Newspeak gambit (X): Radikalisierung : Selbst-, Turbo-, womöglich selbst, in letzter Zeit selbst, (sehr) schnelle, innerhalb von nur wenigen Tagen, plötzliche, schleichende, unbemerkte, im Eilverfahren, Vorboten einer, Aktionen gegen ... [Stimmen im Kopf]
Eine Auswahl nach Google-News (Ungefähr 87.100 Ergebnisse), Suchwort Radikalisierung, 19.07.2016, 19:30
Eine treffende Anmerkung von Klaus Baum:
Vgl. (Schnelle) Selbstradikalisierung : "Über die Zeitereignisse sage ich nichts ... und meine Versuche, dem Begriff etwas abzugewinnen. Angesichts seiner inflationären Verwendung sei noch nachgetragen:
So baut man Folk Devils and Moral Panics auf!
Was hilft uns das hier? So wie der Begriff Radikalisierung aktuell verwendet wird, ist es ein eher doofer prototypischer Eigenschaftsbegriff, der aber so hochgejazzt wird, dass er als Erklärungsbegriff durchgehen soll.
Eine Kombination der kritischen Attribute vermag ich nicht zu erkennen; durchgängig verbleiben die Berichterstatter auf der Ebene des plattesten Prototyps: Handgemalte IS-Fahne im Zimmer und "Allahu akbar" gerufen ...
Was ein Erklärungsbegriff Radikalisierung leisten müsste: siehe unten (Schnelle) Selbstradikalisierung : "Über die Zeitereignisse sage ich nichts ...
Mir geht es ähnlich wie Klaus Baum, allerdings stellt sich bei mir die Selbstradikalisierung bereits ein, wenn ich die ersten Nachrichten auf NDR-Info höre. Die klingt dann allerdings kaum bis zum Abend ab.
Ansonsten könnte ich noch von einem Selbstversuch in den frühen 70er Jahren berichten: Die Seminare Politische Ökonomie I & II - aka KAPITAL-Lektüre - haben bei mir ausweislich dieses Blogs zu nachhaltiger Radikalisierung geführt, die allerdings nie gewaltförmig sich geäußert hat. Empirisch nicht belegbar, aber angesichts von Wahlergebnissen und Leserbriefen meiner Altersgruppe schwer naheliegend ist die Annahme, dass die Teilnahme an solchen Seminaren bei den meisten TN eher zu einer andauernden De-Radikalisierung geführt hat ...
Der Naivität der Berichterstatter, die mit dem Begriff hantieren, käme sehr schön Anke Engelke bei:
- Bin isch Orhan, möschte mich radikalisieren ...
- Ja, ich merke schon, Orhan, das scheint dir ein echtes Bedürfnis zu sein. Möchtest du es selbst machen, schleichend oder schnell? Oder soll ich dir Kontakte vermitteln zur Fremdradikalisierung?
Die GBlogSuche nach »newspeak« hat Resultate geliefert.
Nachtrag:
Stimmen im Kopf
Ist es globaler Terrorismus, der uns bedroht, oder doch nur vereinzelter Wahnsinn? Und warum breitet sich diese neue Form des Selbstmords aus wie ein Virus? Womöglich hat das mehr mit der Gesellschaft zu tun als uns lieb ist.
FAZ, 24.07.2016, von Harald Staun, Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Nachtrag II:
Jan Böhmermann, bei Facebook, vor 6 Std. ·
Schock-Gedanke!
Was, wenn von Deutschland ausgehend ein Zeitalter der Vernunft anbräche?
Eine Vernunft, die alles mitreißt und umreißt.
Eine treffende Anmerkung von Klaus Baum:
- Selbstradikalisierung …
... klingt irgendwie nach Selbstbefriedigung, die über eine negative Konnotation verfügt, weil Gott uns so geschaffen hat, dass zur Befriedigung eigentlich immer zwei gehören. Auch Autodidakt klingt nicht so wertig wie das Lernen unter Anleitung eines Meisters. Auch beim Radikalismus ist das Selbst nur ein Ersatzattribut, aber die Politik hat nicht genügend Radikale mit Ausbildung, deshalb hat sie den Selbst-Sich-Radikalisierten erfunden. Mörder, Psychopathen, Amokläufer sind ihr nicht genug – die Propaganda braucht Radikale. Deshalb kann alles Böse nur aus der Selbstradikalisierung hervorgegangen sein.
Ich für meinen Teil erlebe die Selbstradikalisierung jeden Tag. Kaum bin ich auf dem Klo, bin ich auch schon radikalisiert. Erst am Abend legt es sich wieder. Baums Notizen aus der Unterwelt, 19. Juli 2016
Vgl. (Schnelle) Selbstradikalisierung : "Über die Zeitereignisse sage ich nichts ... und meine Versuche, dem Begriff etwas abzugewinnen. Angesichts seiner inflationären Verwendung sei noch nachgetragen:
So baut man Folk Devils and Moral Panics auf!
- Begriffsbildung und Wissenserwerb sind zentrale Bestandteile der Kognitionspsychologie. Es findet häufig kein völliges Neulernen, sondern ein Umlernen statt. Hierbei handelt es sich um aktive, subjektive Strukturierungsprozesse. Kognitive Strukturen sind kein Abbild der Umwelt. Sie sind mentale (geistige) Konstruktionen.
Begriffsbildung: Man unterscheidet zwei Hauptklassen von Begriffen: die Eigenschaftsbegriffe (Kategorien) und die Erklärungsbegriffe (Theorien). Bei den Eigenschaftsbegriffen gibt es zwei Auffassungen: die klassische Theorie und die Prototypentheorie. Nach der klassischen Theorie ist der Inhalt des Begriffs seine logische Struktur (die Kombination der kritischen Attribute), nach der Prototypentheorie wird der Begriff durch einen Prototyp (idealer Vertreter) repräsentiert (siehe Abb.)
Begriffsbildung ist ein aktiver Vorgang. Begriffe sind nicht nur eine abstrahierte Abbildung der Realität. Begriffe sind Strukturen unseres Denkens. Dies ist auch der Grund für die oft zu beobachtende Willkürlichkeit und Subjektivität der Begriffsbildung.
Was hilft uns das hier? So wie der Begriff Radikalisierung aktuell verwendet wird, ist es ein eher doofer prototypischer Eigenschaftsbegriff, der aber so hochgejazzt wird, dass er als Erklärungsbegriff durchgehen soll.
Eine Kombination der kritischen Attribute vermag ich nicht zu erkennen; durchgängig verbleiben die Berichterstatter auf der Ebene des plattesten Prototyps: Handgemalte IS-Fahne im Zimmer und "Allahu akbar" gerufen ...
Was ein Erklärungsbegriff Radikalisierung leisten müsste: siehe unten (Schnelle) Selbstradikalisierung : "Über die Zeitereignisse sage ich nichts ...
Mir geht es ähnlich wie Klaus Baum, allerdings stellt sich bei mir die Selbstradikalisierung bereits ein, wenn ich die ersten Nachrichten auf NDR-Info höre. Die klingt dann allerdings kaum bis zum Abend ab.
Ansonsten könnte ich noch von einem Selbstversuch in den frühen 70er Jahren berichten: Die Seminare Politische Ökonomie I & II - aka KAPITAL-Lektüre - haben bei mir ausweislich dieses Blogs zu nachhaltiger Radikalisierung geführt, die allerdings nie gewaltförmig sich geäußert hat. Empirisch nicht belegbar, aber angesichts von Wahlergebnissen und Leserbriefen meiner Altersgruppe schwer naheliegend ist die Annahme, dass die Teilnahme an solchen Seminaren bei den meisten TN eher zu einer andauernden De-Radikalisierung geführt hat ...
Der Naivität der Berichterstatter, die mit dem Begriff hantieren, käme sehr schön Anke Engelke bei:
- Bin isch Orhan, möschte mich radikalisieren ...
- Ja, ich merke schon, Orhan, das scheint dir ein echtes Bedürfnis zu sein. Möchtest du es selbst machen, schleichend oder schnell? Oder soll ich dir Kontakte vermitteln zur Fremdradikalisierung?
Die GBlogSuche nach »newspeak« hat Resultate geliefert.
Nachtrag:
Stimmen im Kopf
Ist es globaler Terrorismus, der uns bedroht, oder doch nur vereinzelter Wahnsinn? Und warum breitet sich diese neue Form des Selbstmords aus wie ein Virus? Womöglich hat das mehr mit der Gesellschaft zu tun als uns lieb ist.
FAZ, 24.07.2016, von Harald Staun, Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
- ... Und auch Europol verwies in dieser Woche auf eine Studie, nach der 35 Prozent der terroristischen Einzeltäter in den vergangenen 15 Jahren an einer psychischen Störung gelitten hätten. Der „dschihadistische Diskurs“, schreiben die Analysten, übe auf solche Personen durchaus eine „motivierende Kraft“ aus und könne die Wahl des Ziels beeinflussen. Welcher Kategorie man die Täter zuordnet, ist dabei nicht nur spitzfindige Semantik. Es ist eine Zuschreibung, die bestimmt, über wen man eigentlich redet: Über einen Feind? Einen Patienten? Einen Täter? Oder ein Opfer? ...
Es sind auch unsere Stimmen
Am deutlichsten aber offenbarte sich dieser „Entrealisierungsprozess“ zu jener Zeit in der Transformation der ökonomischen Prinzipien, in der Entwicklung dessen, was Berardi „Semio-Kapitalismus“ nennt: ein Kapitalismus, der nicht mehr Arbeitskraft oder Waren tauscht, sondern nur noch abstrakte Zeichen; ein Kapitalismus, der nicht mehr mit realen Waren handelt, sondern mit Fiktionen; ein Kapitalismus, der Zeit und Raum überschreitet und den Menschen auch jenseits seiner Arbeit keine Ruhe lässt. Im „Semio-Kapitalismus“ gibt es keine Arbeiter mehr, die sich als Teil einer Klasse begreifen und gemeinsam gegen ihr soziales Elend kämpfen. Es gibt nur noch Unternehmer ihrer selbst, Ich-AGs, die verinnerlicht haben, dass sie selbst für ihre Situation verantwortlich sind. Der Selbstmord ist dabei einerseits die tragische Interpretation des Imperativs, seine Probleme gefälligst aus eigener Kraft zu lösen; und anderseits ein Ritual, welches – vor allem, wenn es mit politischen Fiktionen aufgeladen wird – die Illusion beinhaltet, wenigstens mit der letzten selbstbestimmte Handlung des Lebens Teil der Gemeinschaft der Verzweifelten zu werden...
Nachtrag II:
Jan Böhmermann, bei Facebook, vor 6 Std. ·
Schock-Gedanke!
Was, wenn von Deutschland ausgehend ein Zeitalter der Vernunft anbräche?
Eine Vernunft, die alles mitreißt und umreißt.
- Ein in Deutschland geborener 18jähriger, psychisch kranker Deutscher mit einem zweiten, iranischen Pass (den er sich nicht ausgesucht hat) feiert die wirren Manuskripte von Breivik, pilgert nach Winnenden, erschießt Türken, Araber, Kosovaren, Jugendliche. Vom Feierabendbier trinkenden, paradedeutschen Baggerfahrer wird er als "Scheiß Kanacke!" beschimpft. "Ich bin Deutscher," ruft der Durchgeknallte. Und: "Scheiß Türken!"
Indes die AfD wetzt die Messer, Ursula von der Leyen versetzt die Feldjäger in Alarmbereitschaft und der Bundesinnenminister, verloren im Neuland, sucht die Schuld bei "Killerspielen".
"Scheiß Kanacke!" - "Ich bin Deutscher."
Und der Deutsche bewirft den Bewaffneten vom Balkon aus mit einer leeren Feierabendbierflasche während ein Russe (Deutscher?) die Szene filmt, fürs Neuland.
Wer ist eigentlich Deutscher? Und was ist das eigentlich: deutsch? ...
gebattmer - 2016/07/19 19:30
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