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Deutsche Schulpflicht wider grundlegende Menschenrechte - oder: Ein Recht haben wollen und Recht haben dürfen (schon wieder Sarrazin)

Es ist Roberto de Lapuente ja zuzustimmen:
Ich gebe es offen zu: ich fürchte mich. Mir wird es schwindelig, wenn ich die Kommentare verfolge, die man Sarrazins Buch angedeihen läßt, wenn ich auf Verkaufsplattformen klicke, bei denen die Kundenrezensionen fast einheitlich voll des Lobes sind für diesen Mann und seine konfusen Thesen. Angst stellt sich ein, wenn ich aus jeder Ecke höre, er sei zwar vulgär und unanständig, aber im Kern habe er, das müsse man honorieren, doch vollkommen recht...

Aber es gibt Hoffnung. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen:

1. Recht
Der erste Satz Sarrazins im SPIEGEL-Vorabdruck lautet

Es ist das Recht einer jeden Gesellschaft, selbst zu entscheiden, wen sie aufnehmen will, und jedes Land hat das Recht, dabei auf die Wahrung seiner Kultur und seiner Traditionen zu achten.


und ist wahrscheinlich auch das erste treffende Beispiel für "Na klar doch!", "Aber immer!", "Da hat er ja wohl recht, oder!?" - also die vielzitierte Zustimmung. Schülerinnen und Schüler eines Politik-Kurses 12/13 haben sofort erkannt, dass hier bereits unzulässig verkürzt wird:

ad 1: Wenn diese Gesellschaft, was wir einmal annehmen, in der Tradition westlicher Demokratien irgendwie qua Gesellschaftsvertrag staatlich verfasst ist (etwa nach § 20 GG), dann stellt sich die Frage, wie diese Gesellschaft dies entscheidet, mithin die nach den Strukturen demokratischer Willensbildung, die dann dieses Recht der Gesellschaft, eine Angelegenheit als res publica zu erkennen und so oder so regeln zu wollen, in allgemein gültiges Recht überführen könnten. Damit wären wir bei der Frage dem Zustand der Öffentlichkeit in diesem Lande und der nach nach den Partizipationsmöglichkeiten (deren Wahrnehmung offenbar in engem Zusammenhang mit den Denkmustern der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit steht).

ad 2: Wenn nun ein solch demokratisch verfasster Rechtsstaat in dieser Angelegenheit Recht setzen soll, ist er dann frei zu entscheiden, wer aufgenommen werden soll - auch im Hinblick auf seine Kultur und seine Traditionen?
Als Mitglied der Vereinen Nationen hätte er zumindest die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Betracht zu ziehen, deren Artikel 14 Absatz 1 lautet

Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.

Wohlgmerkt: in anderen Ländern, deren Recht zu entscheiden, wen sie aufnehmen wollen, dann offenbar doch eingeschränkt und nicht absolut ist, wie Sarrazins erster Satz suggeriert. [Nachtag: Daniela Dahn verweist in einem sehr lesenswerten Artikel im FREITAG dieser Woche auf die Bedeutung dieses Dokuments : Überfordern uns die Menschenrechte? Keine Freiheit ohne soziale Würde – Plädoyer für ein neues demokratisches Selbstbewusstsein]

2. nochmal (Menschen-) Recht

Es hat mich hoffnungsvoll gestimmt, dass meine Lieblings-HAZ im Zusammenhang mit einer interessanten Reportage über die Amish People (als Beispiel einer geduldeten bildungsfernen Parallelgesellschaft) immerhin, wenn auch nur in der Wochenendbeilage einen Artikel veröffentlicht, der als Kassiber in der Integrationsdebatte genannten causa Sarrazin gelesen werden muss:

Ein Grund für politisches Asyl? Die deutsche Schulpficht ist in Amerika undenkbar – und für die Vereinten Nationen ein Anlass zum Tadel.

Die Vereinigten Staaten sind ein Land, das Religionsflüchtlingen Zuflucht gewährt. Das galt vor 200 Jahren – und das gilt noch heute. Zu den jüngsten Fällen zählt die Familie Romeike aus Baden-Württemberg. Ein Gericht in Memphis sprach ihnen in diesem Jahr politisches Asyl zu, da in der Heimat der Romeikes gegen die Menschenrechte verstoßen wird. Harte Worte für amerikanische Richter, die in ihrer Begründung die Lebensverhältnisse in Deutschland anprangern. Der Streitpunkt: Die Romeikes wollen ihre fünf Kinder selbst unterrichten. Zu Hause und in eigener Regie. Was in den USA und in den meisten Ländern der Welt als selbstverständlich gilt, nahmen die strenggläubigen Evangelikalen für sich in Anspruch: Unterricht zu geben, der sich an staatlichen Lehrplänen orientiert, aber nach strengen moralischen Vorstellungen verläuft.
Ein Vorhaben, das hierzulande immer mal wieder für Aufsehen und Ärger sorgt. Während es in den meisten Staaten nur eine Unterrichtspflicht für Kinder gibt, hebt sich Deutschland mit seiner Schulpflicht ab.
Im Jahr 2003 hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Pflicht zum Schulbesuch „der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten Parallelgesellschaften“ entgegenwirke und dabei helfe, „Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren“. …
Dass die deutsche Schulpraxis nicht unumstritten ist, wird regelmäßig von den Vereinten Nationen hervorgehoben. Vernor Munoz, UNSonderberichterstatter für das Recht auf Bildung, warf 2006 Berlin vor, den Hausunterricht zu kriminalisieren. Kritiker verweisen zudem auf das Reichsschulpflichtgesetz von 1938, das von den Nationalsozialisten erlassen wurde, um eine ideologische Gleichschaltung der Heranwachsenden zu erreichen. Schulpflicht bestand zwar schon zuvor in Deutschland, aber erst unter den Nazis wurde ein Verstoß gegen dieses Gesetz unter Strafe gestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schulpflicht auch in den Ostblockstaaten mit Vehemenz durchgesetzt – und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder fallen gelassen. Individuelle Möglichkeiten des Lernens sind heutzutage in Osteuropa ebenso möglich, wie beispielsweise in Österreich, Dänemark, Frankreich oder Großbritannien. Dort sind es keineswegs nur religiöse Sektierer, die für ihre Kinder eigene Bildungswege praktizieren, sondern auch gut ausgebildete Eltern, die für sich in Anspruch nehmen, den Unterricht selbst gestalten zu können.
Nicht zimperlich in seiner Argumentation war denn auch US-Einwanderungsrichter Lawrence Burman: „Wir können nicht erwarten, dass jedes Land unserer Verfassung folgt. Aber die Rechte, die bei der Familie Romeike verletzt werden, sind grundlegende Menschenrechte, die kein Land verletzen darf.“

Tatsächlich werden in Nordamerika etwa 1,5 Millionen Kinder von ihren Eltern unterrichtet.
Eine Praxis mit jahrhundertealter Tradition. Das Recht auf „homeschooling“ wird in sämtlichen US-Bundesstaaten gewährt, wenngleich die konkreten Regeln unterschiedlich ausfallen. Während der Bundesstaat New York für sein engmaschiges Kontrollsystem bekannt ist, wird den Familien in anderen Teilen der USA weitestgehend freie Hand gelassen. Üblich sind allerdings häufig Abschlussprüfungen unter staatlicher Aufsicht zum Abschluss eines Schuljahres.
Einen eigenen Weg haben die Amish-Familien in Pennsylvania entwickelt. Ihre Kinder werden entweder von den Eltern unterrichtet oder von unverheirateten Amish-Frauen in gemeindeeigenen Einrichtungen, den sogenannten Einraumschulen. Die Unterrichtsmaterialien entwickeln die Amish größtenteils selbst, um den Alltag jenseits von Autos, Computern und iPads besser darstellen zu können.
STEFAN KOCH, HAZ vom 04.09.2010

Wohlgemerkt, ich halte die allgemeine Schulpflicht für eine demokratische Errungenschaft, die unhintergehbar sein sollte, aber interessant ist doch, dass man das offenbar auch anders sehen kann - und sich somit wieder die Frage stellt, wie eine Gesellschaft das denn entscheidet. Dass sie dabei nicht frei ist in ihrer Entscheidung, sondern gebunden an grundlegende Menschenrechte, wie der US-Einwanderungsrichter klarstellt, ist hierzulande offenbar kein anerkannter Standard politischer Debatten (wenn man das, was hier zu Migration, Energie- und Bildungswesen ... abgesondert wird, überhaupt so nennen will).

Paradise Castle ... und Party für die Lumpenbourgeoisie II: Lohnvorschussausfallversicherung

... Spätestens von Ende dieses Jahres an will die Bundesregierung Arbeitnehmern ermöglichen, in Familienpflegezeit zu gehen. Wer das Angebot annimmt, muss nach Vorstellungen des Bundesfamilienministeriums eine Versicherung abschließen – für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Lohnvorschuss nach der Pflegezeit wegen Berufsunfähigkeit oder Tod nicht zurückzahlen kann. An diesem Konzept, von dem die Versicherungswirtschaft profitieren wird, hat auch eine Versicherung mitgeschrieben. Das hat das Ministerium dem „Hamburger Abendblatt“ bestätigt.

Offenkundig wurde das Engagement der Nürnberger Versicherungsgruppe, nachdem Linke-Vorsitzender Klaus Ernst die Bundesregierung um eine Stellungnahme gebeten hatte. In dem Regierungsschreiben, das dem „Abendblatt“ vorliegt, heißt es, „dass im Zusammenhang mit Erstellung des Gutachtens die Nürnberger Versicherungsgruppe sowie die Kreditanstalt für Wiederaufbau Bankengruppe einbezogen wurde“...

Gutachten bei der MaschmeyerRürup AG in Auftrag gegeben

Das Familienministerium sieht in der Beteiligung der Versicherung an dem Konzept dagegen nichts Verwerfliches. Die geplante „Lohnvorschussausfallversicherung“ sei nicht in Absprache mit der Versicherungswirtschaft erarbeitet worden, sagte eine Ministeriumssprecherin. Vielmehr habe man das Gutachten bei der MaschmeyerRürup AG in Auftrag gegeben und dieser Firma „keine Vorgaben hinsichtlich der Einbindung von weiteren Akteuren gemacht“.

Aus dem vorliegenden Konzept ergebe sich lediglich, dass die versicherungsmathematischen Berechnungen und Schadentabellen in Zusammenarbeit mit der Nürnberger Versicherungsgruppe auf Machbarkeit und Kalkulationsgrundlagen „geprüft“ worden seien. Aus Sicht des Ministeriums sei das „im Interesse einer praxisnahen Bewertung des Konzepts nicht zu beanstanden“.

Lohn: 47.500 Euro plus Mehrwertsteuer

Carsten Maschmeyer, früherer Vorstandsvorsitzender des Finanzdienstleisters AWD, und Bert Rürup, ehemaliger Wirtschaftsweiser und Erfinder der Rürup-Rente, stehen hinter der beauftragten Beraterfirma. Sie entwickelt seit Anfang des Jahres Konzepte zur Altersvorsorge und zur Absicherung von Gesundheitsrisiken. Zum avisierten Kundenstamm gehören nach Firmenangaben „politische Entscheidungsträger und staatliche Institutionen“.

Im Familienministerium wird der Auftrag an die noch sehr junge MaschmeyerRürup AG mit einer „besonderen Befähigung“ und „umfassenden Kenntnissen in den Bereichen der Sozialversicherung, des Arbeitsmarktes und der Versicherungswirtschaft“ begründet. Für das Versicherungskonzept, an dem die Nürnberger Versicherungsgruppe mitschrieb, zahlte das Bundesfamilienministerium nach eigenen Angaben an Rürup 47.500 Euro plus Mehrwertsteuer.


Als einzige Quelle im Netz findet sich eben dieser Welt-Online-Artikel; - Gremliza erwähnt's in seiner aktuellen Kolumne:

"Und so wird nun jeder pflegende Angehörige vom Gesetz verpflichtet werden, eine Lohnvorschussausfallversicherung abzuschließen, das heißt: die Pflege auf seine Kosten für private Versicherer profitabel zu machen ..."

Volker Pispers - Lohnvorschussausfallversicherung

Paradise Castle ... und Party für die Lumpenbourgeoisie I

Statt Sarrazin: Janine White über ihr neues Leben

Zu Sarrazin ist alles gesagt: am besten in den letzten Tagen von Roberto de Lapuente (Tabubrechende Idiotie - man lese auch die Kommentare), Wilhelm Heitmeier (Interview in SWR2, Download hier, Manuskript hier) und Hermann L. Gremliza (Der real existierende Asozialismus - bereits in Konkret 11/09).

Ansonsten erlaubt bereits die simple Eingabe der Suchbegriffe "Basken" und "Gene" bei irgendeiner Suchmaschine tiefe Einblicke in den alltäglichen Biologismus/Rassismus/Sexismus in diesem Lande:

BZ 24. Juli 2010
Nach der Trennung von Produzent Jack White (69) spricht Janine White (42) über ihr neues, freies Leben...

baskin_janine-white-3_2541756Sie trägt eines dieser hippen Sommerkleider in Camouflage - Tarn-Muster. Fast übersieht man sie zwischen den Bäumen im Garten des Jüdischen Museums. Aber: Janine White (42) – groß, schlank, wild-gelockt – will jetzt gesehen werden, sie will sich nicht verstecken. Nicht mehr. „Ich war immer die Frau im Hintergrund, die Schattenfrau. Mein Mann war das Alphatier“, sagt sie.
20 Jahre war Janine die Frau an der Seite von Musikproduzenten Jack White (800 Millionen verkaufte Platten)...
Ihre dunklen Bambi-Augen flirren im Garten umher, die Locken-Mähne kraust sich über der Stirn, die rechte Hand gestikuliert wild über den Tisch, Grübchen rechts, Grübchen links – Eine-Frau-geht-ihren-Weg-Grinsen....
Die Worte donnern über ihre Lippen, überschlagen sich. „Das sind die Mongolen-Basken-Gene“, entschuldigt sich White. Mutter: Deutsch-Französin. Vater: Türke. Aufgewachsen: in Baden-Baden. Abiturnote: gut. Medien- Studium, Volontariat, Job beim Badischen Tagblatt, danach Bauer-Verlag. Und dann kam Jack! ...


Das Basken-Gen konnte also von der BZ schon im Juli nachgewiesen werden: Bei Frauen zeigt es sich offenbar durch Donnern und Überschlagen von Worten an den Lippen, bei Männern vermutlich an der Mütze:

Hier junge Basken mit Mütze
basken_tn

hier ein Baske ohne Mütze
baske-ohne

hier ein Deutscher mit Mütze
baske-deutsch

und hier ein Deutscher mit baskenähnlicher Mütze, was auf eine Verwirrung im Genpool hindeuten könnte
baske-meine

Interessant ist noch der Hinweis auf baskenmuetze.net, dass die Baskenmütze im Mittelpúnkt oftmals einen kurzen Stummel trägt , ein Rest früherer sehr langer Bommel. Das könnte erklären, warum die Forschung davon ausgeht, dass die Europäer von den Basken abstammen.

Es bleibt die Frage, warum in Deutschland immer erst - einerseits blöde, anderserseits unverzichtbare - Tabus gebrochen werden müssen wie das um - wenn es die denn gäbe - das Baskenmützengen oder das Judengen, von dem keiner weiß, ob es Staatsbürgern Israels oder Angehörigen der jüdischen Religionsgemeinschaft oder Bewohnern der persischen Provinz Jehūdāh eigen sein soll, um irgendwie debattenmäßig in Gang zu kommen.
Es hätte doch gereicht, - wenn man denn unbedingt Tabubrüche braucht -den recht intelligenten Tabubruch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan zum Anlass für eine intelligente Debatte zu nehmen, der im Februar 2008 in Köln die in Deutschland lebenden Türken zur Integration aufgefordert hat, zugleich aber vor völliger Aufgabe ihrer kulturellen Identität (Assimilation) gewarnt hatte. Assimilation bezeichnete er als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, - oder ganz sachlich das Jahresgutachten 2010 des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration unter dem Titel „Einwanderungsgesellschaft 2010“!
[Der Sachverständigenrat geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören acht Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Körber-Stiftung, Vodafone Stiftung und ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius]

Anders gefragt: Warum muss hier immer ein deutschstämmiger(?) faschistoider Arschdenker dafür gelobt werden, dass er ein notwendiges, gar unverzichtbares Tabu bricht, um eine seit langem notwendige Debatte anzustoßen, die keines Tabusbruchs bedarf, um geführt zu werden ...??????

Zumal [Nachtrag] wenn er sein Arschdenk auch noch öffentlich ausstellt:
Es ging - in einem SZ-Interview - um die Frage, woher Sarrazins viel zitierte, im Brustton der Faktizität vorgetragene Behauptung eigentlich kommt, dass siebzig Prozent der türkischen und neunzig Prozent der arabischen Bevölkerung Berlins den Staat ablehnten und in großen Teilen weder integrationswillig noch integrationsfähig seien. Sarrazin gab zu, dass er keinerlei Statistiken dazu habe. Er gab zu, dass es solche Statistiken auch gar nicht gibt.
Bisher hat schlichtweg kein Meinungsforscher der türkischen und arabischen Bevölkerung Berlins diese Frage gestellt. Thilo Sarrazin behauptet also etwas, von dem er schlicht und einfach nichts weiß. Wenn man aber keine Zahl hat, erklärte Sarrazin dem Reporter weiter, muss »man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«.

Tobias Kniebe im sz-magazin

oder so:
In einem Gespräch mit der „taz“ polterte Sarrazin auf die Frage, was er von der Kritik der Ex-Bischöfin Margot Käßmann an seinem Buch hält: „Vielleicht hat sie das Buch nicht gelesen. Oder sie hat beim Lesen wieder ein bisschen zu tief ins Glas geschaut. Wenn die Buchstaben auseinanderlaufen, kann man schon etwas missverstehen.“ via ad sinistram

Vgl. BBC4: Racism - A History Pt 3 (- unbedingt ansehen; wenn keine Zeit: zur Erledigung der pseudowissenschaftlichen Grundlagen des Sarrazinismus wenigstens ab 54')

via Documentary Heaven</
... siehe auch unten zur Sozialeugenik ...

... und Seeßlen schreibt:
„Die Thesen von Thilo Sarrazin zu Bildung und Zuwanderung sollte man diskutieren, nicht den Autor verteufeln“, schreibt Necla Kelek in der F.A.Z. Na, Bravo! Vielleicht sollte man auch noch mal die Ansprachen eines gewissen Hynkel, alias Charles Chaplin aus „The Great Dictator“ (Sie erinnern sich: „Sauerkraut mit de Wiener Schnitzel. Und de Jüden! Ah, de Jüden!“) dahingehend befragen, ob man sie nicht diskutieren müsse, statt darüber zu lachen...



[Nachtrag]
DER FALL SARRAZIN, oder WIE MAN EINEN RECHTSPOPULISTEN HERSTELLT (REDUX) von Georg Seeßlen
Jede Kultur bekommt die Skandale die sie verdient. Und jede politische Kultur bekommt die populistischen Zündler, die sie verdient. Wie die einen ihm dann klammheimlich zustimmen, die anderen sich empört zeigen, allesamt ihm aber das Brennmaterial liefern, das hat mittlerweile seine feste Dramaturgie in den europäischen Demokratien. In den Erscheinungen der Rechtspopulisten bündeln sich nicht nur die verborgenen Impulse von Missgunst, Aggression und ganz einfach Dummheit, sie scheinen, wie andernorts die begnadeten Komiker etwas von der verborgenen Seele einer Gesellschaft auszudrücken, etwas, von dem man nicht gern spricht, und dem man doch auf Schritt und Tritt begegnet, genau das, was einem gebildeten Menschen am eigenen Land so furchtbar peinlich ist...
- unbedingt weiterlesen!

Archäologie CVII: The Soft Parade

When I was back there in seminary school
There was a person there
Who put forth the proposition
That you can petition the Lord with prayer
Petition the lord with prayer
Petition the lord with prayer
You cannot petition the lord with prayer!



When You’re Strange uncovers historic and previously unseen footage of the illustrious rock quartet and provides new insight into the revolutionary impact of its music and legacy. Directed by award-winning writer/director Tom DiCillo and narrated by Johnny Depp, the film is a riveting account of the band’s history.

Said Depp, “Watching the hypnotic, hitherto unreleased footage of Jim, John, Ray and Robby, I felt like I experienced it all through their eyes. As a rock n’ roll documentary, or any kind of documentary for that matter, it simply doesn’t get any better than this. What an honor to have been involved. I am as proud of this as anything I have ever done.”

The film reveals an intimate perspective on the creative chemistry between drummer John Densmore, guitarist Robby Krieger, keyboardist Ray Manzarek and singer Jim Morrison — four brilliant artists who made The Doors one of America’s most iconic and influential rock bands. Using footage shot between the band’s 1965 formation and Morrison’s 1971 death, When You’re Strange follows the band from the corridors of UCLA’s film school, where Manzarek and Morrison met, to the stages of sold-out arenas.

The film is produced by Wolf Films/Strange Pictures, in association with Rhino Entertainment, and released by Abramorama. Additional credits for WHEN YOU’RE STRANGE include producers Dick Wolf, John Beug, Jeff Jampol, and Peter Jankowski. The film is written and directed by Tom DiCillo (“Johnny Suede,” “Living in Oblivion”). Narrated by Johnny Depp (- sehr schöner Kommentar: You can't burn out when you're not on fire!).

Jetzt bei Documentary Heaven! - unbedingt ansehen!

Zugabe: 1 wunderbares Bild aus dem Film:

Morrison-kind

Archäologie CVI: The Erlking - oder: Der Vorfilm

Ich erinnere mich, dass es in meiner Jugend im Kino Vorfilme gab. Nach Wikipedia bezeichnet man als Vorfilm einen in der Regel kurzen Film, der im Kino vor dem eigentlichen Hauptfilm gezeigt wird (also nach der Wochenschau)!
Da die faschistische Filmpolitik den deutschen Kulturfilm ruiniert hatte, das erzieherische Setting der Kino-Kultur aber beibehalten wurde, musste man in den 50er und 60er Jahren auf andere Quellen ausweichen. Ich meine, dass viele Vorfilme - die ich damals in Erwartung des Hauptfilms nicht so recht würdigen konnte - vom National Film Board of Canada stammten.
Das fiel mir ein, als ich kürzlich via Peter Glasers Glaserei auf der aktuellen Seite des NFB vorbeikam. Sehr empfehlenswert: Watch hundreds of films online. Enjoy documentaries, animations and alternative dramas on the web, on your personalized home page ...

Sehr schön z. B. Ben Zelkowicz' The Erlking: This animated short is a visual representation of Goethe's poem, The ErlKing that uses sand-on-glass animation set to the music of Franz Schubert. The moving images, resembling woodcuts, capture the haunting, nightmarish quality of the tale of the ErlKing ... - auch für Deutschlehrer, die die Balladen-Quälerei variieren möchten:

Are You Tony Sheridan?

sheridan

Tony Sheridan is a man who has been at every crossroads of Rock and Roll and now lives in a remote village in northern Germany far from high-energy Hamburg where once he was a star and where his name is featured at the 'Beatles-Platz' memorial. Most people think of Tony as the man who first recorded with the Beatles and who played with them during their seminal time in Hamburg at the start of the Sixties. But, as this documentary shows, there is far more than that to the story of Tony Sheridan.

In his turbulent and rich life he has worked with the Beatles, entertained the troops in Vietnam, played with Elvis Presley's backing band - and abandoned British citizenship to take on the Irish citizenship of the father he rediscovered in adulthood. All that and far more. In this feature for RTE's Documentary on One, Tony tells the story of his life journey - with lots of great music and plenty of good stories along the way. This is a must for anyone who wants to know more about the Beatles, Rock and Roll, life lived to the full - and the best way to string a guitar.

Written and Produced by Martin Duffy.

First broadcast 17th July 2010

Listen or download here!

No, I'm John Baldry!

LJB by Number Three
via Never Get Out Of The Boat von Baldry's 1971er Album "It Ain't Easy" (produziert von Rod Stewart und Elton John - mit Musikern ihrer beiden Bands).

baldry

Mich wundert, daß ich so fröhlich bin - oder: Prothesengotts Prothesenhaupt revisited - oder: Falsch Gm8 IV

Herr K. erinnerte mich kürzlich an eine sehr treffende Formulierung Peter von Matts, auf die ich ihn wohl Ende der 90er aufmerksam gemacht hatte. In dem Aufsatz "Kultur und Gechwindigkeit - Überlegungen vor einem namenlosen Gedicht" (aus dem Jahre 1996) fragt sich von Matt, welche Antworten auf welche Fragen wohl vom beschleunigten Gehirn des Prothesengotts (m . a. W. vom www) erwartet werden können. Er verdeutlicht sein Unbehagen mit einem kleinen Gedankenspiel zu diesem namenlosen Gedicht (für das er als Quelle einen Brief des in die Schweiz geflohenen Heinrich von Kleist angibt, in dem es heißt, er - Kleist - habe es als Inschrift an einem Haus in seiner Straße gefunden):

Könnte ich nicht im Internet eine Homepage eröffnen mit allen Daten zu meiner Person und abschließen mit dem Vers:

Ich komme, ich weiß nicht, von wo?
Ich bin, ich weiß nicht, was?
Ich fahre, ich weiß nicht, wohin?
Mich wundert, daß ich so fröhlich bin.

Und könnte ich dann von den vernetzten Forschungsstellen, Wissenscontainern und Datenbanken nicht die erwünschte Information abrufen über den Grund dieser meiner Fröhlichkeit?
Vielleicht bekäme ich tatsächlich eine Antwort. Etwa so:

„Auch bei orientierungsgestörten Personen können kurzfristige euphorische Zustände regulär auftreten.“
Das wäre unstreitig eine Rückmeldung. Aber ob sie nun so oder etwas anders lauten würde, ich könnte mit ihr in jedem Fall weit weniger anfangen als mit der Frage selbst. Und damit ist der entscheidende Punkt berührt. Offenbar gibt es zweierlei Fragen. Solche, auf die ich mit einer Information antworten kann, und solche, auf die ich nicht mit einer Information antworten kann. Beide haben mit Unwissenheit zu tun, aber die Aufhebung dieser Unwissenheit, der Gewinn von Erkenntnis, läuft jedesmal verschieden ab. Wo es um Information geht, kann die Aufhebung der Unwissenheit beschleunigt werden, und zwar nahezu unbegrenzt, wie sich heute zeigt. Bei den Fragen der anderen Art indessen - also beispielsweise gegenüber dem Satz: „Mich wundert, daß ich so fröhlich bin“ - gibt es keine Möglichkeit zur Beschleunigung der Erkenntnis. Und genau das ist der Skandal solcher Fragen und solcher Sätze, es ist der Skandal nicht nur jener kleinen Gedichte, sondern alles dessen, was mit ihnen im weitesten Sinne verwandt ist. Sie entziehen sich der offiziellen Geschwindigkeit der Zivilisation.

Die neuere Begegnung mit von Matts Gedanken lies mich an den Kurzschluss denken, der der jüngsten Reform (nicht nur der) gymnasialen Oberstufe zu grunde liegt: Information + Kompetenz ergebe so etwas wie Bildung. Mitnichten: Es ergibt statt Erkenntnis eben jene Information, dass auch bei orientierungsgestörten Personen kurzfristige euphorische Zustände regulär auftreten können, die eben keine Frage beantwortet ...

Als ein anderes Beispiel jener skandalösen kleinen Gedichte zitiert von Matt Bertolt Brechts

Der Radwechsel
Ich sitze am Straßenhang.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
mit Ungeduld?

brecht_2Die Ergebnisse der Google-Suche nach dem Text offenbaren das Problem, das von Matt so scharfsinnig benennt: Die Verwurstung von Literatur zur Texterschließungskompetenz, die Unterwerfung der Suche nach Antworten unter die offizielle Geschwindigkeit der Zivilisation, die Erzeugung der Illusion der Aufhebbarkeit von Unwissenheit ... (mit Ausnahme von - das muss gesagt werden -: norberto, der sich seinem Motto "Man ist nicht umsonst Philologe gewesen, das will sagen, ein Lehrer des langsamen Lesens" gemäß dem Gedicht nähert).

Peter von Matt
Die verdächtige Pracht
Über Dichter und Gedichte

Höhere Bildungsmotivation in türkischen Familien

Studie: Türkische Grundschulkinder und ihre Familien streben bei gleichen Voraussetzungen wie deutschstämmige Schüler eher die höheren Schularten an

HAZ_Bildungimg-php

Eine Studie des Soziologen Jörg Dollmann am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) zeigt, dass es nicht die Motivation der türkischen
Bevölkerungsgruppe ist und auch nicht die Einschätzung der (überwiegend deutschen) Lehrkräfte, die dafür verwantwortlich ist, wie viele türkischer Kinder die jeweiligen Schulformen besuchen. Türkische Kinder würden bei gleichem sozialen Hintergrund und gleicher schulischer Leistung sogar häufiger auf anspruchsvolle Schulformen wechseln als Kinder ohne Migrationshintergrund. Die Hauptschule wird, sofern es die schulischen Leistungen zulassen, gemieden.

... Diese erfreuliche Tendenz erklärt aber nicht den hohen Anteil an Haupt- und Sonderschulen.

... Diesen Umstand beleuchtet eine Studieder Johannes Gutenberg Universität in Mainz aus dem Jahr 2008. Die Vergabe von Noten ist der Studie nach zwar immer noch der Haupt-Einflussfaktor dafür, ob die Empfehlung für ein Gymnasium erteilt wird oder nicht. Betrachtet man aber Kinder mit gleicher Durchschnittsnote, dann bekommen Kinder aus der niedrigsten Bildungs- und Einkommensgruppe mit einer Wahrscheinlichkeit von 76 Prozent eine Gymnasialempfehlung, während in der höchsten Bildungs- und Einkommensgruppe nahezu alle Kinder, nämlich 97 Prozent, eine Empfehlung für das Gymnasium erhalten...

Manfred Podzkiewitz tp 24.08.2010

Meine LieblingsHAZ von heute drückt es anders aus:

Der Stadtteil bestimmt die Bildungschancen

Die Schulempfehlung für Viertklässler spiegelt die Sozialstruktur der Kinder wider: 72,4 Prozent der Viertklässler, die im gut situierten Kirchrode zur Grundschule gingen, haben eine Empfehlung für das Gymnasium bekommen. In der Egestorffschule in Linden-Süd waren es nur 14,3 Prozent...




Linden-Süd ist - damit auch Nicht-Hannoveraner den Witz verstehen - so etwas Ähnliches wie Kreuzberg.


Aufs Gymnasium streben allein reicht eben nicht. Da sei letztlich sogar das BVerG davor:
Ein von Hartz IV lebender Gymnasiast aus dem Raum Ludwigshafen hatte versucht, Geld für seine Schulbücher zu erstreiten. Die Bildungspolitik im SPD-regierten Rheinland-Pfalz verlangte ihm ab, die Lehrwerke selbst zu kaufen...
Im Schuljahr 2005/2006 sollte der Junge Lehrwerke für knapp 200 Euro kaufen. Ein Buchgutschein für bedürftige Familien deckte nur 59 Euro davon ab. Das restliche Geld beantragte der junge Mann bei der ARGE und wurde abgewiesen. Dagegen klagte er, scheiterte nun aber vor dem höchsten Sozialgericht...
Die Kasseler Richter sahen keine Anspruchsgrundlage für Schulbücher im Hartz-IV-System. Sie sahen auch keine Chance, die Situation des Gymnasiasten als Notlage zu werten, sodass der Landkreis als Sozialhilfeträger einspringen müsste. Schulbücher seien ein für Kinder und Jugendliche typischer Bedarf, betonten sie. Der sei zwar verfassungswidrig nicht gedeckt gewesen. Der Kläger müsse das aber hinnehmen, weil Karlsruhe nicht verlangt habe, dies rückwirkend zu reparieren...

Katja Schmidt im FREITAG:
Keine Fahrkarte zum Gymnasium



Nachtrag:
Von den USA lernen heißt siegen lernen: Die Obama-Lösung des Problems: Race To The Top

Beim “Race to The Top” bekommen künftig nur noch Lehrer mit guten Schülern mehr Geld vom Staat. Heute zeigt sich, wer gewinnt. Leistung: “ungenügend” – diese Note wurde 241 Lehrern aus der US-Hauptstadt Washington zum Verhängnis. Weil ihre Schüler in Vergleichstests zu schlecht abgeschnitten hatten, griff die Chefin der Schulbehörde durch. Michelle Rhee feuerte die Pädagogen der öffentlichen Schulen, die Schülern ihrer Meinung nach nicht das gegeben haben, was ihnen zusteht: ordentliche Bildung. Was jahrzehntelang nicht gelang, schafft Präsident Barack Obama mit einem Trick: “Race to the Top”, heißt er. Seit Jahren belegen US-Schüler in internationalen Mathe-Vergleichstests die letzten Ränge. Studien der Universitäten Boston und Chicago ergaben, dass etwa ein Drittel aller Schüler die Highschool ohne Abschluss verlässt. Dies zu ändern war eines von Obamas Wahlversprechen. Staaten, die bereit sind, ihr Schulsystem durch Reformen voranzubringen, werden mit kräftigen Finanzspritzen belohnt. Viele Regierungen haben für den Fall einer Kündigungswelle schon mal vorsorglich Pakte mit den Gewerkschaften geschlossen. Die Schlechten müssen gehen, die Besten bekommen mehr.
“Doch wie findet man die Besten, wenn Lehrer durch das Programm derart eingeschüchtert werden, dass sie vor Angst gelähmt sind?”, fragt die Leiterin einer Grundschule in Washington. Wie viele ihrer Kollegen stand sie grundsätzlich hinter dem Obama-Rennen. “Doch was wir jetzt um uns herum erleben, macht einfach Angst. Man kann doch die Lehrer nicht dafür verantwortlich machen, wenn ihre Schüler in einem sozialen Umfeld aufwachsen, das Lernen einfach unmöglich macht.”

Quelle: taz

Archäologie CV: Henyrk Górecki - Symphony No. 3, Op. 36



via Live Journal - mit genaueren Informationen.

Kürzlich in Ostholstein

Später Sommer

DSCI0494

DSCI0461



Da wir gerade wie auch immer auf Michel Polnareff gekommen sind, hier diese Beigabe:

Europäische Handelsströme

Die interaktive Grafik von FTD.de zeigt, dass in Europa außer Deutschland tatsächlich nur wenige Länder Exportüberschüsse produzieren. Solche Überschüsse entstehen, wenn ein Land unterm Strich mehr Waren ausführt als importiert. Das kann man positiv sehen - als Ausdruck der Beliebtheit der heimischen Produkte im Ausland. Es kann aber auch ein Zeichen für die Schwäche des Binnenkonsums sein - und somit für eine ungesunde Schieflage einer Volkswirtschaft oder eines Wirtschaftsraumes.

Handelsstroeme

Der Citoyen, die Schulden und die Vermögensverteilung

Wie findet man eine Gesellschaftsform, die mit der ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes Gesellschaftsmitgliedes verteidigt und schützt, und durch die jeder einzelne, obgleich er sich mit allen vereint, ... nur sich selbst gehorcht und so frei bleibt wie vorher? Dies ist die Hauptfrage, deren Lösung der Gesellschaftsvertrag gibt.
Dieser lässt sich in folgende Worte zusammenfassen: Jeder von uns stellt gemeinschaftlich seine Person und seine Kraft unter die oberste Leitung des allgemeinen Willens, und wir nehmen jedes Mitglied als untrennbaren Teil des Ganzen auf.
Wenn sich jeder allen hingibt, gibt er sich damit niemandem hin, und da man über jedes Gesellschaftsglied dasselbe Recht erwirbt, das man ihm über sich gewährt, so gewinnt man für alles, was man verliert, Ersatz und mehr Kraft, das zu bewahren, was man hat. . ... Die Gesellschaftsgenossen führen als Gesamtheit den Namen Volk und nennen sich einzeln als Teilhaber der Souveränität Staatsbürger (citoyen) ... Solange mehrere vereinigte Menschen sich als einen einzigen Körper betrachten, haben sie nur einen einzigen Willen. Ich behaupte, dass die Souveränität, die nichts anderes als die Ausübung des Allgemeinwillens ist, nie veräußert werden kann und sich der Souverän, der ein kollektives Wesen ist, nur durch sich selbst darstellen lässt. Die Macht kann wohl übertragen werden, nicht aber der Wille Derselbe Grund, aus dem die Souveränität unveräußerlich ist, spricht auch für ihre Unteilbarkeit, denn der Wille ist allgemein, oder er ist es nicht, er ist derjenige der Gesamtheit des Volkes oder nur eines seiner Teile ...
Dann hat der Staat keine ... einander widersprechenden Interessen, das Gemeinwohl tritt überall sichtlich hervor, und es bedarf nur gesunder Vernunft, um es wahrzunehmen. .. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass der allgemeine Wille beständig der richtige ist und immer auf das allgemeine Beste abzielt...
Oft aber ist ein großer Unterschied zwischen dem Willen aller (volonté de tous) und dem allgemeinen Willen (volonté générale); letzterer geht nur auf das allgemeine Beste aus, ersterer auf das Privatinteresse und ist nur eine Summe einzelner Willensmeinungen... Man muss verstehen, dass weniger die Anzahl der Stimmen den allgemeinen Willen ergibt, als vielmehr das allgemeine Interesse...
Worin besteht nun das höchste Wohl aller, das der Zweck ... der Gesetzgebung sein soll?
Es besteht in Freiheit und Gleichheit ...
Unter Gleichheit ist nicht zu verstehen, dass alle eine durchaus gleichgroße Kraft und einen genau ebenso großen Reichtum besitzen, sondern dass Gewalt nur Kraft Gesetz im Staat ausgeübt werden darf, dass ferner kein Staatsbürger so reich sein darf, um sich einen anderen kaufen zu können, noch so arm, um sich verkaufen zu müssen... Will man dem Staat Bestand verleihen, so darf man weder zu Reiche noch Bettler dulden. Sobald (nämlich) die öffentliche Betätigung im Dienste des Staates aufhört, die Hauptangelegenheit der Staatsbürger zu sein, und sie ihm lieber mit ihrem Geld als mit ihrer Person dienen, ist der Staat schon seinem Untergang nahe.
Zum Kampf schicken sie Söldner und bleiben zuhause, zur Beratung ernennen sie Abgeordnete und bleiben wieder zuhause. Durch ihre Tätigkeit und ihr Geld haben sie schließlich Soldaten, die das Vaterland unterjochen, und Volksvertreter, die es dann verkaufen... Es lässt sich voraussehen, dass der Algemeinwille dort nicht zur Herrschaft gelangen wird, und die häuslichen Sorgen lassen auch keine anderen Interessen zu. Aus den guten Gesetzen gehen noch bessere hervor, aus den schlechten noch schlechtere. Sobald man bei Staatsangelegenheiten die Worte hören kann "Was geht mich das an?" kann man darauf rechnen, dass der Staat verloren ist... Die Abgeordneten des Volkes sind also nicht seine Vertreter und können es gar nicht sein; sie sind nur seine Beauftragten und dürfen nicht endgültig beschließen. Jedes Gesetz, das das Volk nicht als Person bestätigt hat, ist null und nichtig ...
Was ist denn nun die Regierung? Die ist nur ein Auftrag, ein Amt, in dem einfache Beamte des Staatsoberhauptes (d.i. die durch den Gesellschaftsvertrag vereinigten Staatsbürger)in seinem Namen die Macht ausüben, die er ihnen übertragen hat, und die er, sobald es ihm gefällt, beschränken, abändern und ganz zurücknehmen kann.

DU CONTRAT SOCIAL, PAR J.J. ROUSSEAU, CITOYEN DE GENEVE, 1762

In diesem Sinne zeigt die Chefarztfrau sehr schön und in erfreulich kategorialer Klarheit, worum es bei dem Schulden-WozubrauchtmaneigentlicheinenStaat-Sparen-Gerede eigentlich geht:



Zur Ästhetik der Vermögensverteilung auch: Georg Schramm!


Vor Jahren (2003) gab es in der NZZ eine Debatte, was Bürgerlichkeit heute heißen kann. Auf Georg Kohlers Beitrag "Bourgeois und Citoyen - Was heißt bürgerlich?" sei deshalb verwiesen, weil angesichts des Niveaus dieser Debatte schmerzhalt deutlich wird, wie unsäglich das Niveau der Auseinandersetzungen um die Citoyenneté hier und heute ist:

Was heisst «bürgerlich»? - Angesichts der langen und zweifellos kontradiktorischen Merkmalliste ist rasch klar, dass politische Bürgerlichkeit eine anspruchsvolle, schwierige Idee ist, die auf verschiedene Weisen realisiert werden kann. Bürgerliche können eher wirtschafts- oder eher kulturliberal optieren, sie können den Gedanken der Selbständigkeit und Souveränität eher konservativ-nationalstaatlich oder revisionsbereit-transnational interpretieren, sie mögen zum libertär-antigouvernementalen Programm neigen, das die Privatsphäre und die Bürgerrechte gegen die Regierenden für das Zentralgut ziviler Politik hält, oder sie mögen, im Gegenteil, die Eindämmung auch der ökonomischen Oligopole, die Verhinderung der privatgesellschaftlichen (neben derjenigen der staatlich-administrativen) Übergewichte das Vordringliche finden. Drei essenzielle Eigenschaften aber müssen in allen Spielarten demokratischer Bürgerlichkeit bestimmend bleiben, soll man sie dem gemeinsamen Begriff liberal-besitzbürgerlicher Citoyenneté zurechnen können.

Nämlich erstens Realitätssinn, der zu akzeptieren vermag, dass die Welt sich unaufhörlich verändert, dass Bewahren allein nicht genügt, um den Werten selbständiger Lebensgestaltung treu zu bleiben. Zweitens das Bewusstsein, dass vielfache Vermittlungen und schwierige Gleichgewichte nötig sind, sollen die sachlichen Gegensätze zwischen Gemeinschaft und Privatautonomie, Marktfreiheit und Chancengleichheit nicht zu bösen Konflikten führen; drittens ein Stil nüchtern-demokratischer Parteilichkeit für die eigenen Interessen, der den Opponenten nie diffamiert, weil man weiss, dass er und sein Widerspruch gut für das Gedeihen des Ganzen sind. Bürgerlich-Sein heisst, dogmatischen Konservatismus zu vermeiden, den mittleren Weg nicht zu verachten, die Vielfalt, das Fremde und den Gegner als Ausdruck menschenmöglicher Freiheit zu respektieren. Im Rahmen so verstandener Bürgerlichkeit kann es die Partei der Bürger nicht geben. Denn «Bürgerlichkeit» lässt sich unterschiedlich interpretieren wie jedes Konzept, das der Praxis des Politischen nicht autoritär begegnen will. Es gibt nicht die Partei der Bürger, und erst recht wäre es verkehrt, bürgerliche Politik schlicht mit Steuersenkung und ausschliesslicher Interessenvertretung zugunsten der Bessergestellten zu identifizieren. Liberalität ist der Name für eine Haltung, die mehr enthält als Staatskritik und die Begründung und Ausdehnung privatkapitalistischer Wirtschaftsformen.

Geburtenförderung in Deutschland: Auch falsch gemacht ...

... geht aber auch nur falsch in Gesellschaften, in denen die soziale Lebenswelt zunehmend- nach Rosa Luxemburg - der äußeren und inneren „Landnahme“ des Marktes unterworfen ist. In dem Maße, wie dabei soziale Beziehungen zu Marktbeziehungen werden, löst sich menschliches Handeln von traditionellen Verpflichtungen und folgt durchgerechneten Interessen. Wenn die Gesellschaft auf sie nicht verzichten will, muss sie sie durch formale Regulierung erzwingen oder mit öffentlichen Mitteln selbst erstellen. Dies ist die treibende Kraft hinter dem Wachstum der Staatstätigkeit und der Staatsausgaben im Kapitalismus und Prämisse jeder wohlfahrtsstaatlichen Politik. - Genauer dazu:
Wolfgang Streeck: Flexible Employment, Flexible Families, and the Socialization of Reproduction - MPIfG Working Paper 09/13.

Streeck analysiert in einem Vortrag die Aporien staatlicher Geburtenförderung und die resultierenden starken Versuchungen zu einer marktorientierten Sozialeugenik:

... Was Deutschland angeht, so ist nicht das viel gefeierte Elterngeld das erfolgreichste Geburtenförderungsprogramm, sondern, mit weitem Abstand, Hartz IV. Frauen in Langzeitarbeitslosigkeit, ganz anders als die umworbenen „Akademikerinnen“, haben Nachwuchs oberhalb der demographischen Bestandserhaltungsquote. Unterschwellige Vermutungen, warum das so ist, richten sich auf ein Zusammentreffen von persönlicher Arbeitsscheu mit wohlfahrtsstaatlicher Großzügigkeit: Hartz-IV-Frauen kriegen Kinder, und immer mehr Kinder, um nicht „arbeiten“ zu müssen und sich von Kinderzulagen, Kindergeld, Elterngeld, möglicherweise auch noch Betreuungsgeld ein gutes oder doch bequemes Leben zu machen.

Damit ist das aus der amerikanischen Innenpolitik der sechziger und siebziger Jahre stammende Gespenst der „welfare queen“ auch in Deutschland angekommen. Anders als bei den gut ausgebildeten Frauen der neuen Mitte scheinen materielle Anreize zur Kinderproduktion bei den Armen tatsächlich zu funktionieren. Freilich gilt, was die Politik sich von der Mittelschicht vergebens erhofft, bei der Unterschicht als moralisch anstößig. Die Gestalt der welfare queen erscheint dabei als die hässliche Kehrseite des ansonsten zum allgemeinen Kulturideal erhobenen homo oeconomicus.

Indem sie wie dieser ihr Leben ganz auf die Verfolgung materieller Vorteile hin durchrationalisiert, tut sie, was kapitalistische Gesellschaften für recht und billig halten, allerdings als Karikatur und Provokation, weil sie sich an staatlichen statt an Marktanreizen orientiert. Zugleich erinnert sie auf unangenehme Weise daran, dass Frauen mehr Kinder haben können, wenn sie Zeit haben und nicht zugleich mit den Ungewissheiten des modernen Familienlebens auch noch die eines deregulierten Arbeitsmarkts auf sich nehmen müssen....

Was tun, wenn Familienzeit, wo man sie braucht und nicht hat, durch Geld nicht zu ersetzen ist und nur dort vorkommt, wo sie wirtschaftlich nutzlos ist? Wenn man die Kinder nicht bekommt, für die man zu bezahlen bereit wäre, und stattdessen für Kinder zahlen muss, die man nicht brauchen kann und nicht will?


Dann erfindet man eine Chipkarte. So ist das wohl.

07 Beggin Woman Blues by Number Three
Prince - Beggin Woman Blues via Never Get Put Of The Boat

Abitur in Deutschland: Falsch Gm8 III

Eine Journalistin und Mutter weist in der FR mal wieder darauf hin, dass G8 gescheitert ist, - nicht ganz sauber recherchiert, was die Quellen angeht, aber recht hat sie:

... Die Turbo-Schule ist eine riesige Black-Box, die Geld, Zeit und Energie vernichtet: Geld der Steuerzahler, die für Unterrichtsstunden löhnen, in denen rein gar nichts mehr läuft, weil Schüler und Lehrer nach der Mittagspause träge im Nachmittagsunterricht dahindämmern. Ein Fall für die Landesrechnungshöfe.

Vernichtet wird die bislang unverplante Zeit der Schüler am Nachmittag, in der diese ihren individuellen Interessen nachgehen und sich abseits von der künstlichen Schulwelt auch mal selbst ein Bild von der wirklichen Welt machen könnten; Zeit der Lehrer, die für Regeneration und Unterrichtsvorbereitung dringend gebraucht würde. Kurz: Die Turbo-Schule ist eine Geldschleuder, die sich sparen könnte, wer Lerneffizienz im Auge hat. Spätestens jetzt – nach den ersten Jahren ihrer Existenz – gehört sie auf den Prüfstand. Denn sie verschleißt – um es in der Sprache ihrer Erfinder auszudrücken – Humankapital. Sie schleift pubertierende Kinder, Mütter und Väter und auch Lehrer. ..


In der vorliegenden Studie
werden die Wirkungen der Schulzeitreform auf die Leistungen der Absolventen empirisch untersucht. Die Reform, die 2003 angekündigt und umgesetzt wurde, stellt für die betroffenen Schüler eine Art natürliches Experiment dar. Während die Absolventen mit 12 Schuljahren
eine deutliche Erhöhung der Lernintensität erfahren haben, hat sich für die Absolventen mit 13 Schuljahren kein Unterschied ergeben. Der Vergleich beider Jahrgänge erlaubt daher die Identifikation der Wirkungen der Erhöhung der Lernintensität bzw. die Evaluation der Reform. Basierend auf einer Primärerhebung werden zunächst die Einflüsse der Erhöhung der Lernintensität auf das Wissen in
Mathematik, Deutsch und Englisch analysiert. Hierbei dienen die im schriftlichen Abitur erreichten
Punkte als Maß, da beobachtbare Unterschiede in diesen aufgrund der für beide Jahrgänge identischen, zentral vorgegebenen Abiturprüfungen kausal auf die Reform zurückzuführen sind.
Die empirischen Ergebnisse unterscheiden sich hinsichtlich der Fächer und des Geschlechts. Insbesondere in Mathematik schneiden die Absolventen des 12. Jahrgangs signifikant schlechter ab als diejenigen des 13. Jahrgangs. Der durchschnittliche Absolvent muss einen erwarteten Punkterückgang von 11% (von 7,8 auf 6,9) hinnehmen, während der Rückgang für die durchschnittliche Absolventin bei 8% (von 7,7 auf 7,1) liegt. Zudem hat die Reform einen signifikant negativen Effekt auf die Englischkenntnisse bei Frauen. Im Fach Deutsch können keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen beiden Jahrgängen festgestellt werden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es Ineffizienzen in den Lernintensitäten gibt. Darüber hinaus zeigt sich, dass nicht alle Schüler der gestiegenen Lernintensität gewachsen sind, sondern ein Jahr länger bis zum Abitur benötigen oder mit einem niedrigeren Abschluss die Schule verlassen.


Sicherlich sind die Aussagen der Studie zT fragwürdig, weil sich so nicht messen lässt, was an Kompetenzen, gar Bildung gewonnen werden konnte oder könnte, aber immerhin sollten die Ergebnisse zu denken geben, was Effizienz und Lernintensität angeht, - so oder so und zu fragen, was das denn sei ...

Interessanter Impuls: Sir Ken Robinson: Bring on the revolution

Hinweis: mit deutschen Untertiteln - hier auch mit dt. Transkript

Archäologie CIV: In einem alten Fahrstuhl



Heiner Goebbels vertont Heiner Müllers Monolog "Der Mann im Fahrstuhl", released in 1988 by ECM Records.

AMG:
fahrstuhl"Using the texts of playwright Heiner Muller and collecting a wide range of imaginative musicians, Heiner Goebbels constructed a fascinating music-theater piece that mixes languages and musical styles. The text, read and sung by Arto Lindsay, concerns the thoughts and fears of an employee summoned to his boss' office and has something of a Brazil-like aura about it. Perhaps coincidentally, Lindsay interjects some Brazilian songs into the proceedings. But the highlight is the performance by this stellar ensemble, ranging from free to punkishly tinged jazz-rock to quasi-African. There are outstanding contributions from guitarist Fred Frith, trombonist George Lewis, and the late Don Cherry on trumpet, voice, and the African hunter's guitar known as the doussn'gouni. Goebbels brews a rich stew of overlapping languages and styles in a dense matrix that creates an appropriate feeling of angst, but never loses a sly sense of humor. If anything, some of The Man in the Elevator is reminiscent of Carla Bley's better work and fans of hers as well as curious rock listeners should have no problem enjoying this one."

Wise Man Sings - Again

brian

Am 17. August erscheint in den USA "Brian Wilson Reimagines Gershwin" !!

bw-cover

Hörprobe hier - via Never Get Out Of The Boat

BW-RIB by John C. Nels

Näheres hier oder hier:



... und ein historisches Dokument:

Paradise Castle ... und Party für die Lumpenbourgeoisie

Recycling eines Beitrags aus dem Jahre 2008 mit einer kurzen Anmerkung versehen nebst mehreren Updates:

Paradise Castle klingt so einfallslos prollig-parvenuehaft wie diese ganze Hannover-Connection riecht und aussieht:

Meine LieblingsHAZ berichtete seinerzeit von Maschmeyers Party zum 20jährigen Bestehen seiner Finanzoptimiergesellschaft:
Wahrscheinlich hätte man sich nicht mehr groß gewundert. Als am späten Sonnabendnachmittag in der TUI Arena die Filmmusik der Piratenkomödie „Fluch der Karibik“ ertönt, wäre wohl niemand der 9000 in der Halle außer Fassung geraten, wenn Oberpirat Johnny Depp persönlich einmarschiert wäre. Schließlich wusste man: Dies hier ist eine Party der Superlative. Schon im Vorfeld der Feier zum 20. Geburtstag des Finanzdienstleisters AWD war durchgesickert, wen Gründer und Chef «Carsten Maschmeyer» (49) alles auf der Bühne aufbieten würde: «Pink »(28), «Seal »(45), «Nelly Furtado» (29), «Melanie C.» (34) sowie seine hannoverschen Freunde von den Scorpions für die Show und den früheren UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger «Kofi Annan» (70) für die weltumspannende Rede. Tatsächlich entert zum pathetischen Soundtrack statt Kapitän Sparrow Maschmeyer selbst die Bühne. Er hat es geschafft, er hat alle Mann an Bord. Mit den Worten „Danke, danke, danke“, begrüßt er die AWD-Mitarbeiter aus zehn Ländern und die Ehrengäste zur gigantischen Geburtstagsparty auf dem Expo-Gelände, die außer in der TUI Arena auch auf der Plaza, im Deutschen Pavillon und in der Disko „Fun Park“ gefeiert wird. Dann geht es mit ordentlich Pathos weiter. „Wir haben Maßstäbe gesetzt und erfinden ständig neue“, ruft Maschmeyer.

Albrecht Müller im Interview in konkret 0708: Die Finanzindustrie hat wie bei der Entscheidung für die Privatisierung der Altersvorsorge ... - damals war es die Hannover-Connection Schröders zum Finanzunternehmer Maschmeyer von AWD - dafür gesorgt, dass wieder Futter auf die Finanzmärkte kommt. Diese Fremdbestimmung ist das eigentliche große Problem der SPD. Die SPD ist keine eigenständig handelnde Kraft mehr....

Lumpen1

Es ging also fröhlich zu auf dieser weißen, leicht erhöht platzierten Ledersitzecke im VIP-Raum, auf der sich neben Ferres, Lauterbach und Gottschalk Altkanzler «Gerhard Schröder »(64), Ministerpräsident «Christian Wulff» (49), Exboxer «Henry Maske» (44) und Scorpions-Sänger «Klaus Meine» (60) niederließen. Wer dort saß, gehörte zur Clique. Oder, wie Maske sagte: „Erfolgreiche Leute kennen sich eben.“

Lumpen2... 1998 hatte der damals 38-jährige Unternehmer Carsten Maschmeyer Schröder unterstützt. Wie er später zugab, schaltete der Chef des Allgemeinen Wirtschaftsdienstes (AWD) in Hannover am Tag vor der Niedersachsenwahl eine von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt gestaltete Anzeige in niedersächsischen Zeitungen: "Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein". Niedersachsens unterlegener CDU-Chef Christian Wulff und der damalige Kanzler Helmut Kohl (CDU) zeigten sich am Tag nach der Wahlniederlage empört über die anonyme doppelseitige Zeitungsannonce.
Maschmeyer räumte später ein, er habe 650.000 Mark in die Anzeigenkampagne gesteckt.
Quelle

Herr Selenz als Chef der damaligen Preussag Stahl AG weiß auch noch etwas darüber (nicht nur über den Cayenne-Krimi)!


Erfolgreiche Leute kennen sich eben.“


Nachtrag - Presseshow:

Das Mallorca-Magazin vom 21.04.2006: VIPs mit Meerblick

Wie selten zuvor war Mallorca an Ostern Treffpunkt der Prominenz. Zu den gesellschaftlichen Highlights zählte ein Cocktail im Mardavall-Hotel
Wer zu diesem Oster-Cocktail eingeladen war, der konnte sich darauf schon etwas einbilden. Carsten K. Rath, Geschäftsführer der Arabella Hotel Holding, und Medien-Manager Manfred Schmidt hatten am Samstagvormittag eine illustre Schar von VIPs auf die Terrasse der Luxus-Herberge Mardavall (Costa d'en Blanes) gebeten. Es sollte der erste Event sein, den Sabine Christiansen mit ihrem neuen Lebensgefährten Norbert Medus besuchte. Bitte keine Fotos, so ließ die Talklady vorab verlauten. Dass die offensichtlich verliebte Christiansen einen ziemlich glücklichen Eindruck machte, kann daher nur von Anwesenden berichtet werden. Und wer war da? Hier einige Namen aus der Gästeliste: Tennis-Legende Boris Becker, Schauspielerin Veronica Ferres, Fußball-Manager Reiner Calmund, der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, Ex-Tennisprofi Charly Steeb, Golf-de-Andratx-Manager Stefan Blöcher, Campino-Wirt Pino Persico, WDR-Programmdirektor Ulrich Deppendorf, Air-Berlin-Geschäftsführerin Elke Schütt, Filmproduzent David Groenewold, Rechtsanwalt Peter Schmalisch, Filmproduzentin Gisela Marx, Kostümbildnerin Maria Lucas, Edda Kraft, Showchefin von Sat 1 und MM-Redaktionsdirektor Wolfram Seifert.

Die Bunte 29/08
b
In der SuperIllu Nr. 33/2007
erschien ein für unser Thema aufschlussreiches Dokument.
20071029_03
Es ist eine Doppelseite mit einer als Bericht aufgemachten Werbung für die Privatvorsorge. In der Mitte sehen wir auf einem Foto, wie sich Walter Riester und Bert Rürup kräftig lachend die Hand reichen. Carsten Maschmeyer, Freund von Bundeskanzler außer Dienst Gerhard Schröder und Chef des Finanzdienstleisters AWD, legt gönnerhaft lächelnd seine Hand drauf. Links unten erfahren wir, dass dies eine gemeinsame Aktion von SuperIllu, FocusMoney und AWD ist. Und an den Seiten werben die Herren Riester und Rürup jeweils für die nach ihnen benannte Rente. Und mit was werben sie in der Schlagzeile? Nicht mit den angeblichen Vorteilen dieser Produkte. Sie weisen auf die staatliche Förderung hin. Abzocke nennt man das in anderem Zusammenhang. - Der Chef von AWD, Carsten Maschmeyer, hat übrigens gut lachen. Nach seiner Meinung steht die Finanzdienstleistungsbranche nach der Verlagerung von der staatlichen zur privaten Altersvorsorge „vor dem größten Boom, den sie je erlebt hat“. „Sie ist ein Wachstumsmarkt über Jahrzehnte.“ „Es ist … so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen. … Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß und sie wird sprudeln.“ (NETZEITUNG vom 8.6.2005) ....

Update 1208:
Er gehört zu Europas größten Finanzdienstleistern: AWD mit Sitz in Hannover. Rund 6.000 Mitarbeiter vertreiben Lebensversicherungen oder Geldanlagen zur Altersvorsorge. Doch die Praktiken des AWDs sind umstritten: Verbraucherschützer warnen vor aufdringlichen Verkaufsmethoden. Dass dahinter noch ein anderes System steckt, berichten ehemalige Mitarbeiter. Der AWD hätte sie in die Schuldenfalle getrieben.
NDR, Dienstag, 9. Dezember 2008 im Ersten (nicht mehr verfügbar)

Update 0310:
Süddeutsche Zeitung vom 17.03.2010: Wie Herr Mronz mit Herrn Schmidt auch mal so einen Länderdialog machen wollte wie Herr Schmidt 2009 in Hannover: Die Geschäfte des Michael Mronz

Update 0810:
ferres... Womit wir im Jahr 1998 sind. In der SPD hatten Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine noch nicht ausgemacht, wer der Kanzlerkandidat bei den Wahlen im Herbst sein soll. Wenn der Niedersachse zuvor bei den Landtagswahlen gut abschneiden würde, so viel war allerdings klar, wird der Saarländer ihm den Vortritt lassen (mehr hier). Einen Tag vor der Wahl in Niedersachsen erscheint eine anonyme Anzeige in den Tageszeitungen: „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein.“ Das war nicht nur Wahlhilfe für die SPD, es war eine politische Kampfansage. Maschmeyer wird später vom Focus zitiert: „Mein Ziel war es, einen extremen Linksrutsch mit einem Kanzler Lafontaine zu verhindern.“ ...

Und Christian Wullf? Als Carsten Maschmeyer 1998 die Schröder-Anzeige lancierte, war die niedersächsische CDU stinksauer. Der AWD-Mann rief, so schreibt es der Focus, nach der Wahl beim unterlegenen Kandidaten an und sagte: „Ich habe nichts gegen Sie. Im Gegenteil. Sie haben noch eine große Karriere vor sich.“
"Politik-Optimierer: zu Wulffs Urlaub beim AWD-Gründer Maschmeyer" im Blog von Tom Strohschneider



Der aufschlussreiche FAZ-Artikel vom 11.08.2010 wird seltsamerweise bei der FAZ nicht mehr gefunden: er findet sich aber noch hier (... nun auch nicht mehr - erstaunlich!!). Vgl. dazu auch Sprengsatz


Die Erbfreundschaften von Hannover
Carsten Maschmeyer, Veronica Ferres, Christian Wulff, Götz von Fromberg, Gerhard Schröder - in Niedersachsens Landeshauptstadt pflegt die Prominenz eine Kumpanei hart an der Grenze zur Anrüchigkeit. Man sieht sich. Ständig.
Von Robert von Lucius, Hannover
...


Näheres immer noch hier.


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Update 1010:
TagesAnzeiger vom 11.09.2010: Das System AWD
NZZ am Sonntag vom 19. September 2010: Maschmeyer im Nacken - Swiss Life muss Provokationen von AWD-Gründer Carsten Maschmeyer erdulden

Update 0111:
Die Hannover-Connection als Galerie in der Wirtschaftwoche

Ach, Carsten Maschmeyer ist übrigens auch gut mit der aktuellen Ministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen, befreundet, die er schon während des Medizinstudiums kennen gelernt hatte und seine aktuelle Firma berät das Familienministerium von Kristina Schröder bezüglich einer
Lohnvorschussausfallversicherung“. UnPolitik.de

Am Drücker: Maschmeyers Paradise Castle Party III

Update 0111.2:
Party in der Karstadt-Filiale am Kurfürstendamm - September 2010
... Senioren tragen Tabletts zu den festgeschraubten Tischen, einige blicken irritiert hinüber in den Mitarbeiterbereich, der nur durch eine Kordel vom öffentlichen Restaurant abgegrenzt ist. Alle wichtigen Protagonisten stellen sich vor eine Stellwand, um die Mitarbeiter öffentlich zu informieren und ihren Dank auszusprechen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zum Beispiel dankte dem Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen, der eine große Hilfe gewesen sei...
Bergruen-Schroeder... als Berggruen plötzlich in dem Restaurant links in einen abgesperrten, aber gut einsehbaren Bereich abbiegt und sich an einen Tisch mit sieben älteren Herren setzt. Mit dabei: Gerhard Schröder. Was hat der mit Karstadt zu tun?
Der Altkanzler genießt die Überraschung sichtlich, winkt Reportern und Besuchern zu. Die Männer essen eine Kleinigkeit, nur Berggruen bekommt keinen Bissen runter. Es stellt sich heraus: Schröder und die anderen Männer am Tisch, darunter Spaniens ehemaliger Ministerpräsident Felipe González und Fernando Henrique Cardoso, bis 2002 Staatspräsident Brasiliens, sind Mitglied in einem Think Tank, dem Nicolas Berggruen Institute. Sie treffen sich regelmäßig...
Der Tagesspiegel vom 03.09.10

Doris Schröder-Köpf (47) ist zur Aufsichtsrätin der Karstadt-Warenhauskette bestellt worden.
Die Journalistin und Frau von Altbundeskanzler Gerhard Schröder habe einen freiwerdenden Aufsichtsratsposten übernommen, teilte das Unternehmen am Montag nach einer Sitzung des Gremiums mit. Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen dankte ihr für die Bereitschaft, sich für die Zukunft des Unternehmens zu engagieren. Der Tagesspiegel vom 17.01.2011

SchroederKoepfWäre die heute 47-jährige Schröder-Köpf bei einem anderen Unternehmen in den Aufsichtsrat gegangen, noch dazu als Vertreterin der Arbeitgeberseite, hätte es in der SPD und nicht nur dort spitze Empörungsschreie gegeben. Aber Berggruen gilt als guter Kapitalist, dieses Problem ist mithin gelöst. Bleibt also noch die Frage, ob sie als Frau, die ihre Prominenz vor allem der Heirat mit einem späteren Bundeskanzler verdankt und die in der Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren vor allem als Ehefrau und Mutter dreier Kinder wahrgenommen wurde, ohne klassische Karriere in einem Aufsichtsrat tatsächlich ernst genommen wird.
Stimmt, Schröder-Köpf hat keine kaufmännische Ausbildung. Aber daheim in Hannover managt sie seit Jahren ein nicht so ganz kleines Familienunternehmen, in dessen Mittelpunkt der Staatsmann, Weltreisende, Wirtschaftsvertreter und Rechtsanwalt Gerhard Schröder steht.
Süddeutsche Zeitung vom 18.01.2011



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Schlussbemerkung (aus dem Jahre 2008):
Der Begriff Lumpenbourgeoisie geht auf André Gunder Frank zurück; - es wäre interessant den Ansatz im Hinblick auf Entwicklungsblockaden und Tendenzen zu populistischen Regimen hier und heute zu verfolgen!

Future Breeds

Vor langer Zeit empfahl ich - als Gitarrenband in der Tradition der Low-Budget-Kinks - Hot Hot Heat's Album Elevator. Jetzt gibt es ein neues Album, das hiermit wiederum schwer empfohlen sei:

Anspieltipps:
Nobody's Accusing You (Of Having A Good Time)
Godess On The Prairie


Letzteres hier live:



... und zur Erinnerung noch mal dies, weil's immer noch so schön ist:


Find more videos like this on Hot Hot Heat

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

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