Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan (XIV): Das Völkerrecht als Gegner oder als Chance: The Badass Jihadis in Black auslöschen vs. Frieden muss gestiftet werden
Ich habe im Bekanntenkreis zuweilen Schwierigkeiten, mich verständlich zu machen, wenn ich nicht für die Auslöschung des IS mit militärischer Gewalt plädiere.
Nicht dass ich mit den Badass Djihadis in Black sympathisierte oder als ISIL-Versteher durchgehen möchte, aber ist nicht die Frage:
Wie viel Verrohung ist eigentlich schon in alltägliches Denken ... eingesickert, dass wir nicht verrückt werden ob der dominierenden Unmenschlichkeitslogik, wenn die handlungsleitenden Logiken, denen wir folgen sollen, sich als genauso archaisch borniert und moralisch ebenso minderwertig erweisen wie die des akutellen Feindes? (Kohlberg: Moralstufe 1) - so kürzlich hier formuliert und mit The War Photo No One Would Publish vom 1991 Highway of Death versehen. Oder: Behemoth und Leviathan ...
Ein Versuch, das Problem der Urteilsbildung zur Frage des Umgangs mit dem IS (vulgo "Auslöschen") zu beschreiben
In der Politikdidaktik ist ja Urteilsbildung zusammengeschnurrt auf die Kriterien der Effizienz und der Legitimität (- ich würde das, lässt man sich auf den Ansatz ein, wenigstens umdrehen):
1. also die Frage nach der Legitimität der gegen ISIL angewendeten/anzuwendenden Gewalt:
1.1 ethisch-moralisch (s.o. Unmenschlichkeitslogik, alttestamentarischer Gott, westliche Werte, die gewählten Waffen: Tomahawk The Caliph) usw. usf.)
1.2 völkerrechtlich (Charta der Vereinten Nationen; "Humanitäre Interventionen" - Krieg für Menschenrechte?, nochmal: die gewählten Waffen: Tomahawk The Caliph, - Streubomben also, wie sonst?) ...)
...
2. die Frage nach der Effizienz der gegen ISIL angewendeten/anzuwendenden Gewalt:
2.1 militärisch (z. B.: Die konventionelle Kriegsführung scheitert an der Abnutzungsstrategie des asymmetrischen Krieges)
2.2 politisch-strategisch (Was kommt nach Sykes-Picot? (z. B. ISIS und die Weltkriegsgrenzen; Plans for Redrawing the Middle East: The Project for a “New Middle East”)
...
Erste Anmerkungen zu notwendigen Differenzierungen, um die Fragen beantworten zu können
zu 1. erstmal nur die Frage, ob unsere - medial vermittelte - Wahrnehmung des IS als Inkarnation des Bösen nicht grotesk unterkomplex ist und auf dessen Propaganda hereinfällt :
Islamistische Terroristen filmen Selbstmordattentäter meist in heroischer Pose und inszenieren ihre Anschläge als Gottes Werk - im jetzt gefundenen Geheimmaterial des IS-Kriegsministers findet sich ein Video mit einer anderen Aussage. Es zeigt einen 21-jährigen dänischen Konverititen, der keineswegs selbstsicher ist. (Süddeutsche Zeitung 15. November 2014: Videofund lässt hinter die IS-Propaganda blicken)
Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hat bereits weitgehende staatliche Strukturen errichtet. Sie ist viel mehr als eine Miliz, die Anschläge vorbereitet und verübt. Sie hat ein straff organisiertes Staatswesen mit einem ausgeklügelten Sozialsystem aufgebaut und setzt offenbar auf Schutzgeld-Erpressung, um Waffenkäufe zu finanzieren; zudem betreibt sie gezielte Personalplanung für den Einsatz von Selbstmordattentätern. Das belegen interne IS-Dokumente, die der Süddeutschen Zeitung sowie dem NDR und WDR von der irakischen Regierung in Bagdad zur Verfügung gestellt wurden. (Süddeutsche Zeitung, 14. November 2014, Geheime Dokumente über Islamischen Staat)
Aber auch die Frage, ob das Streubomben-Wegblasen der Köpfe derer, die Köpfe mit dem Schwert abschlagen, Legitimität beanspruchen kann, wenn man das im Bündnis mit einem Staat macht, der Köpfe abschlägt: decapitated bodies hanging from a horizontal pole with their heads wrapped in bags. (Nicht nur der IS, auch der westliche Alliierte Saudi-Arabien pflegt Köpfungen, Florian Rötzer tp 20.11.2014)
zu 2.1 "Effizienz" : After 13 years, 2 wars and trillions in military spending, terrorist attacks are rising sharply (WonkblogThe Washington Post)
zu 1.2 und 2.2 erstmal nur das Beharren darauf, dass Konflikte auf der Basis der Charta der Vereinten Nationen, d.h. im Rahmen von Institutionen, zu lösen sind:
Eine berufbare Grundlage ist die Resolution 1373 des UN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001:
Sehr lesenswert und hilfreich, um in den aktuellen Konflikten den Blick auf das Wesentliche in den internationalen Beziehungen nicht zu verlieren:
Frieden muss gestiftet werden. Exempel Kosovokrieg oder: das Völkerrecht als Gegner
von Daniela Dahn (aus: »Blätter« 11/2014, Seite 59-71)
Lesebefehl!!
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Ansonsten: Soldaten wohnen/auf den Kanonen ... Der Kanonensong (Die Dreigroschenoper / Berlin 1930 bei UbuWebSound)
Zum Thema hier: Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan
Nicht dass ich mit den Badass Djihadis in Black sympathisierte oder als ISIL-Versteher durchgehen möchte, aber ist nicht die Frage:
Wie viel Verrohung ist eigentlich schon in alltägliches Denken ... eingesickert, dass wir nicht verrückt werden ob der dominierenden Unmenschlichkeitslogik, wenn die handlungsleitenden Logiken, denen wir folgen sollen, sich als genauso archaisch borniert und moralisch ebenso minderwertig erweisen wie die des akutellen Feindes? (Kohlberg: Moralstufe 1) - so kürzlich hier formuliert und mit The War Photo No One Would Publish vom 1991 Highway of Death versehen. Oder: Behemoth und Leviathan ...
Ein Versuch, das Problem der Urteilsbildung zur Frage des Umgangs mit dem IS (vulgo "Auslöschen") zu beschreiben
In der Politikdidaktik ist ja Urteilsbildung zusammengeschnurrt auf die Kriterien der Effizienz und der Legitimität (- ich würde das, lässt man sich auf den Ansatz ein, wenigstens umdrehen):
1. also die Frage nach der Legitimität der gegen ISIL angewendeten/anzuwendenden Gewalt:
1.1 ethisch-moralisch (s.o. Unmenschlichkeitslogik, alttestamentarischer Gott, westliche Werte, die gewählten Waffen: Tomahawk The Caliph) usw. usf.)
1.2 völkerrechtlich (Charta der Vereinten Nationen; "Humanitäre Interventionen" - Krieg für Menschenrechte?, nochmal: die gewählten Waffen: Tomahawk The Caliph, - Streubomben also, wie sonst?) ...)
...
2. die Frage nach der Effizienz der gegen ISIL angewendeten/anzuwendenden Gewalt:
2.1 militärisch (z. B.: Die konventionelle Kriegsführung scheitert an der Abnutzungsstrategie des asymmetrischen Krieges)
2.2 politisch-strategisch (Was kommt nach Sykes-Picot? (z. B. ISIS und die Weltkriegsgrenzen; Plans for Redrawing the Middle East: The Project for a “New Middle East”)
...
Erste Anmerkungen zu notwendigen Differenzierungen, um die Fragen beantworten zu können
zu 1. erstmal nur die Frage, ob unsere - medial vermittelte - Wahrnehmung des IS als Inkarnation des Bösen nicht grotesk unterkomplex ist und auf dessen Propaganda hereinfällt :
Islamistische Terroristen filmen Selbstmordattentäter meist in heroischer Pose und inszenieren ihre Anschläge als Gottes Werk - im jetzt gefundenen Geheimmaterial des IS-Kriegsministers findet sich ein Video mit einer anderen Aussage. Es zeigt einen 21-jährigen dänischen Konverititen, der keineswegs selbstsicher ist. (Süddeutsche Zeitung 15. November 2014: Videofund lässt hinter die IS-Propaganda blicken)
Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hat bereits weitgehende staatliche Strukturen errichtet. Sie ist viel mehr als eine Miliz, die Anschläge vorbereitet und verübt. Sie hat ein straff organisiertes Staatswesen mit einem ausgeklügelten Sozialsystem aufgebaut und setzt offenbar auf Schutzgeld-Erpressung, um Waffenkäufe zu finanzieren; zudem betreibt sie gezielte Personalplanung für den Einsatz von Selbstmordattentätern. Das belegen interne IS-Dokumente, die der Süddeutschen Zeitung sowie dem NDR und WDR von der irakischen Regierung in Bagdad zur Verfügung gestellt wurden. (Süddeutsche Zeitung, 14. November 2014, Geheime Dokumente über Islamischen Staat)
Aber auch die Frage, ob das Streubomben-Wegblasen der Köpfe derer, die Köpfe mit dem Schwert abschlagen, Legitimität beanspruchen kann, wenn man das im Bündnis mit einem Staat macht, der Köpfe abschlägt: decapitated bodies hanging from a horizontal pole with their heads wrapped in bags. (Nicht nur der IS, auch der westliche Alliierte Saudi-Arabien pflegt Köpfungen, Florian Rötzer tp 20.11.2014)
zu 2.1 "Effizienz" : After 13 years, 2 wars and trillions in military spending, terrorist attacks are rising sharply (WonkblogThe Washington Post)
- Last year saw the highest number of terrorist incidents since 2000, according to the latest Global Terrorism Index released by the Institute for Economics and Peace. Worldwide, the number of terrorist incidents increased from less than 1,500 in 2000 to nearly 10,000 in 2013. Sixty percent of attacks last year occurred in Iraq, Afghanistan, Pakistan, Nigeria and Syria.

The report suggests that U.S. foreign policy has played a big role in making the problem worse: "The rise in terrorist activity coincided with the US invasion of Iraq," it concludes. "This created large power vacuums in the country allowing different factions to surface and become violent." Indeed, among the five countries accounting for the bulk of attacks, the U.S. has prosecuted lengthy ground wars in two (Iraq and Afghanistan), a drone campaign in one (Pakistan), and airstrikes in a fourth (Syria)....
zu 1.2 und 2.2 erstmal nur das Beharren darauf, dass Konflikte auf der Basis der Charta der Vereinten Nationen, d.h. im Rahmen von Institutionen, zu lösen sind:
Eine berufbare Grundlage ist die Resolution 1373 des UN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001:
- Die Resolution verpflichtet alle Staaten, jegliche Arten von terroristischen Aktivitäten und auch ihre bloße Unterstützung zu kriminalisieren. Den Staaten werden dazu konkrete Maßnahmen vorgegeben, wie zum Beispiel die Finanzierung von Terrorismus zu bekämpfen oder Terroristen Unterschlupf zu verweigern. Die Resolution ist für alle Staaten verpflichtend und greift mit ihren Vorgaben in die nationale Gesetzgebung der Staaten ein. Ein solches weitreichendes Vorgehen wurde zuvor in keiner anderen Resolution angewandt...
Die Resolution 1373 dagegen geht allgemein gegen die Bedrohung des internationalen Terrorismus vor und schreibt die dazu notwendigen allgemeinen Maßnahmen vor. Sie besitzt damit eine ganz neue Qualität von Sicherheitsratsentschlüssen, da sie nicht – wie sonst üblich – Sanktionen gegen ein Land erlässt, sondern alle Staaten dazu verpflichtet, ihr nationales Recht abzuändern bzw. zu ergänzen. Der Sicherheitsrat erlässt mit der Resolution 1373 faktisch Internationales Recht und agiert als ‚World Legislator’...
(Resolution in deutscher Übersetzung)
Sehr lesenswert und hilfreich, um in den aktuellen Konflikten den Blick auf das Wesentliche in den internationalen Beziehungen nicht zu verlieren:
Frieden muss gestiftet werden. Exempel Kosovokrieg oder: das Völkerrecht als Gegner
von Daniela Dahn (aus: »Blätter« 11/2014, Seite 59-71)
Lesebefehl!!
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Ansonsten: Soldaten wohnen/auf den Kanonen ... Der Kanonensong (Die Dreigroschenoper / Berlin 1930 bei UbuWebSound)
Zum Thema hier: Die anomische Herrschaft der Rackets und der verwilderte Leviathan
gebattmer - 2014/11/18 19:09