CRISIS , WHAT CRISIS ? (XCII): Desintegrationsprozesse - PEGIDA im imaginären Raum?
Abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, wieso man diese popelig klingenden Abkürzungen wählt (die nach DDR-wie-BRD-Muff riechen à la JUMO, DEHOGA, HARIBO, Vokuhila usw.), und ich erstmal dazu neige, das auf der Ebene des Postillon zu erledigen ("Versehentlich mitmarschierender Moslem steckt 52 PEGIDA-Demonstranten mit Islam an "), spricht ja doch einiges dafür, das Phänomen genauer in den Blick zu nehmen (was ja nicht heißt, um Verständnis dafür zu werben). In der Süddeutschen Zeitung von heute findet sich dazu ein Gastbeitrag von Byung-Chul Han: Sehnsucht nach dem Feind:
Andererseits muss es doch auch so etwas wie schwer blödheitsbedingte Menschenfeindlichkeit geben, sieht man sich das Panorama-Extra Pegida: Die Interviews in voller Länge an.
Politische Motive, hörte man auf Umwegen wieder von Ardisson, ließen sich nicht ausmachen, nichts als fremdbestimmte Wahnideen, manische Verfolgungswahnstimmungen und ein irrationales Verhältnis zur Realität. Auf wen träfe diese vorzügliche Definition nicht zu, bei Lichte betrachtet. (Kieseritzky - Anatomie für Künstler, S. 189)
... oder auch: Human intelligence 'peaked thousands of years ago and we've been on an intellectual and emotional decline ever since'

Dresdner Montagsandacht
= Pegida ist kein Randphänomen, sondern in Deutschland mehrheitsfähig (Florian Rötzer, tp 17.12.2014)
- Aus der lähmenden Angst, abgehängt
zu werden oder nicht mehr dazuzugehö-
ren, befreien sich Menschen, indem sie ei-
nen imaginären Feind konstruieren. Pegi-
da - "Patriotische Europäer gegen die Isla-
misierung des Abendlandes" - eröffnet ei-
nen solchen imaginären Raum, in dem die
Angst, die jeder für sich oder um sich hat,
externalisiert wird und mit einem anderen
Objekt, hier mit dem Islam, besetzt wird.
Die externalisierte Angst entlastet die See-
le. Das Objekt der Angst ist nun benenn-
und bekämpfbar, selbst wenn es im Imagi-
nären situiert ist. Vermittels des imaginä-
ren Feindes erlangen Menschen wieder
den Zutritt ins System. Über das Imaginäre
finden sie ins System zurück, von dem sie
sich abgehängt fühlen. Der Ausschluss des
imaginären Fremden befreit sie von dem
Gefühl, nicht dazuzugehören. Er erzwingt
das Gefühl der Zugehörigkeit ins System.
Auffallend für die Beteiligten ist, dass sie
schweigend marschieren. Sie formulieren
keine Ziele, stellen keine konkreten Forde-
rungen auf. Sie weigern sich zu reden. Der
Grund ist offenbar: Sie wollen sich nicht
aus dem imaginären Raum hinausdrängen
lassen. Hier hilft es wenig zu versuchen, sie
auf die Realität zurückzubringen und sie
darauf hinzuweisen, dass es in Dresden
kaum Muslime gebe, dass von der Islami-
sierung nicht die Rede sein könne. Sie ent-
ziehen sich der Realität, um ihren imaginä-
ren Raum zu schützen, der für sie befrei-
end wirkt. Sie werden daher jeden Ver-
such, sie auf den Boden der Realität zurück-
zubringen, aggressiv abwehren. Hier liegt
eine Verneinung vor, zu der nur eine Psy-
choanalyse Zugang hätte.
Die Protestierenden externalisieren ih-
re Angst, indem sie sie auf den imaginären
Feind beziehen. Hier ist wieder die Logik
des Sündenbocks am Werk. Früher waren
es die Juden, nun sind es die Muslime. Die
Geschichte Wiederholt sich. Die Politiker
schauen nur zu und begnügen sich mit
Ferndiagnosen. Oder sie schüren die
Angst, um politisch daraus Kapital zu
schlagen. Eigentlich sollten sie froh sein,
dass die Wut der Protestierenden sich
nicht gegen sie, sondern gegen den imagi-
nären Feind richtet. Pegida ist das Zerrbild
einer Gesellschaft, in der die Politik ver-
sagt hat. Menschen begeben sich ins Imagi-
näre, um sich das Gefühl zu verschaffen,
wieder in die Gesellschaft zu gehören...
- ... warum kein Klassenkampf mehr stattfindet. Das neoliberale Herrschaftssystem sei ganz anders strukturiert als die alten systemerhaltenden Mächte – nicht mehr repressiv, sondern seduktiv, also verführend. Dadurch sei die Unterdrückung nicht mehr so sichtbar wie in disziplinarischen Regime. Laut Han formt der Neoliberalismus aus dem unterdrückten Arbeiter einen freien Unternehmer, einen Unternehmer seiner selbst. Jeder sei heute ein selbstausbeutender Arbeiter seines eigenen Unternehmers, jeder sei Herr und Knecht in einer Person. Dadurch verwandele sich der Klassenkampf in einen inneren Kampf mit sich selbst. Und, besonders wichtig: Wer heute scheitert, beschuldigt sich selbst und schämt sich. Man problematisiere sich also selbst statt der Gesellschaft... (WISSEN BLOGGT: Vom Klassenkampf zur Selbstausbeutung)
Andererseits muss es doch auch so etwas wie schwer blödheitsbedingte Menschenfeindlichkeit geben, sieht man sich das Panorama-Extra Pegida: Die Interviews in voller Länge an.
Politische Motive, hörte man auf Umwegen wieder von Ardisson, ließen sich nicht ausmachen, nichts als fremdbestimmte Wahnideen, manische Verfolgungswahnstimmungen und ein irrationales Verhältnis zur Realität. Auf wen träfe diese vorzügliche Definition nicht zu, bei Lichte betrachtet. (Kieseritzky - Anatomie für Künstler, S. 189)
... oder auch: Human intelligence 'peaked thousands of years ago and we've been on an intellectual and emotional decline ever since'

Dresdner Montagsandacht
= Pegida ist kein Randphänomen, sondern in Deutschland mehrheitsfähig (Florian Rötzer, tp 17.12.2014)
gebattmer - 2014/12/17 18:34
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