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Wirklichkeit III: Realität noch einmal gepatcht

Guten Tag! Als Nutzer der Realität möchten wir Sie darauf hinweisen, daß ein neuer Patch zum Download bereitsteht. Nur eine gepatchte Realität bietet Ihnen maximale Sicherheit vor Hackerangriffen aus Paralleluniversen oder Ihrer eigenen Phantasie. Dies ändert sich in Version 1.2a:

* Alle Ressourcen sind jetzt gleichmäßig über die gesamte Wirklichkeit verteilt. Die bisherige Aufteilung führte oft zu Streit unter den Nutzern. Die Kontinente sind jetzt ungefähr gleich groß und nutzen den vorhandenen Stauraum besser aus. Die Strände sind jetzt überall schön
* Sie können jetzt mit anderen Realitäts-Nutzern kommunizieren! Mit dem Voice-over-Stimmbänder-Plugin ist es nun ganz einfach, mit anderen Usern über neuen Realitätscontent zu diskutieren - vorausgesetzt, der andere Nutzer hat seinen Head gerade auf on gestellt
* Nachdem im letzten Patch ein Bug entfernt wurde, ging ein Schiff plötzlich unter; wir bedauern dies und haben den Passagieren noch einmal zwanzig Frei-SMS und ein Extraleben gutgeschrieben
* Es ist jetzt möglich, Geld von dieser Welt in die nächste mitzunehmen. Die alte "Letztes-Hemd-hat-keine-Taschen"-Doktrin wurde auf vielfachen Wunsch zurückgenommen
* Überall in der Realität sind jetzt Treueherzchen versteckt, die sie sammeln und an der Kasse gegen Bonusmeilen tauschen können. Der Wechselkurs "Bonusmeilen : Koffersets" wurde eingefroren, um der schleichenden Abwertung des Treueherzchens entgegenzusteuern
* Mit "Tibet" ist ein neuer Level dazugekommen, in dem hochstufige Charaktere bessere Beute erhalten können. Die beliebten PVP-Bereiche Afghanistan, Irak und Heidepark Soltau erhalten Support bis ins Jahr 2015 ...

Ganz witzig die Titanic schon am [24.03.2008]

Demografie

Sehr geehrter Herr Guido Bohsem (Süddeutsche Zeitung),

Sehr geehrter Herr Andreas Abs (Westdeutsche Allgemeine)

Als ein von der nun seit über einem Jahrzehnt trommelnden neoliberalen Propagandamaschinerie schwer geschädigter Mann, habe ich mir inzwischen eine Elefantenhaut zugelegt, um alle Fragen nach Plausibilität und Logik, so wie ich sie einst in Schule und Studium zu stellen gelernt habe, mühsam aus meinem Gehirnkästchen zu entfernen, damit ich in stoischer Ruhe diesen Unsinn ertragen kann und sich meine Magengeschwüre in Grenzen halten..

Ich habe inzwischen kapiert, dass mehr eingekauft wird, wenn die Läden länger auf sind, dass man nur die Unternehmenssteuern senken muss, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen, dass alle bisher öffentlichen Dienstleistungen privat besser, kostengünstiger und servicefreundlicher erbracht werden, dass ein Prozent weniger Lohnnebenkosten 100tsd. Arbeitsplätze bringt, 1,5 % also 150tsd. und 1,06 % 106tausend, dass also der Zug kommt, weil die Schranke runter ist und nicht die Schranke runter ist, weil der Zug kommt (an sich ein klassischer „post hoc propter hoc“ - Fehlschluß). Ich weiß inzwischen, dass trotz zweier Totaldesaster am Finanzmarkt (in nur 8 Jahren), trotz Göttinger Gruppe, trotz Telecomaktien eine private kapitalgedeckte Rente immer besser, sicherer und demografiefester ist als eine umlagefinanzierte, und ich habe auch verstanden, dass die deutsche Hartz IV-Gesetzgebung in allen 30 OECD Staaten schlagartig einen „Boom“ ausgelöst hat. Dass 3,4 Mio. Arbeitslose die kommende Vollbeschäftigung signalisieren und dass „Reformgesetze“ nicht mehr den Menschen etwas bringen sollen, sondern nur dann so genannt werden dürfen, wenn sie den Bürgern etwas nehmen, zum Beispiel die soziale Sicherheit. Dies alles muß einfach stimmen, wird es mir doch von morgens früh durch die Zeitung am Frühstückstisch bis abends spät durch Herrn Kleber und Herrn Sinn in der Spätausgabe der Tagesthemen in die Ohren geblasen.

Doch bei einem Punkt streike ich und mobilisiere meine letzten Widerstandskräfte, und dies ausgerechnet bei einem scheinbar ewig jungen Standardargument der neoliberalen Scholastik: „Heute ernähren drei Erwerbstätige einen Rentner, 2030 werden es nur noch zwei sein“ (Andreas Abs in der WAZ vom 12/13.4.08, S. 2 und „Versorgen heute 100 Erwerbstätige rund 32 Senioren, werden sie im Jahre 2050 für 62 aufkommen müssen“ (Guido Bohsem, Süddeutsche Zeitung 12/13. 4.08, S.2.).

20,4 Mio. Rentner werden also von (1:3) von 61,2 Mio. Erwerbstätigen „ernährt“ bzw. „versorgt“ (Schon die Wortwahl ist putzig!). Nicht nur, dass es bei so viel Erwerbstätigen zur Rush-hour ziemlich eng würde auf deutschen Straßen, es gäbe in ganzen Land auch nur noch 800.000 Kinder und Jugendliche. Denn bei 82,4 Mio. Einwohnern ließen die Erwerbstätigen und Rentner mit ihren 81,6 Mio. (20,4 + 61,2) den jüngeren gar keinen Platz mehr. Der „demographische Orkan“(Bohsem nach Kotlikoff (wer das auch immer sein mag)) wäre wirklich einer!

Abgesehen von dem sachlichen Unsinn, der hinter einer solchen Relation 3:1 (in Ägypten übrigens 14:1) steht: Wie viel Beiträge zahlen drei Ingenieure und wie viel drei Gleitzonenbeschäftigte, sind es simple, überall nachlesbare Zahlen, die auch den dümmsten SZ- und WAZ Redakteur doch beeindrucken müßten.

Laut neuesten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit gibt es Deutschland etwas über 27 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, davon haben noch etwas über 22 Mio. Menschen einen Vollzeitarbeitsplatz. Selbst wenn man – was methodisch fragwürdig ist - die 4,8 Mio. Teilzeitarbeitsplätze in Vollzeitäquivalente umrechnet, hätten wir noch rund 24,5 Mio. Vollzeitarbeitsplätze. Von deren Beiträgen werden die 20,4 Mio. Rentner „ernährt“ bzw. „versorgt“, also in einem Verhältnis von 1,2:1. Hinzu kommt ein Bundeszuschuß für die Rentner der ehemaligen DDR, für Aussiedler und familienpolitische Leistungen der Rentenversicherung von etwa 80 Mrd. Euro.

Doch genug des Versuches gegen verbohrte Ideologen der neoliberalen Schule mit rationalen Argumenten anzugehen, denn nicht erst seit Goethe wissen wir: „Gegen Dummheit kämpfen selbst die Götter vergebens“. Für mich stellt sich nur die eine Frage: Wie erbärmlich muß der Argumentationsköcher der neoliberalen Front bestückt sein, wenn unbeeindruckt von allen amtlichen Zahlen, von allen logischen Überlegungen und von jeder Plausibilitätsprüfung nun schon seit vielen Jahren mit einer Relation gearbeitet wird, die jeder Drittklässler einer Grundschule widerlegen kann? Vielleicht ist die Antwort ganz einfach: Das ganze Demografieargument ist völliger Unsinn. Es kommt gar nicht auf die Relation „jung zu alt“ an, sondern auf das Verhältnis von „sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“ zu „älteren Menschen mit Rentenanspruch“ (aufgrund vorhergehender sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung). Und dieses Verhältnis hat nichts mit Demografie sondern nur etwas mit dem Arbeitsmarkt zu tun.

Hätte z. B. Herr Metzger in seinem Leben fünf Jahre lang in einen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gearbeitet, stünde ihm später eine (kleine) Rente zu. Nun ist er seit seinem Studienabbruch Berufspolitiker. Folglich bekommt er keine Rente, dafür aber Altersbezüge, die um ein Vielfaches höher liegen als eine Rente jemals sein könnte. Aber das ist ein anderes Thema.

Mit freundlichen Grüßen und nichts für Ungut!


Ich hätte nie im Leben einen Leserbrief geschrieben, aber den finde ich gut ...

Archäologie XXIII - Stimmen: April 1968

Spiegel-April-68_Gollwitzer
Spiegel-April-68_Strauss

Carla del Ponte acusa de tráfico de órganos al líder de Kosovo

Un libro de la ex fiscal de la ONU
denuncia que la guerrilla kosovar de Thaçi arrancó
vísceras a presos serbios

RODRIGO CARRIZO - Ginebra - 13/04/2008 - El Pais

En el verano de 1999, entre 100 y 300 prisioneros serbios en manos de
la guerrilla del Ejército de Liberación de Kosovo (UÇK, en sus siglas
albanesas) fueron llevados en camiones a una casa de Burrel (Albania),
con la complicidad del actual primer ministro kosovar y ex líder
guerrillero Hashim Thaçi. Una vez allí, se les extirpaban diversos
órganos para ser utilizados en el tráfico internacional, hasta que los
prisioneros perdían la vida...

Carla del Ponte, ex fiscal del tribunal de la ONU para la ex Yugoslavia
Übersetzung von Ulrich Fischbach:
Unter Beihilfe des aktuellen Premierministers Hashim Taçi wurden im Sommer 1999 zwischen 100 und 300 serbische Gefangene in den Händen der Guerrilla-Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK in albanesischen Buchstaben) mit Lastwagen zu einem Haus in Burrel (Albanien) gebracht. Dort angekommen, entfernte man ihnen diverse Organe, die für den internationalen Organhandel gebraucht wurden, bis die Gefangenen ihr Leben verloren.
Solche Behauptungen sind Teil des Buches Die Jagd. Ich und die Kriegsverbrecher, veröffentlicht in italienisch von Carla Del Ponte, Ex-Staatsanwältin des Internationalen Strafgerichtshofs für das Ex-Jugoslawien, der vom UNO-Sicherheitsrat eingerichtet worden war, um über die Verbrechen jenes Krieges zu richten.
Das Werk, das in Zusammenarbeit mit Chuck Sudetic entstand, dem ehemaligen, regionalen Korrespondenten der New York Times, wurde diese Woche in Mailand veröffentlicht und rief unmittelbar Polemiken hervor.
Del Ponte erzählt in dem Buch, dass das von ihr geleitete Büro des Gerichtshofs für Jugoslawien „erstmalig im Sommers 1999 Informationen über ca. 300 Personen erhielt, die in Lastwagen über die Grenze in Richtung Nord-Albanien transportiert worden seien (…) Die jüngsten, gesunden, starken und gut ernährten Gefangenen verschonte man mit Schlägen. Sie wurden von medizinischem Personal betreut und später in andere Haftbedingungen in Burrel überführt. Dort wurden sie in einem gelben Haus untergebracht, das als heimlicher Operationssaal diente, wo ihnen Organe entfernt wurden.“
Sobald sie entfernt waren, wurden diese Organe „ins Ausland verschickt, um sie Kliniken zu übergeben, wo zahlungskräftige Patienten auf sie warteten (…) Nachdem man ihnen eine Niere entfernt hatte, wurde einige Gefangene zurück ins Gefängnis gebracht bis zu dem Augenblick, in dem man ihnen andere lebenswichtige Organe entfernte, und man so schließlich den Tod herbeiführte.“
Die Autoren des Buches schreiben auch, dass „der Organhandel mit Wissen und aktiver Billigung der hochrangigen Offiziere der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) betrieben wurde.“

... [weiter<a href="UCK-Organhandel (pdf, 79 KB)">]
UCK-1999

Ob Frau del Ponte den Prozess gegen Slobodan Milosevic nochmal überdenken müsste??? Siehe auch: Wie die albanische Mafia mit deutscher Hilfe zur UCK wurde ...

Lohnnebenkosten: Bretto und Nutto


Schon wieder via NDS: Volker Pispers erklärt, was Lohnnebenkosten sind (hier eine weitere Hörprobe). Gut sind auch Pispers Links, u. a. auf diese Seite eines ganz großen Satirikers (das ist der Unterschied zu Pispers, der eigentlich nur ein Erklärer mit eingestreuten Witzen ist - aber immerhin - wer kann heute schon noch erklären?!):
matthias-beltz-start
Moral auf der Bühne [1998]
Und jetzt etwas ganz anderes. Pro domo, contra malum. Für mich und gegen das Schlechte. Kabarett und Moral bilden keine Einheit, aber ein Thema.
Der Kabarettist ist ein vorwärtsgewandter Historiker. Mit dem Material der Gegenwart, in der sich die Geschichte zwischenlagert, gibt er Prognosen ab für die Zukunft. Dabei kommt es auf Genauigkeit an und nicht auf Werturteile. Die gehören zum Material und sind modeabhängig und gestaltbar. Also brauchen wir Märchen, Mythen und Gleichgültigkeit statt den unabdingbaren Wunsch zur Veränderung der Welt. Das tut die auch ohne unser Zutun. Kabarett will nicht beschleunigen, sondern legt eine Atempause ein.
Ein Werturteil ist bloß ein Ton in der Tanzmusik, ein Werturteil ist die Entscheidung des Freiers, überhaupt des Kunden. Bei Aldi werden zu Recht Werturteile gefällt, nicht auf der Bühne, da werden sie nur vorgeführt. Kabarett entspricht eher der Tragödie als der Komödie und beschäftigt sich mit Politik.
Politik ist der ewige Kampf um kulturelle Normen, die das Zusammenleben regeln sollen: Was ist gut, was böse, darf man Sterbewillige umbringen, welche Gewalt ist prima, welche pfui, wen darf man unter welchen Umständen verletzen, mit wem darf man sich wie vergnügen? Dieser Kampf wird vorübergehend durch Gesetze geregelt. Aber auch das Gesetz ist nur eine Übergangslösung. Jede Generation träumt sich ihre Kultur wieder neu, und die Überlieferung aus alten Zeiten ist nicht mehr heilig, sondern steht zur Disposition. So schräg sind die Zeiten.
Nicht dem Pathos und der Erhebung der politisch Handelnden in den Heldenstand dient das Kabarett, es benutzt Schadenfreude und Verachtung jeglicher Schwäche als Mittel, um in diesem Jahrhundert noch einmal herauszubekommen, was dran ist an den Menschen. Spießer und Massenmörder, Arschgesichter und Langweiler, Nachbarn und Verwandte – sie sind trotz alledem Menschen, und das gilt es immer wieder darzustellen.
Erst muß er fertiggemacht werden, der Mensch, und zur Sau, zerlegt in alle Einzelteile seiner historischen Überflüssigkeit, da soll kein gutes Haar dran bleiben, und wenn er dergestalt zerstört und auf den Hund gekommen ist, dann wird er schnell wieder neu zusammengesetzt, und übrig bleibt nach der intellektuellen Einsicht in die absolute Unmöglichkeit von Freiheit und Sozialismus, die gerade ad hominem demonstriert wurde, überraschend die frohe Erwartung auf die Verbesserung Gesamteuropas.
Doch vorher muß der ganze Humanismus und Idealismus zerstört werden und der Traum von Menschenrechten, da bleibt keine Moralvorstellung übrig. Denn nichts ist normaler, als daß Menschen sich Unrecht antun und Gemeinheit, die Welt ist ein Schlachthaus, wir lachen nicht trotz Auschwitz, sondern wegen des europäischen Massenmordes an den Juden. Wir lachen, weil der Mensch so komisch ist und zu jeder Schandtat bereit, selbst zu der, die wir uns noch gar nicht ausdenken können. Und wir finden die alten Nazis auf der Bühne und im Publikum, heute abend tarnen sie sich als zivilisierte Kulturmenschen, aber nur ein Ruck, der durchs Volk geht, ist nötig, um uns alle zu reißenden Wölfen oder SS-Männern zu machen. Das ist überhaupt nicht lustig, aber enorm komisch. Komisch ist es, wenn Heinrich Himmler einmal zum Lobe seiner vom Staate angestellten Mörder gesagt hat: »Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen zusammenliegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei ... anständig geblieben zu sein« – das sei »ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.«
Die Komödie grenzt so was aus, das Kabarett aber hat nur ein Thema: Lachen nach Auschwitz.
Daher kann es kein Niveau geben, unter dem das Publikum lacht. Es sind die Armen im Geiste, die sich nach einer Vorstellung beklagen, sie hätten sich unter ihrem Niveau amüsiert. Da liegt ein Irrtum vor. Unter diesen Menschen ist kein Niveau, nur der Fußboden, auf dem sie zu stehen vermeinen. Die beherrschenden Figuren des 20. Jahrhunderts, Kleinbürger und Kleinbürgerin, aber rufen nach Instanzen, nach Autoritäten, die Moral vermitteln sollen. »Werte, wir wollen Werte«, rufen die Leute, was nichts anderes heißt, als: »Wir wollen nicht wertlos sein.«
Da steht der Kleinbürger vor seinesgleichen, erkennt sich in den anderen, und weiß nicht, ob er weinen soll aus Mitleid oder Schamgefühl.
Beides falsch. Geh ins Kabarett, du Lump, damit du nicht versinkst in Selbstbeweihräucherung und ziellosen Anklagen gegen die anderen, die immer schuld sind.
Kabarett ist also ein Abbruchunternehmen mit eingebauter Wiederaufbauleistung.

Archäologie XXII - 11. April 1968

Dutschke-Zit
... Ein paar Schritte vom SDS-Zentrum entfernt sah ich eine Menschenmenge auf dem Bürgersteig, am Straßenrand Kreidestriche. Kaum war ich zuhause angekommen, rief eine Freundin an: Attentat auf Rudi. Das Radio meldete, er läge schwerverletzt im Krankenhaus. Bald wurde hinzugefügt: der Täter sei ein junger Arbeiter aus München. In dem Gemisch aus maßloser Trauer und Wut überwog der Schmerz.

Die Wut entlud sich, als sich am Abend der erste Zug zum Springerhaus formierte. Diese Stunden haben viele Beteiligte verändert. Bommi Baumann formulierte in seiner Reinickendorfer Proll-Diktion: "Bei dieser Demonstration auf dem Weg zur Kochstraße ist bei mir mein ganzes Leben, alles nochmal abgelaufen, verstehst du. Alle Schläge, die ich gekriegt habe, was du so erlebst, was du als Ungerechtigkeit empfindest ... Als ich denn über die Strasse bin und diese Fackeln und dieses rufen Ru-di Dutsch-ke, das war eben für mich eine Verkörperung der ganzen Geschichte. Die Kugel war genauso gegen dich, da haben sie das erste Mal voll auf dich geschossen." ...

aus: Eckhard Siepmann: Drei Kugeln auf Dutschke ... im Freitag. Lesen!





Als Alternative steht vielleicht Barbarei
Ende 1967 interviewte Günter Gaus in seiner Reihe "Zu Protokoll" Rudi Dutschke:


Teil 2 - 3 - 4 - 5 - der Text des Gespräches hier.

Irgendwie schon klar: Im Vergleich zum 27jährigen Soziologie-Studenten D. ( fallen vierzig Jahre später gleichaltrige Analysten oder BWL-Absolventen, die sowas absondern
(: Gründung einer speziellen Emissionsgesellschaft durch die TSI Services GmbH oder einen sonstigen Dritten; Verkauf von Forderungen des Originators an die Emissionsgesellschaft/Zweckgesellschaft; Zweckgesellschaft refinanziert aus Emissionserlösen (Emission von so genannten Asset-Backed Securities) den Erwerb der Forderungen; Den Investoren der ABS Wertpapiere stehen ausschließlich die Zahlungsansprüche aus dem Forderungspool für ihre eigenen Ansprüche zur Verfügung)
etwas ab und man versteht, warum so viel getan wird, die Erinnerung zu vernichten!

Im April 1968 im BeatClub: This Wheel's On Fire

Der Eine und der Andere

Der-Eine-und-der-Andere

größer hier

CasinoKapitalismus - hier: TSI

Im Anschluss an mehrere Beiträge („Ramschhypotheken, etc. …“ vom 7.4., „Die Verantwortung des Steinbrück-Ministeriums…“ vom 6.4. und die „Verstaatlichung …“ vom 7.4.)
schickt uns einer unserer Leser einen „weiteren Beleg für
die Verantwortung des BMF für die Finanzkrise in Deutschland. Im
Mittelpunkt steht dabei wieder mal Ministerialdirektor Jörg
Asmussen.“ Albrecht Müller

2004 wurde die Lobbyorganisation True Sale International GmbH (TSI) gegründet.
Das Ziel der Initiative war und ist es, Verbriefungsgeschäfte * und
Co. in Deutschland zu fördern und zu etablieren. Also genau das,
was die US-Finanzkrise -nach Deutschland getragen hat.

Die Gesellschafter und Partner der TSI sind die Creme de la Creme der deutschen Kapitalbranche.
Besonders auffällig: Zwei Landesbanken, die Bayern LB und der West
LB, sind beteiligt - genau die beiden Landesbanken, welche besonders
von der Finanzkrise betroffen sind.
risikocontrolling
Die KfW ist natürlich auch dabei. Und jetzt erklären die
Verantwortlichen, dass sie von den Verbriefungsgeschäften
eigentlich nichts gewusst haben wollen!

Ein Mitglied der TSI ist übrigens die
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die ja bis vor kurzem
jahrelang die Berichte der IKB als völlig in Ordnung abgezeichnet
hatte.

Nun wird es richtig interessant:
Auf der Website der TSI kann man eine Briefesammlung [PDF - 1.8 MB]
von 2006 abrufen, in der die TSI und der BDI gemeinsam Finanzminister
der Länder, Staatsekretäre des Bundes und diverse
Bundestagsabgeordnete (außer Linke) mit der Bitte anschreiben,
Verbriefungsgeschäfte doch von der Gewerbesteuer zu befreien.

Tja, und was schreibt Ministerialdirektor Asmussen denn in seinem Aufsatz von 2006, der schon auf den NDS thematisiert wurde:

Auch das BMF wird nach der für 2007 geplanten
Unternehmenssteuerreform erneut prüfen, ob eine Änderung der
Rechtslage (Erweiterung der in § 19 Abs. 3
Gewerbesteuerdurchführungsverordnung in 2003 neu eingeführten
Regelungen für Bankkredite auf andere Finanzierungen –
insbesondere jedoch auf die Verbriefung von Mezzanine-Kapital)
erforderlich und machbar sein wird.

Ein Blick
ins Gesetz zeigt, dass sich § 19 tatsächlich um
Gewerbesteuerbefreiungen dreht. So viel Gehorsam seitens der Politik
gegenüber der Finanzindustrie ist bemerkenswert. Das kann aber
einen nicht überraschen, wenn man perplex feststellen muss, dass
Asmussen Mitglied im Gesellschafterbeirat der TSI ist...


via NachDenkSeiten

(+ eigene Links)

* Schöne Erklärung auch hier--> gehe zu Lesezeichen: Verbriefungsverfahren
Im Übrigen: Casinokapitalismus: Robert Kurz, Schwarzbuch Kapitalismus
Hauke Fürstenwerth, Geld arbeitet nicht - wer bestimmt über Geld, Wirtschaft und Politik?

Archäologie XXI - 4. April 1968

Forty years ago today, Reverend Martin Luther King Jr. was tragically
shot and killed at the Lorraine Motel in Memphis. King was in
Memphis to lead that city's 1300 sanitation workers in a strike,
eventually settled in favor of the workers, over the right to
unionize. In the aftermath of the assassination, riots erupted in
over 100 cities though somehow not in King's hometown of Atlanta.
This page features a sampling of how the streets of Chicago looked after two days of tumult. In 1991, the former Lorraine Motel was converted to the National Civil Rights Museum.

via WFMU


Die Kultusministerin bleibt blass



eZeitung

Beim Auftritt vor dem Schulleitungsverband erntet Elisabeth Heister-Neumann Unmut
Bei ihrem ersten Auftritt vor dem Schulleitungsverband wird die neue Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann grundsätzlich. Viel zu grundsätzlich, finden viele der rund 1000 Schulleiter, die am Donnerstag zur Tagung ihres Verbandes nach Hannover gekommen sind.
Nachdem die CDU-Politikerin ausführlich über den „Weg in die Wissensgesellschaft“, „Bildung als Kapital und Leiter nach oben“ und den Spardruck, unter dem das Land stehe, gesprochen hat, schwillt der Unmut in den Reihen der Zuhörer hörbar an. „Völlig unpräzise“, murmelt ein Mann. „Unverschämtheit“, erregt sich sein Nachbar. „Vor 20 Jahren wäre das eine tolle Rede gewesen, jetzt bin ich enttäuscht“, meint eine Grundschulleiterin aus der Region Hannover.
Später wird die Ministerin dann doch konkret. Sie verspricht den Schulleitern Entlastung bei den Unterrichtsstunden sowie bei Verwaltungsaufgaben. Heister-Neumann will eine eigene Arbeitszeitverordnung für die Schulleiter umsetzen, aber darauf, dass Schulleiter nicht mehr als zwei Stunden Unterricht täglich geben dürfen, will sie sich nicht festlegen. Das hatte Helga Akkermann, Vorsitzende des Schulleitungsverbandes, zuvor gefordert. Ihrer Meinung nach sollten Leiter großer Schulen wegen der zahlreichen Verwaltungsaufgaben zudem überhaupt nicht mehr unterrichten müssen. „Ich glaube nicht, dass man eine Stundenzahl verbindlich festschreiben kann, das müssen die Schulen selbst entscheiden“, entgegnet Heister-Neumann.
„Schulleiter haben eine Präsenzpflicht“, sagt die Ministerin. Den Zusatz aus ihrem Redemanuskript, dass sich diese auch auf Ferientage beziehen kann, soweit diese den Erholungsurlaub übersteigen, lässt sie in ihrem Vortrag dann doch lieber weg. Während die Schulferien rund zwölf Wochen im Jahr umfassen, liegt der Jahresurlaub in den meisten Branchen bei sechs Wochen. „Wir sind schon auch jetzt während der Ferien oft in der Schule“ sagt eine Sprecherin des Schulleitungsverbands.
Heister-Neumann spricht sich für mehr Lehrer und kleinere Klassen aus. Der Philologenverband verweist darauf, dass derzeit in jeder zweiten Gymnasialklasse 30 oder mehr Schüler sitzen. „Bei solchen Rahmenbedingungen zu verlangen, dass der Lehrer auf die individuellen Stärken und Schwächen jedes einzelnen Schülers eingehen soll, kommt der Forderung gleich, mit einem 100-PS-Auto Formel-1-Rennen zu gewinnen.“, kritisiert Verbandsvorsitzender Guillermo Spreckels.
Weitere Strukturreformen plane sie nicht, sagt die neue Ministerin. Das heiße aber nicht, dass sie Reformen ihres Vorgängers wie die Eigenverantwortliche Schule zurückdrehen werde. Aber: „Bildung braucht Muße, wir wollen die Langsamkeit neu entdecken.“
Was die Schulleiter zu Beifall hinreißt, stößt bei den Oppositionsparteien, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und zahlreichen Initiativen auf massive Kritik. Sie wollen Tempo, keine Langsamkeit. Im Streit um die Gründung neuer Gesamtschulen werfen sie Ministerpräsident Christian Wulff „Wortbruch“ vor. Dieser hatte vor der Wahl angekündigt, das Errichtungsverbot für Gesamtschulen aus dem Schulgesetz zu streichen.
„Die Regierung hält uns hin“, bemängelt GEW-Landesvorsitzender Eberhard Brandt und verlangt einen „umgehenden Gesetzentwurf“ der Koalition, damit neue Gesamtschulen bereits im August 2008 gegründet werden könnten. SPD, Grüne und Die Linke werden in die Landtagssitzung in der nächsten Woche eigene Gesetzentwürfe einbringen.

Ausgabe: HAZ Datum: 04.04.2008

update:
... wird aber rhetorisch immer brillanter:

... Anrede,
ich fasse zusammen:

Wir wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler im Wettbewerb auf Augenhöhe mit ihren Freunden aus den anderen Bundesländern stehen.

Das verlangt von allen Beteiligten, den Schülern, den Eltern, den Schulen, den Kommunen und dem Land Anstrengungen und Einsatzbereitschaft. Ich bin davon überzeugt, das Können und Motivation vorhanden sind und wir die Herausforderungen bestens bewältigen werden.

Wir werden dafür Sorge tragen, damit G8 in Niedersachsen ein Erfolg wird. Unsere Kinder sollen für Studium und Beruf ideal vorbereitet sein.

Und zuletzt ein Appell an Sie, meine Damen und Herren! Alle gemeinsam sollten wir das Abitur nach 12 Jahren als Chance sehen. Am Montag am runden Tisch habe ich zumindest festgestellt: Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, dann wird G8 zu einer einmaligen Chance für die junge Generation!


"Wettbewerb auf Augenhöhe" ist gut, besser jedenfalls als weiter unten; was die Sprachrichtigkeit angeht: ein paar Fehler drin* ... aber das wird noch ... via Bildungsclick

*... so ähnlich wie bei Netto heute: Plakat über der Kasse, das für sowas wie die Nettopaybackkarte wirbt:
(Abb. ec-Karte:) "ohne Punkte" - (Abb. nettocard:) "mit Punkte"
logonetto

Siehe auch G8 revisited

Archäologie XX - Janis&Grace

1968_Grace_-_Janis1
Janis & Grace - these two ladies were the most prominent female vocalists that emerged from the Bay area during the psychedelic summer of love days... :

We are here to make a better world.

No amount of rationalization or blaming can preempt the moment of choice each of us brings to our situation here on this planet. The lesson of the 60's is that people who cared enough to do right could change history.

We didn't end racism but we ended legal segregation.

We ended the idea that you could send half-a-million soldiers around the world to fight a war that people do not support.

We ended the idea that women are second-class citizens.

We made the environment an issue that couldn't be avoided.

The big battles that we won cannot be reversed. We were young, self-righteous, reckless, hypocritical, brave,silly, headstrong and scared half to death.

And we were right.

Abbie Hoffman

The Fine Art Of Playing The Drums

Have
you ever wondered why Ringo Starr's style is so distinctive? His odd
pauses and curious fills? Turns out there's a reason Ringo sounds the
way he does. He's "a left-handed, right-handed drummer." Ringo explains
it all - while on drums - on this 1:48 treat, "
A Major Demonstration of My Drum Work."

via Never Get Out Of The Boat

Träume verwehen ...

Träume verweh'n, wenn sie nicht wissen, wo sie schlafen sollen,
und bevor der Tag kommt, zieh'n sie mit dem Wind davon.
Die Welten dreh'n, wer von uns weiß, wer seine Freunde sind?
Wenn ein neuer Tag kommt, seh'n wir alle anders aus.

Die Zeit vergeht und so viel bleibt im Straßenstaub.
Wird uns fremd, wie ein Bild von daheim.
Alles längst verschwunden, alles überwunden und doch
war da viel mehr als ein Spiel.

Träume erfrieren, wenn niemand da ist, der sie träumen will,
und bevor der Tag kommt, sind sie mit der Nacht davon.
Jetzt steh'n wir hier, wer von uns weiß noch, welchen Weg er geht?
Wenn ein neuer Tag kommt, ist nichts, wie es einmal war.

Die Zeit vergeht und so viel bleibt im Straßenstaub.
Wird uns fremd, wie ein Bild von daheim.
Alles längst verschwunden, alles überwunden und doch
war da viel mehr als ein Spiel.

Alle Rechte liegen beim jeweiligen Interpreten bzw. Verlag
Rio Reiser: Träume - aus: "Himmel & Hölle" (1995), seinem letzten Album.

Udo Lindenbergs „Stark wie Zwei" erinnert in Produktion und Duktus an Reisers Album. Es ist wirklich gut: kaum noch - oder nur noch unaufdringlich - Lindenbergs Manierismen: man höre "Verbotene Stadt".
udolindenberg21
udolindenberg3

Archäologie XIX

sophia
Sophia

Und dennoch leben sie (1960)
Regie: Vittorio De Sica
Drehbuch: Vittorio De Sica, Cesare Zavattini und Alberto Moravia (Roman)
# Sophia Loren: Cesira
# Jean-Paul Belmondo: Michele
...
loren_und-dennoch
La Ciociara -> IMDb

Faust II revisited

Allüberall wird heuer festgestellt, dass Goethes Faust deshalb aktuell ist, weil erstmals 1808 zu Ostern – im Rahmen der Gesamtausgabe – erschienen. So rankt sich manches um das Ostermotiv : sehr schwurbelig in der ZEIT mit Frau von Thadden, klarer schon bei Seibt in der SZ, aber weshalb es wirklich lohnen könnte, gerade jetzt im "Faust" zu lesen, bleibt dabei eher verborgen:
Interessanter als die allzumenschliche Streberei ist Goethes im Faust II poetisch entfaltete Theorie gesellschaftlicher Entwicklung: Nachdem Faust und Mephisto die kleine Welt (und das doofe Gretchen) hinter sich gelassen haben, geht es um Einsichten in den Verlauf der Geschichte (u. a. der Finanzmärkte!) … ---- die viel aktueller sind, als die Schreiberlinge des bundesdeutschen Feuilletons, die offenbar so weit weg sitzen von der Wirtschaftsredaktion, zu erkennen vermögen. Im „Faust“ findet sich eine Erklärung für den aktuellen Crash, der nicht so genannt, nur umschrieben werden darf …
Goethe lesen!

kaiser
Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh' und Weite; -
Den Weisen seh' ich mir zur Seite,
Allein wo ist der Narr geblieben?

junker
Gleich hinter deiner Mantelschleppe
Stürzt' er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fettgewicht,
Tot oder trunken? weiß man nicht.

zweiter junker
Sogleich mit wunderbarer Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle.
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch fratzenhaft, daß jeder stutzt;
Die Wache hält ihm an der Schwelle
Kreuzweis die Hellebarden vor -
Da ist er doch, der kühne Tor!

mephistopheles
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
Was immerfort in Schutz genommen?
Was hart gescholten und verklagt?
Wen darfst du nicht herbeiberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
Was hat sich selbst hinweggebannt?

kaiser
Für diesmal spare deine Worte!
Hier sind die Rätsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. -
Da löse du! das hört' ich gern.
Mein alter Narr ging, fürcht' ich, weit ins Weite;
Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.

gemurmel der menge
Ein neuer Narr - Zu neuer Pein -
Wo kommt er her? - Wie kam er ein? -
Der alte fiel - Der hat vertan -
Es war ein Faß - Nun ist's ein Span -

kaiser
Und also, ihr Getreuen, Lieben,
Willkommen aus der Näh' und Ferne!
Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne,
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
Doch sagt, warum in diesen Tagen,
Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und Heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns ratschlagend quälen sollten?
Doch weil ihr meint, es ging' nicht anders an,
Geschehen ist's, so sei's getan.



schatzmeister
Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
Subsidien, die man uns versprochen,
Wie Röhrenwasser bleiben aus.
Auch, Herr, in deinen weiten Staaten
An wen ist der Besitz geraten?
Wohin man kommt, da hält ein Neuer Haus,
Und unabhängig will er leben,
Zusehen muß man, wie er's treibt;
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrigbleibt.
Auch auf Parteien, wie sie heißen,
Ist heutzutage kein Verlaß;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb' und Haß.
Die Ghibellinen wie die Guelfen
Verbergen sich, um auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu tun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt,
Und unsre Kassen bleiben leer.



kaiser
Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Not?



mephistopheles
Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieser Welt?
Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft:
Begabten Manns Natur- und Geisteskraft.

mephistopheles
Daran erkenn' ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.

kaiser
Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn.

mephistopheles
Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen,
Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften,
Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,
Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.
So war's von je in mächtiger Römer Zeit,
Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll's haben.
…..

157864-featInzwischen – während des „Heiteren Fests“ - sind aus der blinden Bereitschaft des Kaisers und seines Hofes, das müßige Leben weiterzuführen und auf Schein-Reichtümer zu bauen, auf Mephistos Initiative, aber doch nur im Sinne des Hofes die praktischen Konsequenzen gezogen worden.
Der Schatz, den der Kaiser noch vor dem Mummenschanz sofort ausgraben wollte, ist schon gehoben: Es ist das Papiergeld. Das Papiergeld, das als allgemeines Äquivalent schon seit dem 12. Jahrhundert bekannt ist, beginnt seinen Siegeszug als Mittel des kapitalistischen Kredits mit John Law zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die Bedeutung des Kredits für die Ankurbelung der kapitalistischen Wirtschaft und damit den positiven Zusammenhang zwischen Papiergeld und sich entwickeln dem Kapitalismus wird Goethe kaum durchschaut haben. Er sieht in der Zeit der Französischen Revolution nur die viel auffälligeren Gefahren des Kreditsystems (Inflation, Spekulation), nicht auch dessen belebende ökonomische Wirkung und begreift deshalb - gemäß seinen Erfahrungen - das Papiergeld in erster Linie als Mittel des Parasitentums. In diesem Verständnis geht es in den »Faust« ein. Wenn Mephisto das Papiergeld erfindet, so führt er nicht etwas am Kaiserhof Fremdes ein, sondern gibt ihm ein Mittel zum parasitären Genuss an die Hand, das seinem Wesen gemäß ist. Das Papiergeld bescheinigt hier einen Wert, der nicht erarbeitet, also gar nicht vorhanden ist. Es verlängert das müßige Leben des Kaiserhofs, ohne dass jemals die Absicht bestünde, dem Vorschuss tatsächliche Arbeit folgen zu lassen.
In der Fastnacht hat der Kaiser - so erfahren wir jetzt - als großer Pan im Vertrauen darauf, dass im Boden seines Reiches Schätze verborgen liegen, die man nur auszugraben braucht, durch seine Unterschrift den Wert dieser Schätze auf ein Blatt Papier übertragen und damit »alles Weh in Wohl verwandelt« (6056). Das »schicksalschwere Blatt« (6055) wurde noch in der Nacht »durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht« (6072) und zur Begleichung ausstehender Zahlungen unter die Leute gebracht. Und schon herrscht, wie die Minister freudig meinen, überall im Lande eine neue Prosperität.
(Heinz Hamm: Goethes Faust – Werkgeschichte und Textanalyse, Berlin (Volk und Wissen) 1977, S. 165 ff.)

Lustgarten


kaiser
Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht,
Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht?
Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,
Versichr' ich dich der höchsten aller Gnaden.
Sei stets bereit, wenn eure Tageswelt,
Wie's oft geschieht, mir widerlichst mißfällt.

marschalk
Durchlauchtigster, ich dacht' in meinem Leben
Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben
Als diese, die mich hoch beglückt,
In deiner Gegenwart entzückt:
Rechnung für Rechnung ist berichtigt,
Die Wucherklauen sind beschwichtigt,
Los bin ich solcher Höllenpein;
Im Himmel kann's nicht heitrer sein.

heermeister
Abschläglich ist der Sold entrichtet,
Das ganze Heer aufs neu' verpflichtet,
Der Landsknecht fühlt sich frisches Blut,
Und Wirt und Dirnen haben's gut.

kaiser
Wie atmet eure Brust erweitert!
Das faltige Gesicht erheitert!
Wie eilig tretet ihr heran!

schatzmeister
Befrage diese, die das Werk getan.

faust
Dem Kanzler ziemt's, die Sache vorzutragen.

kanzler
Beglückt genug in meinen alten Tagen. -
So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,
Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.
"Zu wissen sei es jedem, der's begehrt:
Der Zettel hier ist tausend Kronen wert.
Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,
Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.
Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz,
Sogleich gehoben, diene zum Ersatz."

kaiser
Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!
Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?
Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?

schatzmeister
Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;
Erst heute nacht. Du standst als großer Pan,
Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:
"Gewähre dir das hohe Festvergnügen,
Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen."
Du zogst sie rein, dann ward's in dieser Nacht
Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
Damit die Wohltat allen gleich gedeihe,
So stempelten wir gleich die ganze Reihe,
Zehn, Dreißig, Funfzig, Hundert sind parat.
Ihr denkt euch nicht, wie wohl's dem Volke tat.
Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt,
Wie alles lebt und lustgenießend wimmelt!
Obschon dein Name längst die Welt beglückt,
Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.
Das Alphabet ist nun erst überzählig,
In diesem Zeichen wird nun jeder selig.

kaiser
Und meinen Leuten gilt's für gutes Gold?
Dem Heer, dem Hofe gnügt's zu vollem Sold?
So sehr mich's wundert, muß ich's gelten lassen.

marschalk
Unmöglich wär's, die Flüchtigen einzufassen;
Mit Blitzeswink zerstreute sich's im Lauf.
Die Wechslerbänke stehen sperrig auf:
Man honoriert daselbst ein jedes Blatt
Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt.
Nun geht's von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;
Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,
Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.
Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.
Bei "Hoch dem Kaiser!" sprudelt's in den Kellern,
Dort kocht's und brät's und klappert mit den Tellern.

mephistopheles
Wer die Terrassen einsam abspaziert,
Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert,
Ein Aug' verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,
Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher Schedel;
Und hurt'ger als durch Witz und Redekunst
Vermittelt sich die reichste Liebesgunst.
Man wird sich nicht mit Börs' und Beutel plagen,
Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,
Mit Liebesbrieflein paart's bequem sich hier.
Der Priester trägt's andächtig im Brevier,
Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.
Die Majestät verzeihe, wenn ins Kleine
Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.

faust
Das übermaß der Schätze, das, erstarrt,
In deinen Landen tief im Boden harrt,
Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke
Ist solchen Reichtums kümmerlichste Schranke;
Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,
Sie strengt sich an und tut sich nie genug.
Doch fassen Geister, würdig, tief zu schauen,
Zum Grenzenlosen grenzenlos Vertrauen.

mephistopheles
Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,
Ist so bequem, man weiß doch, was man hat;
Man braucht nicht erst zu markten, noch zu tauschen,
Kann sich nach Lust in Lieb' und Wein berauschen.
Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Pokal und Kette wird verauktioniert,
Und das Papier, sogleich amortisiert,
Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt.
Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.
So bleibt von nun an allen Kaiserlanden
An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.


07_cover_mSchon deutlich, dass man schon 1808, spätestens aber nach einer genaueren Analyse des so genannten "fiktiven Kapitals" aus dem späteren 19. Jahrhundert wissen konnte, dass das Drucken von Papier nur bei einigen wenigen Reichtum zu erzeugen vermag- und dass man Mephistos Ironie verstehen können muss, sonst fällt man auf ihn als Anlageberater herein - wie der Kaiser, der ja eigentlich eher der Realökonomie vertrauen möchte ... aber nichts weiß; - wie die Kanzleramtsökonomen einschließlich des unglaublichen Ackermann heute.

Archäologie XVIII: In Hannover nach dem Krieg

John_Kay_Steppenwolf
Ostersonntag 20.05 - NDR INFO: "Vom Flüchtlingskind zum Rockstar": Wie aus Joachim Krauledat Steppenwolf wurde. Eine Sendung von Uli Kniep

"Born To Be Wild": Vor 40 Jahren erschien das erste Album der Rockband Steppenwolf. Sänger Joachim Krauledat alias John Kay war als Kind von Tilsit nach Hannover geflüchtet, dann als Jugendlicher nach Kanada ausgewandert, von wo er seine Karriere startete. Durch den Film "Easy Rider" wurde seine Band Steppenwolf weltberühmt.

Dazu Mathias Greffraths schöner Text:
Hannover nach dem Krieg: Zwei Jungs spielen Fußball. Der eine singt später "Born To Be Wild", der andere wird Journalist und schreibt über ihr Wiedersehen nach 50 Jahren: Der Wilde von nebenan:
An der Stimme hätte ich den Jungen nicht erkannt, der mich, ein halbes Jahrhundert ist das her, auf dem Fensterbrett eines Treppenhauses in Hannover für ein paar kostbare Minuten seine Gibson J200 halten ließ. Die war weiß und sah aus wie die von Elvis – aber sie war aus Hartfaserplatte gebastelt und der Hals zu schwach, um Saiten zu halten. Damit stand der Junge stundenlang vor dem Spiegel seiner Mutter, rockte und sang Wörter, die er nicht verstand. Der Spiegel war groß, denn die Mutter war Änderungsschneiderin, und ihr Mann fuhr Zigaretten aus. Das war in der Kronenstraße 37 in Hannover, Mitte der fünfziger Jahre, in einem dieser hellhörigen Nachkriegsmiethäuser mit ihren 40-Quadratmeter-Familieneinheiten, in denen man immer leise sein musste.

Ich fand den Jungen aus dem dritten Stock etwas unheimlich, auf jeden Fall für mich unerreichbar. Mit zwölf schon rannte er im schwarzen Trenchcoat herum, trug Röhrenhosen, seine Schuhe waren braun mit weißem Deckblatt. Immer trug er diese dunkle Brille, immer nahm er ein paar Stufen auf einmal, vielleicht musste er zum Essen und war spät dran, oder er wollte nicht angesprochen werden. Er war nur gut anderthalb Jahre älter als ich, aber schon durch den Stimmbruch und groß wie 18. Ich sang Sopran im Schulchor der Leibnizschule: die Freimaurerhymne von Mozart. »Brüder, reicht die Hand zum Bunde.« Das trieb mir die Tränen in die Augen, verschmolz mit den Wochenschaubildern vom 17. Juni und ein paar Jahre später umstandslos mit der ersten Brecht-Lektüre. What If Mozart Wrote Born to Be Wild? – so heißt der Titel einer alten CD, einer Hommage verschiedener Künstler an Steppenwolf. Gute Frage. What if Adorno had liked jazz? War aber nicht so. ...


KayandFonda
John Kay and Peter Fonda, 2004

Sleeveface

one or more persons obscuring or augmenting any part of their body or bodies with record sleeve(s) causing an illusion:

sleeveface1
sleeveface2

Ein Lob dem schönen alten LP-Cover, - mit CD-Booklets ist das schlecht zu machen ...

Update 2010:
muscatello_mink_deville

Zuweilen VII - Zum Tod von Erwin Geschonneck

bemerkt man erst, wenn man vom Tod eines Menschen erfährt, dass er einem eigentlich schon länger gefehlt hat. Mir wird dieses Gesicht immer in Erinnerung bleiben: Erwin Geschonneck in Frank Beyers Verfilmung von Jurek Beckers einzigartigem Roman Jakob der Lügner:
erwin_geschonneck_jakub-the-liar
Jacob1

Ausnahmsweise sei hier der Nachruf der HAZ zitiert, weil nicht wie üblich bei seinem Ableben auf einen Kommunisten gepisst werden musste:
Er hat mit vielen zusammengearbeitet, die im 20. Jahrhundert Film- und Theatergeschichte geschrieben haben: vor dem Krieg mit Erwin Piscator an der Jungen Volksbühne, nach dem Krieg mit Ida Ehre an den Hamburger Kammerspielen und mit Bertolt Brecht am Berliner Ensemble. Da hatte ihn auch schon der Regisseur Helmut Käutner fürs Kino entdeckt.
Erwin Geschonneck hat selbst Film- und Theatergeschichte geschrieben. Der Sohn eines Flickschusters und Nachtwächters war der vielleicht bekannteste Schauspieler in der DDR. In weit mehr als 100 Film- und Fernsehfilmen hat er mitgespielt. „Das kalte Herz“ (1950), „Fünf Patronenhülsen“ (1960), „Nackt unter Wölfen“ (1962), „Karbid und Sauerampfer“ (1963) zählen zu den bekanntesten. Gestern ist Erwin Geschonneck im Alter von 101 Jahren gestorben.
Was hätte der am 27. Dezember 1906 in Ostpreußen geborene Schauspieler für eine Weltkarriere machen können: Er spielte mit in dem Gettodrama „Jakob der Lügner“ (1974). Frank Beyers Film war der einzige aus der Defa-Produktion, der je für den Oscar nominiert wurde. Doch blieb der Kommunist Geschonneck seinem Staat treu, ohne sich je mit ihm gemein zu machen. Die Akademie der Künste würdigte ihn gestern als einen „aufrechten, unbeugsamen Zeitgenossen“. Wurde Geschonneck gefragt, warum er nie versucht habe, seiner Berliner Plattenbauwohnung und dem ganzen eingemauerten Land zu entkommen, antwortete er: „Mir genügte es auch, ein guter Schauspieler zu sein.“
Kraftvollen, knorrigen, oft mit viel Selbstironie ausgestatteten Figuren hauchte er Leben ein. Nicht immer konnte er mit seinen Rollen hohe Sympathiewerte erzielen: In „Das Beil von Wandsbek“ (1951) war er der unauffällige Familienvater, der den Nazis als Henker diente. In „Sonnensucher“ (1958) spielt er einen aufrechten Kommunisten, der sich gegen verbohrte Funktionäre zur Wehr setzte – beide Filme waren in der DDR zunächst verboten. In „Karbid und Sauerampfer“ schlug er sich als „Karbid-Kalle“ nach Schwejkscher Art durch die Zone, um sieben Fässer Karbid zu ergattern. In „Nackt unter Wölfen“ (1963) gehört er zu den Häftlingen im KZ-Buchenwald, die sich der SS entgegenstellen.
Seinen letzten Film „Matulla und Busch“ drehte er 1995 unter der Regie seines Sohnes Matti Geschonneck. Für Heiner Müller und dessen Projekt „Duell Traktor Fatzer“ kehrte er in den neunziger Jahren noch einmal ans Berliner Ensemble zurück.
Es war wohl kein Zufall, dass in Geschonnecks Filmen immer wieder der Kampf gegen den Faschismus auftaucht: Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 ging er ins Exil, bis nach Odessa in die Sowjetunion verschlug es ihn. Er wurde ausgewiesen und 1939 in Prag verhaftet, überlebte die Todeslager Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges zählte er zu den 4000 KZ-Häftlingen auf dem Schiff Cap Arcona, das von der Royal Airforce versenkt wurde. 350 KZ-Häftlinge kamen damals mit dem Leben davon. Einer davon war Geschonneck.
Seine letzte Ruhe wird er auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof finden, dem traditionsreichen Künstlerfriedhof in Berlin. Seine Grabstätte liegt gleich neben der von Bertolt Brecht und Helene Weigel. Das ist ein würdiger Platz für den Volksschauspieler Erwin Geschonneck.

Ausgabe: HAZ Datum: 13.03.2008
erwin_geschonneck

Sehenswert: Jakob der Lügner (DEFA/Frank Beyer 1974)

Unbedingt hörenswert:
„Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie“
Erinnerungen eines Mannes an das Lager Dachau
Originaltonfeature von Thomas Heise
Rundfunk der DDR, 1987 verboten
Ursendung: 1989

Archäologie XVII - 16. März 1968

My_Lai_massacre

Am Morgen des 16. März 1968, gegen acht Uhr Ortszeit, werden mehrere Kompanien der US-Sondereinheit Task Force Barker auf dem Gebiet des Gemeindeverbandes My Lai abgesetzt, um dieses Terrain in der mittelvietnamesischen Küstenprovinz Quang Ngai zu durchkämmen. Man vermutet dort ein Aufklärungsbataillon der Nationalen Befreiungsfront (FLN), im Westen seinerzeit "Vietcong" (VC), von den amerikanischen Frontsoldaten "Charly" genannt.

Als die Helikopter knapp drei Stunden später, gegen elf Uhr, zurückkehren, um die Männer abzuholen, ist Son My ausradiert. Etwa 500 Tote liegen in Wassergräben und Reisfeldern, auf Feldwegen oder im Dorf selbst - Frauen und Kinder, Männer mittleren Alters, Greise und Säuglinge. Die C-Kompanie unter dem Kommando des Leutnants William Calley hat keinen Vietcong aufgespürt, keine Waffen gefunden, keine Verluste erlitten, keine Gefangenen gemacht, aber einige tausend Schuss abgefeuert.

Ronald Haeberle, Fotograf für die Armeezeitung Stars & Stripes, ist von Anfang an dabei. Was er sieht, wird ihn nicht wieder loslassen, er wird seinen Job aufgeben und ein Jahr danach über diese drei Stunden schreiben, er habe es als Soldat nicht fertiggebracht, seine Kameraden beim Töten zu fotografieren. "Ich fotografierte nur ihre Opfer."

Haeberle wird zum Chronisten des Grauens, er wird es auch wegen der knappen Kommentare, mit denen er seine Bilder versieht. Wer das Massaker nacherleben, wer es rekonstruieren will, muss sich daran halten. In Haeberles Bildlegenden ist zu lesen: "Frauen und Kinder werden zusammengetrieben. In Todesangst sehen sie, dass die Soldaten ihre Gewehre auf sie richten." - "Um das Feuer anzufachen, wirft ein Soldat Strohmatten, die zum Trocknen von Reis benutzt werden, über die Toten." - "Der Körper vor dem brennenden Haus zuckt noch. Ein GI sagt mir, er sehe seither Gespenster."

Als Haeberle ein Jahr nach dem Massaker, inzwischen aus der Armee entlassen, öffentliche Vorträge hält und dabei Bilder aus My Lai zeigt, die bis dahin niemand außer ihm gesehen hat, hört er den Vorwurf, Handlanger des Vietcong zu sein und Fälschungen zu verbreiten. Doch beschreibt Ron Ridenhour - als Soldat 1968 in Mittelvietnam stationiert - zur gleichen Zeit in ungezählten Briefen und Petitionen an Kongressabgeordnete, Senatoren und Journalisten immer wieder, was ihm Calleys Männer über den 16. März 1968 erzählt haben - bis auch die Army einräumt, dass an jenem Tag "die Dinge etwas aus dem Ruder gelaufen sind". Sie ringt sich zu halbherzigen und zähen Recherchen durch, bei denen zu guter Letzt ein Einzeltäter übrig bleibt: Leutnant William Calley, kein monströser Killer, sondern ein überforderter junger Offizier, wie es heißt, dem einfach die Sicherungen durchgebrannt seien und mit ihm den Soldaten der C-Kompanie. Vorsätzliche Tötung gewiss, aber kein Mord, werden später beim Calley-Prozess die Richter sagen

"Wir hatten einen Weg gefunden, wie wir uns keine Vorwürfe zu machen brauchten", räsoniert Captain Willard in Francis Coppolas Vietnam-Film Apocalypse Now über den Umgang mit Zivilisten in Vietcong-Gebiet, "wir zerhackten sie mit Maschinengewehren in zwei Hälften und legten ihnen dann einen Verband an."

...
Hier weiterlesen:
Lutz Herden: Ausflug nach Pinkville - MY LAI 1968 * US-Truppen säubern in Südvietnam ein Vietcong-Gebiet
democracy_vietnam_mylai03

Vgl. auch: Über My Lai und besondere Morde im Krieg


Erich Fried
Antiquitätenladen in Saigon


Durchbrochene Elfenbeinkugeln
geschnitzt noch im alten Annam
umschließen kleinere Kugeln
die wieder Kugeln umschließen
alle vielfach durchbrochen
und frei beweglich
ineinander geschnitten
in mühsamer Arbeit
aus einem Stück
ohne erkennbaren Zweck
Auch der Krieg in Vietnam
ist vielfach durchbrochen
und durch die Löcher
bestaunt man kleinere Kriege
umschlossen vom großen
im Inneren frei beweglich
und hört sie rasseln
alle von Menschenhänden
in mühsamer Arbeit geschnitten
aus einem Stück

....
Sie berechnen die Masse des Nichts den Kurswert der Explosionen und die Halbierungsperiode der Intelligenz und die Transformationen von Menschen in strahlenden Staub zur Erhaltung der Energie der bestehenden Ordnung ...
Erich-Fried

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

Haftungsausschluss

The music featured on this blog is, of course, for evaluation and promotion purposes only. If you like what you hear then go out and try and buy the original recordings or go to a concert... or give money to a down on his luck musician, or sponsor a good busker, it may be the start of something beautiful. If your music is on this blog and you wish it removed, tell us and it shall be removed.

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