich, sagte er. Schon wieder so ein Satz. Von Ihnen. Ihre Sätze wirken auf mich immer so endgültig. Kein Nachdenken mehr möglich oder nötig. Es ist, wie es ist beziehungsweise wie Sie es gesagt haben. Ich finde den Physik- und Chemieunterricht immer am spannendsten, weil da etwas passiert. Es kommt etwas heraus. Durch eine Versuchsanordnung. Wenn wir, natürlich nur Sie und ich, mit Ihren Sätzen oder überhaupt mit Sätzen, die diesen Geltungston haben, experimentieren würden, wäre das unerlaubt oder interessant?
Und er: Je unerlaubter, um so interessanter.
Schon wieder so eine Satzhoheit, sagte Ulrike, lachte aber ganz fröhlich. Also, sagte sie dann, bevor Sie weitere Erlasse erlassen, vielleicht waren Sie zu lange Staatsminister, komme ich jetzt und sage: Alle diese Sätze sind, wenn man sie umdreht, genau so wahr.
Goethe konnte nicht weniger fröhlich sagen, dass Ulrikes Satz an Gesetzhaftigkeitsdrang seine Sätze bei weitem übertreffe.
Aber, sagte Ulrike, ich trete sofort den Beweis an, dass das Gegenteil genau so wahr klingt. Ich sage nicht, ist, sondern klingt.
Ich bitte darum, sagte er.
Sie: Es wäre schön, einen Menschen zu haben, der genau die Angst nicht hat, unter der man selber leidet.
Er: Weiter!
Sie: Wer mir sagt, was er denkt, beleidigt mich. Bitte, Exzellenz, nicht jetzt prüfen, ob das mit Ihrer Erfahrung sich decke, nur, ob es genau so wahr klinge wie das Gegenteil.
Ulrike, sagte er, Sie werden mir auf die erwünschteste Weise gefährlich. Bitte, drehen Sie diesen Satz nicht um. Für heute reicht es.
Grollen Sie jetzt, Exzellenz?

Subprime in a nutshell

subprime

via NachDenkSeiten

Dylans Biographie revisited

plakat_180Günter Amendt rezensiert im Freitag "I´m not there" (und zeigt dabei auch, was Filmkritik leisten kann/muss .... siehe einen weiter unten!):

...
Haynes´ Film wäre wohl schon bald von der Bildfläche verschwunden, hätte er nicht Cate Blanchett als Jude Quinn einen großen Auftritt verschafft, der ihr bereits diverse Preise und eine Oscar-Nominierung eingebracht hat.
cate180_Blanchett spielt den hypernervösen, von Amphetaminen getriebenen und vom Starruhm gestressten Dylan der Jahre 1965 und 1966. Die optische, gestische und mimische Ähnlichkeit mit dem Original ist verblüffend. Die Episode ist inszeniert als Remake von D.ÊA. Pennebakers Don´t Look Back unter Einbeziehung von Murray Lerners Newport-Material, das in einer 80-Minuten-Fassung erst vor Kurzem unter dem Titel The Other Side Of The Mirror veröffentlicht wurde. Auch Martin Scorseses No Direction Home wurde als Vorlage benutzt. Doch was soll das? Welchen Sinn macht es, eine bereits inszenierte Realität noch einmal zu inszenieren, wenn am Ende nicht mehr herauskommt als eine Verdoppelung ohne Erkenntnisgewinn und ästhetischen Mehrwert? Die in Schwarzweiß gehaltenen Szenen verlieren schnell ihren Reiz und kippen ins Komische. Auch die Auftritte des Allen-Ginsberg-Doubles und die Szene, in der sich das Albert-Grossman-Double und das Pete-Seeger-Double hinter der Bühne prügeln sind nur komisch. Reines Laientheater. Und je länger man Blanchett bei der Vorführung ihrer Kunstfertigkeit zuschaut, desto mehr beschleicht einen das Gefühl, in eine kinematografische Karaoke-Show geraten zu sein. Es muss ein Film, wie der von Todd Haynes gewesen sein, der Adorno zu dem Aphorismus veranlasst hat: Am Film stören mich nur die Bilder.

Dontlookback

Gotenhafen revisited - ein Seelischer Stunt

Vorbemerkung: Aus aktuellem Anlass wird hier ein Eintrag vom 6.4.07 wiederverwertet. Die Lohnschreiber verwerten ja auch ihre Wiederverwertung der ZDF-Pressemappen anlässlich der Ausstrahlung wieder! Dass sich seitdem nichts geändert hat (wie auch?), beweist Grimm heute: Es war die größte Katastrophe der Seefahrtsgeschichte und lange Zeit eine kaum vernarbte Wunde in der Seele der Deutschen, ein deutsches Trauma, das bisher erst einmal verfilmt wurde („Nacht fiel über Gotenhafen“ von 1959) und dann 2002 wieder ans Licht geholt wurde durch Günter Grass’ Novelle „Im Krebsgang“. Sein Buch löste damals eine überfällige Debatte über Deutsche als Opfer des selbstverschuldeten Krieges aus.
Die „Gustloff“ – das war ein Sehnsuchtsort für Tausende. „Gustloff“ hieß: Die letzte Chance auf Rettung. Ein großer Film hätte das werden können. Doch Regisseur Joseph Vilsmaier, sonst ausgewiesener Fachmann für die Kriegszeit – von „Rama Dama“ (1991) bis zu „Stalingrad“ (1993) und „Der letzte Zug“ (2006) –, lässt die Chance aus, das Schiff als mystischen Ort zu inszenieren, als Ziel von verzweifelten Hoffnungen. Es liegt einfach im Hafen, von der ersten Filmminute an.
Schiff als mystischer Ort kommt gut, einfach im Hafen liegen ist doof = Filmkritik. Seinerzeit also schrieb ich:

Gerade bricht die Gräfin auf dem Eis ein (Tabu) und ich denk noch, Ferch spielt den Kapitän der Wilhelm Gustloff, da wird schon wieder endlich ein Tabu gebrochen und

Valerie Niehaus spielt die Marinehelferin Erika Galetschky, Kai Wiesinger den „Gustloff“-Kapitän Hellmut Kehding. (HAZ, 04.04.07)
Gotenhafen-revisited

Und Herr Grimm von der HAZ wird langsam zum Lordsiegelbewahrer des neudeutschen Tabubruchs (oder auch zum Herrn der Minen*):

„Flucht und Vertreibung“ (so der von der ARD ursprünglich geplante Titel) – das ist politisch vermintes Gelände, noch immer. ... (Grimm in der HAZ am 28.02.07)

Jahrzehntelang war das Drama nicht nur „politisch brisant“, wie ZDF-Redakteur Klaus Bassiner sagt. Es war politisch vermint. (Grimm in der HAZ am 04.04.07)

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(Langsam schwant mir auch, wer die Minenleger gewesen sein müssen: Wenn Wisbar Nacht fiel über Gotenhafen 1959 drehen und 1960 aufführen konnte, muss das ja in den 60ern passiert sein ... Und seitdem war alles tabuisiert, was deutsches Leid thematisieren wollte: Keine Flakhelfer-Kurzgeschichten von Böll, keine Borchert-Schmonzetten in deutschen Lesebüchern mehr!?** - Nur gut, dass die Vertriebenenverbände über all die Jahre gerettet werden konnten!)

Nun weiß Grimm aber ganz viel über das Projekt, u.a. dass Heinz Schön, der live dabei war und schon Wisbar beraten hat (seitdem gilt der heute 81-Jährige als „Lordsiegelbewahrer der ,Gustloff‘-Geschichte“...), auch diesmal wieder - den Drehbuchautor Rainer Berg - inspirierend tätig war:
„Wir haben viele Tage und Nächte zusammengesessen“, sagt Berg. Die „Gustloff“ sei „der Untergang eines Traumschiffes als Sinnbild für den Untergang des Dritten Reiches“.
Wollen wir an diesen Satz mal ran? Da hat offenbar der alte KdF-Siegelbewahrer dem Berg so zugesetzt, dass ihm Satzbau und alle Metaphern verrutscht sind. Oder- fast wahrscheinlicher - die Tabubrecher denken so:
Einen der Kapitäne, Hellmut Kehding, spielt Wiesinger. „Das ist schon sehr starker Tobak“, sagt der 40-jährige Hannoveraner. „Es gibt Rollen, die spielen sich von alleine. Das ist hier anders.“ „Meine Großmutter hat sich mit meiner Mutter im Arm aus einem unter Beschuss stehenden Zug in den Wald gerettet“, erzählt Valerie Niehaus. „Wir alle haben diese Geschichten in unseren Seelen. Und wir dürfen und müssen uns damit beschäftigen.“ Ein „seelischer Stunt“ sei dieser Film. „Hier geht es um Herz und Mut.“

Stunt kommt aus dem Englischen und heißt soviel wie „besonders geschicktes oder gewagtes Kunststück“. Das Wort ist jedoch schon sehr eingedeutscht und wird vorrangig im Bezug auf Filmaufnahmen verwendet, bei denen die gefährlichen Szenen, die den Stars nicht zugemutet werden sollen, durch Stuntmen oder Stuntwomen erledigt werden.
Es gibt viele verschiedene Arten von Stunts. Die häufigsten sind:
* Stürze, z. B. von Treppen oder Gebäuden
* Sprünge z. B. aus Fenstern
* Inszenierte Kämpfe, auch mit (Schuss-) Waffen...
* Stunts mit Fahrzeugen z. B. Unfälle, Trickfahren
Die Stuntfirmen bieten meist komplette Leistungen an, als sogenannte 2nd Unit (Second Unit).


Seelischer Stunt, Herz und Mut ... so redet sie und so glotzt sie auch, die deutsche Marinehelferin von der Second Unit der Ufa ("inspiring people")

Nachträge:

* Bei "Minen" fällt mir immer Boris Vians "Die Ameisen" ein:
Ich stehe immer noch auf der Mine. Heute morgen sind wir auf Patrouille gegangen, und wie immer ging ich als letzter, sie sind alle daran vorbei gelaufen, aber ich habe das Klicken unter meinem Fuß gehört und bin sofort stehengeblieben. Die Dinger gehen erst los, wenn man seinen Fuß wegnimmt. Ich habe den anderen zugeworfen, was ich einstecken hatte und habe ihnen gesagt, sie sollen weggehen. Ich bin ganz allein. Ich soll warten, bis sie wiederkommen, aber ich habe ihnen gesagt, sie sollen nicht wiederkommen, und ich könnte versuchen, mich flach auf den Bauch zu werfen, aber ich habe Angst, dann vielleicht ohne Beine leben zu müssen. Ich habe nur mein Notizbuch und den Bleistift behalten. Ich werde sie wegwerfen, bevor ich mich auf das andere Bein stelle, und das muß ich, weil ich den Krieg satt habe und weil mir die Ameisen kommen.
[frz: j' ai les fourmilles = mir schläft (hier: das Bein) ein]
Vian verdient eine eigene Würdigung - hier erstmal dieser Hinweis und der Anfang der Geschichte. Ich kann das nicht genau rekonstruieren, aber vermutlich ist diese Geschichte der eigentliche Auslöser für meine Kriegsdienstverweigerung gewesen. Kennen gelernt habe ich Vian durch Werner Rosenthal, den Vater eines Freundes, der ein großer Kafka-Verehrer war und daher den Wagenbach-Verlag gut kannte; - in den 60er Jahren in Schule und Medien eher ein Tabu, Herr Grimm! Vian ist wohl auch ein gutes Beispiel dafür, dass Krieg literarisch anders zu verarbeiten ist als in deutscher Larmoyanz. Aber vielleicht braucht man dafür auch die Gnade der nicht-deutschen Geburt ...

** Jan Philipp Reemstma hat in einem bemerkenswerten Aufsatz (in einem bemerkenswerten Heft : Mittelweg 36 zum Thema "Aspekte der Nachkriegsliteratur", 1992) am Beispiel von Borcherts "Draußen vor der Tür" die adoleszente Geschwätzigkeit und den Kitsch der deutschen Nachkriegsliteratur nachgewiesen. Hier ein Auszug.

NadelUndHirn weist auf einen interessanten Text hin:
Chotjewitz, Peter O.: Mord als Katharsis, in: Kreuzer, Helmut [Hg.]: Emil Ludwig und Peter O. Chotjewitz: Der Mord in Davos. Texte zum Attentatsfall David Frankfurter, Wilhelm Gustloff, Herbstein 1986, S. 119-209.

Rolf Lyssy hatte schon 1974 in «Konfrontation» anhand von Gerichtsakten den Fall rekonstruiert, der 1936 weit über die Schweizer Grenze hinaus Aufmerksamkeit erregte. Der Rabbinersohn David Frankfurter, der sein in Deutschland begonnenes Medizinstudium an der Universität Bern weiterführt, ist bestürzt über die nationalsozialistische Judenverfolgung. Um ein Zeichen zu setzen, erschiesst er am 4. Februar 1936 in Davos den Leiter der Landesgruppe Schweiz der NSDAP, Wilhelm Gustloff. Der Prozess in Chur findet unter starkem Druck aus Deutschland statt. Latenter Antisemitismus durchzieht die Verhandlungen, das Gericht lässt weder politische noch psychologische Motive gelten und verurteilt Frankfurter zu 18 Jahren Zuchthaus und anschliessender Landesverweisung. 1945 erfolgt die Begnadigung, danach wandert Frankfurter nach Israel aus, wo er am Schluss des Films interviewt wird. Er bereut nichts.

wilhelmg8 Traumschiff in Gotenhafen



Bei Gotenhafen fällt mir ein, dass Robert Harris in "Vaterland" eine Karte des Großdeutschen Reiches in den Grenzen von 1964 hat (... sollten doch die Krim Gotenland und Sewastopol Theoderichshafen heißen... Das war schon so fertig wie die Nummernschilder der DDR-Kreise sofort nach dem Beitritt!)

Harris hatte die geniale Idee, die Geschichte 1942 anzuhalten und ihr eine andere Wendung zu geben, derzufolge die deutsche Wehrmacht nicht in Stalingrad steckenblieb, sondern bis in den Kaukasus und den Ural weitermarschierte. Dort allerdings wird sie in einen aufreibenden, von den Amerikanern unterstützten Partisanenkampf verwickelt. Die europäischen Länder haben längst ihre Souveränität verloren, und was heute als europäische Idee in langwierigen Verhandlungen nur zäh vorankommt, hat Deutschland unter seiner Vormachtstellung schon längst verwirklicht. Grossdt-Reich-1964Im gesamten Reich ist Deutsch Unterrichtssprache, die Reichsmark ist die Einheitswährung und der Volkswagen das Auto für den kleinen Mann. Das Europaparlament hat seinen Sitz in Berlin, wo Albert Speer seine gigantischen Pläne verwirklicht hat und sich das Empire State Building wie Spielzeug ausnimmt. Der St. Peters-Dom, wird dem staunenden Touristen erzählt, paßt sechzehn Mal in den Dom von Speers Großer Halle. (hier weiter zu dem Roman und der Geschichte seiner (fast nicht) Veröffentlichung)
Nachtrag zu der Karte:
Interessant, dass sie den Balkan fast so abbildet, wie er (jedenfalls was Serbien angeht) bald aussieht!

Was die Öffentlich-Rechtlichen so anbieten:
Reich bebilderte Informationen zur Wilhelm Gustloff und ihrer letzten Reise und ihren Passagieren auf den Seiten von Radio Bremen

Nützliches Wissen III - Geld II

Mittel gegen Depressionen

Hätten die Experten der internationalen Finanzwelt im Juni 2002 den Beitrag des KONKRET-Chefanalysten Stefan Frank gelesen, stünden sie jetzt vielleicht nicht da wie die Kuh, wenn's donnert.

"Amy Wong ist geschockt. Ihr Blick ruht auf der höchsten Kreditkartenabrechnung seit Monaten. "Ich weiß nicht, woran es liegt", stöhnt sie und blickt wieder verstört auf das Blatt. Amerikas Ökonomen freuen sich insgeheim über solche Probleme. Das Vertrauen der amerikanischen Verbraucher in ihre Wirtschaft ist zurückgekehrt".

"Handelsblatt", April 2002

"The fundamental business of the country, that is, production and distribution of commodities, is on a sound and prosperous basis".

US-Präsident Herbert Hoover, Oktober 1929

Eine Rezession erkennt man daran, daß der Aufschwung sich ankündigt. Kündigt er sich sehr häufig an, ist es eine sehr schwere Rezession. Weil dann alle deprimiert sind, spricht man auch von einer Depression.

Ein Patient, dem der Arzt sagt, er brauche sich keine Sorgen zu machen, sollte fragen: "Ist es wirklich so ernst?" Doch wenn der Patient unter dem narkotisierenden Einfluß der Wirtschaftspresse steht, fragt er das nicht mehr. "U.S. economy roars ahead at 5,8 % rate." Diese Botschaft stand kürzlich in großen Buchstaben auf der Titelseite einer amerikanischen Tageszeitung. "Roars" klingt wie das Motorengeräusch eines großen Autos, und 5,8 Prozent sind sehr viel.

Käme es in den USA zu einer Depression, wären darüber alle so traurig, daß es in Deutschland gleich auch eine gäbe, vielleicht käme sie sogar bis nach Hannover. Deshalb ist es wichtig, daß "wir alle aufpassen" (Gerhard Schröder) und das verhindern.

Depressionen in den USA bekämpft man am besten, indem man das Borgen von Geld erleichtert. Dr. Greenspan senkt die Zinsen dann in geraden Monaten um 0,25, in ungeraden um 0,5 Prozentpunkte, oder aber je nach Wetter. Für die, denen das noch zu wenig ist, vergißt er dabei nie anzukündigen, daß sie durchaus noch weiter ermäßigt werden können. Im letzten Jahr fielen die Leitzinsen um insgesamt 4,75 Prozentpunkte. Als sie das letzte Mal so niedrig waren, war Kennedy noch nicht tot.

Niedrige Zinsen führen dazu, daß Amerikaner anfangen, Häuser zu kaufen. Deshalb stiegen die Immobilienpreise im vergangenen Jahr um durchschnittlich 5 bis 10 Prozent, in Kalifornien sogar um über 20 Prozent, obwohl dort im Sommer immer der Strom ausfällt. In diesem Jahr werden wohl 6 Millionen Immobilien ihren Besitzer wechseln. Häuser kaufen kann jeder. Dafür gibt es Baufinanzierer: "Bay Area Lending: No verification of your stated income. No verification of your stated assets. First mortgages, no limit." Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten! No limit! Um 10 Prozent auf 5,4 Billionen Dollar stieg die Hypothekenschuld der privaten Haushalte im vergangenen Jahr. Damit konnte die Unternehmensverschuldung (5 Billionen Dollar) knapp überflügelt werden.

[...]

Ich sag's doch immer: Jeder (Bank-) Vorstand sollte sich einen guten marxistischen Ökonomen halten ...

Nützliches Wissen II - Geld

<562>||XLI| Wenn die Empfindungen, Leidenschaften etc. des Menschen nicht nur anthropologische Bestimmungen im [engeren] Sinn, sondern wahrhaft ontologische Wesens-(Natur-)bejahungen sind – und wenn sie nur dadurch wirklich sich bejahen, daß ihr Gegenstand sinnlich für sie ist, so versteht sich, 1. daß die Weise ihrer Bejahung durchaus nicht eine und <563>dieselbe ist, sondern vielmehr die unterschiedne Weise der Bejahung die Eigentümlichkeit ihres Daseins, ihres Lebens bildet; die Weise, wie der Gegenstand für sie, ist die eigentümliche Weise ihres Genusses; 2. da, wo die sinnliche Bejahung unmittelbares Aufheben des Gegenstandes in seiner selbständigen Form ist (Essen, Trinken, Bearbeiten des Gegenstandes etc.), ist dies die Bejahung des Gegenstandes; 3. insofern der Mensch menschlich, also auch seine Empfindung etc. menschlich ist, ist die Bejahung des Gegenstandes durch einen andren, ebenfalls sein eigner Genuß; 4. erst durch die entwickelte Industrie, i.e. durch die Vermittlung des Privateigentums, wird des ontologische Wesen der menschlichen Leidenschaft sowohl in seiner Totalität als in seiner Menschlichkeit; die Wissenschaft vom Menschen ist also selbst ein Produkt der praktischen Selbstbetätigung des Menschen; 5. der Sinn des Privateigentums – losgelöst von seiner Entfremdung – ist das Dasein der wesentlichen Gegenstände für den Menschen, sowohl als Gegenstand des Genusses wie der Tätigkeit. –

Des Geld, indem es die Eigenschaft besitzt, alles zu kaufen, indem es die Eigenschaft besitzt, alle Gegenstände sich anzueignen, ist also der Gegenstand im eminenten Besitz. Die Universalität seiner Eigenschaft ist die Allmacht seines Wesens; es gilt daher als allmächtiges Wesen … Das Geld ist der Kuppler zwischen dem Bedürfnis und dem Gegenstand, zwischen dem Leben und dem Lebensmittel des Menschen. Was mir aber mein Leben vermittelt, das vermittelt mir auch das Dasein der andren Menschen für mich. Das ist für mich der andre Mensch.

"Was Henker! Freilich Händ’ und Füße
Und Kopf und Hintre, die sind dein!
Doch alles, was ich frisch genieße,
Ist des drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann
Sind ihre Kräfte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann
Als hätt’ ich vierundzwanzig Beine."
Goethe, Faust (Mephisto) [33]

Shakespeare im Timon von Athen:

"Gold? Kostbar, flimmernd, rotes Gold? Nein, Götter!
Nicht eitel ficht’ ich.
So viel hievon macht schwarz weiß, häßlich schön;
Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel.
Dies lockt … den Priester vom Altar;
Reißt Halbgenesnen weg das Schlumrnerkissen:
<564>Ja, dieser rote Sklave lost und bindet
Geweihte Bande; segnet den Verfluchten;
Er macht den Aussatz lieblich, ehrt den Dieb
Und gibt ihm Rang, gebeugtes Knie und Einfluß
Im Rat der Senatoren; dieser führt
Der überjähr’gen Witwe Freier zu;
Sie, von Spital und Wunden giftig eiternd,
Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch
Zu Maienjugend dies. Verdammt Metall,
Gemeine Hure du der Menschen, die
Die Völker tört"

Und weiter unten:

"Du süßer Königsmörder, edle Scheidung
Des Sohns und Vaters! glänzender Besudler
Von Hymens reinstem Lager! tapfrer Mars!
Du ewig blüh’nder, zartgeliebter Freier,
Des roter Schein den heil’gen Schnee zerschmelzt
Auf Dianas reinem Schoß! sichtbare Gottheit,
Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst,
Zum Kuß sie zwingst! du sprichst in jeder Sprache,
||XLII| Zu jedem Zweck! o du, der Herzen Prüfstein!
Denk, es empört dein Sklave sich, der Mensch!
Vernichte deine Kraft sie all verwirrend,
Daß Tieren wird die Herrschaft dieser Welt!" [34]

Shakespeare schildert das Wesen des Geldes trefflich. Um ihn zu verstehn, beginnen wir zunächst mit der Auslegung der goethischen Stelle.

Was durch das Geld für mich ist, was ich zahlen, d. h., was das Geld kaufen kann, das bin ich, der Besitzer des Geldes selbst. So groß die Kraft des Geldes, so groß ist meine Kraft. Die Eigenschaften des Geldes sind meine – seines Besitzers – Eigenschaften und Wesenskräfte. Das, was ich bin und vermag, ist also keineswegs durch meine Individualität bestimmt. Ich bin häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen. Also bin ich nicht häßlich, denn die Wirkung der Häßlichkeit, ihre abschreckende Kraft ist durch das Geld vernichtet. Ich – meiner Individualität nach – bin lahm, aber das Geld verschafft mir 24 Füße; ich bin also nicht lahm; ich bin ein schlechter, unehrlicher, gewissenloser, geistloser Mensch, aber das Geld ist geehrt, also auch sein Besitzer. Das Geld ist das höchste Gut, also ist sein Besitzer gut, das Geld überhebt mich überdem der Mühe, unehrlich zu sein; ich werde also als ehrlich präsumiert; ich bin geistlos, aber das Geld ist der wirkliche Geist aller Dinge, wie sollte sein Besitzer geistlos sein? Zudem <565>kann er sich die geistreichen Leute kaufen, und wer die Macht über die Geistreichen hat [1*], ist der nicht geistreicher als der Geistreiche? Ich, der durch das Geld alles, wonach ein menschliches Herz sich sehnt, vermag, besitze ich nicht alle menschlichen Vermögen? Verwandelt also mein Geld nicht alle meine Unvermögen in ihr Gegenteil?

Wenn das Geld das Band ist, das mich an das menschliche Leben, das mir die Gesellschaft, das mich mit der Natur und den Menschen verbindet, ist das Geld nicht das Band aller Bande? Kann es nicht alle Bande lösen und binden? Ist es darum nicht auch das allgemeine Scheidungsmittel? Es ist die wahre Scheidemünze, wie das wahre Bindungsmittel, die […] [2*] chemische Kraft der Gesellschaft.

Shakespeare hebt an dem Geld besonders 2 Eigenschaften heraus:

1. Es ist die sichtbare Gottheit, die Verwandlung aller menschlichen und natürlichen Eigenschaften in ihr Gegenteil, die allgemeine Verwechslung und Verkehrung der Dinge; es verbrüdert Unmöglichkeiten;

2. Es ist die allgemeine Hure, der allgemeine Kuppler der Menschen und Völker.

Die Verkehrung und Verwechslung aller menschlichen und natürlichen Qualitäten, die Verbrüderung der Unmöglichkeiten – die göttliche Kraft –des Geldes liegt in seinem Wesen als dem entfremdeten, entäußernden und sich veräußernden Gattungswesen der Menschen. Es ist das entäußerte Vermögen der Menschheit.

Was ich qua Mensch nicht vermag, was also alle meine individuellen Wesenskräfte nicht vermögen, das vermag ich durch das Geld. Das Geld macht also jede dieser Wesenskräfte zu etwas, was sie an sich nicht ist, d. h. zu ihrem Gegenteil.

Wenn ich mich nach einer Speise sehne oder den Postwagen brauchen will, weil ich nicht stark genug bin, den Weg zu Fuß zu machen, so verschafft mir das Geld die Speise und den Postwagen, d.h., es verwandelt meine Wünsche aus Wesen der Vorstellung, es übersetzt sie aus ihrem gedachten, vorgestellten, gewollten Dasein in ihr sinnliches, wirkliches Dasein, aus der Vorstellung in das Leben, aus dem vorgestellten Sein in das wirkliche Sein. Als diese Vermittlung ist das [Geld] die wahrhaft schöpferische Kraft.

Die demande [3*] existiert wohl auch für den, der kein Geld hat, aber seine demande ist ein bloßes Wesen der Vorstellung, das auf mich, auf den 3ten, <566>auf die [anderen] ||XLIII| keine Wirkung, keine Existenz hat, also für mich selbst unwirklich, gegenstandlos bleibt. Der Unterschied der effektiven, auf das Geld basierten und der effektlosen, auf mein Bedürfnis, meine Leidenschaft, meinen Wunsch etc. basierten demande ist der Unterschied zwischen Sein und Denken, zwischen der bloßen in mir existierenden Vorstellung und der Vorstellung, wie sie als wirklicher Gegenstand außer mir für mich ist.

Ich, wenn ich kein Geld zum Reisen habe, habe kein Bedürfnis, d.h. kein wirkliches und sich verwirklichendes Bedürfnis zum Reisen. Ich, wenn ich Beruf zum Studieren, aber kein Geld dazu habe, habe keinen Beruf zum Studieren, d.h. keinen wirksamen, keinen wahren Beruf. Dagegen ich, wenn ich wirklich keinen Beruf zum Studieren habe, aber den Willen und das Geld, habe einen wirksamen Beruf dazu. Das Geld – als das äußere, nicht aus dem Menschen als Menschen und nicht von der menschlichen Gesellschaft als Gesellschaft herkommende allgemeine – Mittel und Vermögen, die Vorstellung in die Wirklichkeit und die Wirklichkeit zu einer bloßen Vorstellung zu machen, verwandelt ebensosehr die wirklichen menschlichen und natürlichen Wesenskräfte in bloß abstrakte Vorstellungen und darum Unvollkommenheiten, qualvolle Hirngespinste, wie es andrerseits die wirklichen Unvollkommenheiten und Hirngespinste, die wirklich ohnmächtigen, nur in der Einbildung des Individuums existierenden Wesenskräfte desselben zu wirklichen Wesenskräften und Vermögen verwandelt. Schon dieser Bestimmung nach ist es also schon die allgemeine Verkehrung der Individualitäten, die sie in ihr Gegenteil umkehrt und ihren Eigenschaften widersprechende Eigenschaften beilegt.

Als diese verkehrende Macht erscheint es dann auch gegen das Individuum und gegen die gesellschaftlichen etc. Bande, die für sich Wesen zu sein behaupten. Es verwandelt die Treue in Untreue, die Liebe in Haß, den Haß in Liebe, die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Knecht in den Herrn, den Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand, den Verstand in Blödsinn.

Da das Geld als der existierende und sich betätigende Begriff des Wertes alle Dinge verwechselt, vertauscht, so ist es die allgemeine Verwechslung und Vertauschung aller Dinge, also die verkehrte Welt, die Verwechslung und Vertauschung aller natürlichen und menschlichen Qualitäten.

Wer die Tapferkeit kaufen kann, der ist tapfer, wenn er auch feig ist. Da das Geld nicht gegen eine bestimmte Qualität, gegen ein bestimmtes Ding, menschliche Wesenskräfte, sondern gegen die ganze menschliche und <567>natürliche gegenständliche Welt sich austauscht, so tauscht es also – vom Standpunkt seines Besitzers angesehn – jede Eigenschaft gegen jede – auch ihr widersprechende Eigenschaft und Gegenstand – aus; es ist die Verbrüderung der Unmöglichkeiten, es zwingt das sich Widersprechende zum Kuß.

Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältnis zur Welt als ein menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Liebe austauschen, Vertrauen nur gegen Vertrauen etc. Wenn du die Kunst genießen willst, mußt du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein; wenn du Einfluß auf andre Menschen ausüben willst, mußt du ein wirklich anregend und fördernd auf andere Menschen wirkender Mensch sein. Jedes deiner Verhältnisse zum Menschen – und zu der Natur – muß eine bestimmte, dem Gegenstand deines Willens entsprechende Äußrung deines wirklichen individuellen Lebens sein. Wenn du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, d. h., wenn dein Lieben als Lieben nicht die Gegenliebe produziert, wenn du durch deine Lebensäußrung als liebender Mensch dich nicht zum geliebten Menschen machst, so ist deine Liebe ohnmächtig, ein Unglück. |XLIII|| Ökonomisch-philosophische Manuskripte
marx
marx1











Eine der schönsten Passagen in seinem Werk ... Man bedenke:
Jedes deiner Verhältnisse zum Menschen – und zu der Natur – muß eine bestimmte, dem Gegenstand deines Willens entsprechende Äußrung deines wirklichen individuellen Lebens sein. - und frage nach den Bedingungen, unter denen wirklich individuelles Leben in diesem Sinne denkbar ist ...


Im Sinne der Verbreitung nützlichen Wissens hier nochmal der Hinweis auf die OnlineMEW.
Oder auch hier nochmal ...

Update 2010:
dctp.tv: Philosophie des Geldes

Das Bürgertum zerfällt

Mehr als ein Jahrhundert unterstützten die akademischen Eliten verlässlich zunächst liberale, dann konservative Parteien. Der säkulare Wechsel der politischen Einstellung in dieser Klasse kultureller Deuter, die den Zeitgeist prägt, ist eine der folgenreichsten Zäsuren in der Geschichte des deutschen Bürgertums. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass zunächst rot-grüne Mehrheiten entstanden und nun Rot-Rot-Grün eine (mindestens) arithmetische Majorität besitzt. Zugleich hat die politische Neuorientierung eines Teils des Bürgertums wesentlich zum Zerfall des altbürgerlichen Lagers beigetragen.
Auch die Landtagswahlen des Jahres 2008 sind von dem Zerfall des Bürgertums geprägt. In Hessen, Niedersachsen und Hamburg fiel die Distanz zur „bürgerlichen“ CDU in keiner anderen Gruppe derart signifikant groß aus wie bei den Wählern mit Abitur und Hochschulabschluss, vor allem bei solchen weiblichen Geschlechts. Da es sich hier um wesentliche Fermente der Wissensgesellschaft handelt, ist diese Entwicklung für die CDU sehr gefährlich...


Nicht zuletzt deshalb scheint das altbürgerliche Lager aus CDU/CSU und FDP seit einiger Zeit und auf mittlere Sicht - trotz einer leicht besseren Resonanz in der Generation der in den siebziger Jahren Geborenen - auf der nationalen Ebene strukturell mehrheitsunfähig zu sein. Darin mag es begründet sein, dass die Themen dieser Monate nicht aus dem Erzählungsrepertoire der Unionsparteien stammen.
Die Republik diskutiert über den Mindestlohn und die Verlängerung des Arbeitslosengeldes für die Älteren, wettert über die Schere bei den Einkommen, zu hohe Gehälter für Manager und deren Steuerhinterziehung. Ein bürgerlicher Diskurs ist das nicht. Und es fällt schon ins Auge, wie wenig Bundeskanzlerin Merkel, die noch vor vier Jahren mit dem Anspruch durch das Land zog, Werte und Einstellungen prägen zu wollen, in der Lage ist, einer genuin christlich-demokratischen Interpretation des gesellschaftlichen Handlungsbedarfs den Weg zu bahnen. Doch wozu braucht man dann die CDU? Die Antwort kann gewiss nicht allein koalitionspolitisch ausfallen.

Professor Dr. Franz Walter lehrt Politikwissenschaft an der Universität Göttingen, hier via faz.net

- eine der intelligenteren Analysen des status praesens des bundesrepublikanischen Parteiensystems! Lesenswert!

Archäologie XV

Photobucket
Ein schönes Foto von Iggy Pop and David Bowie (keine Pose, keine Selbst-/Inszenierung) - via if charlie parker ...'s series: They Were Collaborators. Daraus auch dies:
Terry Gilliam, Neil Innes, Eric Idle and Terry Jones:
gilinnidljon

Nachtrag: Auf der wunderbaren Seite von tom sutpen, stephen cooke, richard gibson and kimberly lindbergs findet sich einleitend the quote (the quote I always forgot to quote):

"And, of course, that is what all of this is - all of this: the one song, ever changing, ever reincarnated, that speaks somehow from and to and for that which is ineffable within us and without us, that is both prayer and deliverance, folly and wisdom, that inspires us to dance or smile or simply to go on, senselessly, incomprehensibly, beatifically, in the face of mortality and the truth that our lives are more ill-writ, ill-rhymed and fleeting than any song, except perhaps those songs - that song, endlesly reincarnated - born of that truth, be it the moon and June of that truth, or the wordless blue moan, or the rotgut or the elegant poetry of it. That nameless black-hulled ship of Ulysses, that long black train, that Terraplane, that mystery train, that Rocket '88', that Buick 6 - same journey, same miracle, same end and endlessness."
-- Nick Tosches, Where Dead Voices Gather


Ergänzung später März:
bowieburroughs

Archäologie XIV

brel
The Present Day Composer #56

Réver un impossible rêve
Porter le chagrin des départs
Brûler d'une possible fièvre
Partir où personne ne part
Aimer jusqu'à la déchirure
Aimer, même trop, même mal,
Tenter, sans force et sans armure,
D'atteindre l'inaccessible étoile
Telle est ma quête,
Suivre l'étoile
Peu m'importent mes chances
Peu m'importe le temps
Ou ma désespérance
Et puis lutter toujours
Sans questions ni repos
Se damner
Pour l'or d'un mot d'amour
Je ne sais si je serai ce héros
Mais mon coeur serait tranquille
Et les villes s'éclabousseraient de bleu
Parce qu'un malheureux
Brûle encore, bien qu'ayant tout brûlé
Brûle encore, même trop, même mal
Pour atteindre à s'en écarteler
Pour atteindre l'inaccessible étoile.

------------------------------
Oder "Amsterdam" by Bowie, Cale and Scott Walker

The FineArt of Playing the Guitar - & Bass! (VII)

Der Meister - hier mit Tal Wilkenfeld bei CROSSROADS 2007:



Tal Wilkenfeld Home
Und hier die wunderschöne Version des Meisters von A Day In The Life

Botschaft des Comandante en Jefe

080219granma
„Es ist meine tiefste Überzeugung, dass die Antworten auf die heutigen Probleme der kubanischen Gesellschaft, die ein durchschnittliches Bildungsniveau von 12 Schuljahren, knapp eine Million Hochschulabgänger und die reale Studienmöglichkeit für alle seine Bürger ohne jegliche Diskriminierung aufweist, mehr Antwortvarianten für jedes konkrete Problem benötigen, als die auf einem Schachbrett enthaltenen. Kein einzelnes Detail kann unberücksichtigt bleiben und es ist kein leichter Weg, wenn die Intelligenz des menschlichen Wesens in einer revolutionären Gesellschaft über seine Instinkte herrschen soll.“

„Es ist meine elementare Pflicht, mich nicht an Ämter zu klammern, und erst recht nicht den Weg für jüngere Menschen zu versperren, sondern Erfahrungen und Ideen beizutragen, dessen bescheidener Wert aus dem außerordentlichen Zeitabschnitt stammen, der meinem Leben entsprach.“
Der vollständige Text hier.
Fidelyoung

Der Springerpresse fiel zur Ankündigung Fidel Castros, von allem Ämtern zurückzutreten, keine sachlichere Schlagzeile ein als "Der brutale Mann aus Kuba" (Welt, 20.2.2008). In KONKRET 08/2006 wagte Sarah Wagenknecht bereits vor Castros Erkrankung ganz nüchtern einen Ausblick auf die Post-Castro-Ära (KONKRET 08/2006).
Aktuell * Hugo Velarde: Erbe eines Mythos - Wollte die kubanische Revolution eine Zukunft haben, müsste sie sich von ihren sakralen Elementen befreien

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

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