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There is no such thing as society - Das Elend der politisch-ökonomischen Bildung

Kürzlich schrieb ich hier: "im Fach Politik/Wirtschaft, das -so meinte ich als Politiklehrer jedenfalls lange Zeit- eigentlich über Theorien größerer Reichweite verfügt, ist es gelungen einen ähnlichen Tiefstand zu erreichen, wenn Schülerinnen und Schüler mit Simpeltheorien der parlamentarischen Demokratie bzw. der sozialen Marktwirtschaft, die sich sofort vor jeder Wirklichkeit blamieren (und daher auch so schwer zu unterrichten sind, weil sie Realitätsbezüge nicht aushalten und daher eigentlich nur gepredigt werden können), irgendein Problem umgehen sollen..."

Ein Erklärungsansatz für den vornehm wahrscheinlich Paradigmenwechsel genannten Niedergang der politischen Bildung:
Die Wirtschaftslobby und ihr nahestehende Initiativen, so die kürzlich veröffentlichte Studie der Initiative für eine bessere ökonomische Bildung mit dem Titel "Wem gehört die ökonomische Bildung?", bildeten zusammen mit einigen Wirtschaftsdidaktikern ein politisch-pädagogisches Netzwerk, das eng mit CDU und FDP und parteinahen Stiftungen verbunden sei.

In der ökonomischen Bildung an Schulen sähen die Verbände ihre Chance, für Positionen der privaten unternehmerischen Wirtschaft, des wirtschaftsliberal-konservativen Parteienspektrums und dazu passender wirtschaftswissenschaftlicher Konzepte zu werben. Das belegten Bildungskonzepte und Unterrichtsmaterialien, die die Lobbygruppen entwickelten und mit erheblichem Aufwand unter Kindern und Jugendlichen und an Schulen verbreiteten...


moeller_personenLucca Möller und Reinhold Hedtke (Universität Bielefeld) analysieren das Netzwerk und weisen die personellen u. a. Verflechtungen nach, - etwa die um das Institut für Ökonomische Bildung an der Uni Oldenburg*, das u. a. mit der Heinz-Nixdorf-Stiftung, der Ludwig-Erhard-Stiftung, den Kultusministerien Niedersachsens und Baden-Württembergs, dem norddeutschen Energieversorger EWE AG, der Stiftung der Deutschen Wirtschaft und der Bertelsmann Stiftung das Lehrerfortbildungsprojekt "Ökonomische Bildung online" betreibt (das dann Schulbücher bei Westermann hervorbringt, vgl. Magazin Mitbestimmung 05/2011) ...

Einige Überlegungen zu Alternativen hier: How to teach economics oder hier: Reinhold Hedtke;
Sozialwissenschaftliche ökonomische Bildung


________________________________________________________
  • Zur Förderung der ökonomischen Bildung als Allgemeinbildung in allen Schulformen existieren in Oldenburg gleich drei Einrichtungen die eng miteinander verwoben sind:

    IÖB gemeinnützige GmbH (An-Institut der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)
    IfÖB (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)
    wigy e. V.
  • Der Aufbau des An-Instituts erfährt eine wesentliche Unterstützung durch das Land Niedersachsen sowie die Oldenburger und regionale Wirtschaft. Dafür gilt unser besonderer Dank.

    Präambel der Kooperationsvereinbarung mit der Carl von Ossietzky Universität

    "Die Gründung und Errichtung der IÖB gGmbH ist erfolgt, um anwendungsnahe Forschung und Entwicklung durchführen zu können und die ökonomische Bildung in allen Schulformen und Schulstufen des allgemein bildenden Schulwesens in der Bundesrepublik Deutschland sowie im Ausland, insbesondere in Mittel- und Osteuropa, zu fördern. Die universitäre Lehrerausbildung sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen von Lehrkräften im Bereich der ökonomischen Bildung sollen regional, national und international weiter entwickelt werden."
Im Sinne der Erhaltung des Ansehens Carl von Ossietzkys wäre ich zunöchst für die Kündigung des Kooperationsvertrages durch die Universität Oldenburg, - oder sie möge seinen Namen ablegen!
"Aus der individualistischen Norm folgt auch, dass kein überindividuelles ,Gemeinwohl' begründbar ist" - so das o.g. Schulbuch des Westermann-Verlagsfür den Unterricht im Fach Politik-Wirtschaft. Ich muss mich wiederholen:

Weltbühne vom 16. Oktober 1929
Fusionen
Von Carl von Ossietzky

Nicht oft hat es so viele verdutzte Gesichter gegeben wie vor ein paar Tagen, als der Zusammenschluß der Deutschen Bank mit der Disconto-Gesellschaft bekannt wurde. Das gewiß schwierige Vorbereitungsstadium war in diskreteste Nachtfarbe gehüllt gewesen, und nicht ein Laut drang zu den findigen Finanzjournalisten, die sonst jedes wispernde Mäuschen im Keller eines Bankpalastes zu registrieren pflegen. Den größten Redaktionen blieb vor dieser Nachricht die Luft weg, und selbst in den längsten Kommentaren spürt man die noch nicht ganz wiedergewonnene Lungenkraft. Die Verblüffung ist berechtigt, denn mit dieser Vereinigung zweier ohnehin überragender Bankinstitute entsteht ein Finanzungetüm, ein Leviathan, dessen Pranken und Zähne bald fühlbar werden. Was ist daneben Vater Staat, in dem wir alle in rebellischen Momenten einen reißenden Oger zu sehen gewohnt sind? Eine Armenkasse, ein Klingelbeutel in der Kirche einer Hungergemeinde. Und, wenn nicht alles trügt, scheint grade der Staat von der neuen Geldübermacht als Trainingsobjekt für ein paar vorbereitende Exerzitien in Aussicht genommen zu sein. Auf der düsseldorfer Tagung des Reichsverbands der Deutschen Industrie hat neulich Herr Doktor Kehl, der Jüngste in der Gerusia der Deutschen Bank, mit jener frischen Vehemenz, über die Herr Hjalmar Schacht früher verfügte, als er noch nicht so viel Weihrauch inhaliert hatte, ein Programm vom Vorrang der Wirtschaft gegenüber dem Staat eingehend erörtert. Es ist wieder große Mode, auf die öffentliche Hand zu schimpfen, gegen die vom Staat auferlegten Soziallasten zu wettern. Lang ist es noch nicht her, da war der Staat gut genug, um Subventionen herzugeben, und die ach so sieche Wirtschaft ließ sich gern von ihm goldene Prothesen bezahlen. Das ist vorüber, und heute konzentriert sich alles, um den Staat da, wo er als Kapitalist und Unternehmer auftritt, zu enteignen und seine Betriebe in die private Hand zu bringen. Wir sind seit Thomas Morus an sozialistische Utopien gewöhnt, wir pflegten die Gesellschaft der Zukunft immer frei und heiter zu sehen, erlöst von dem Erbfluch der ungerechten Eigentumsverhältnisse. Nun, man kann sich auch kapitalistische Utopien denken. G. K. Chesterton hat eine geschrieben, »Der Napoleon von Nottinghill« heißt sie, eine nachdenkliche kleine Satire, die um 1970 spielt, in einer Zeit, die sich dadurch auszeichnet, daß alles, aber auch alles radikal entkommunalisiert ist; sogar Wasserwerke, Brücken und Straßenreinigung sind in die Privatwirtschaft übergegangen, der Staat, funktionslos geworden, wird vertreten von einem Bäckerdutzend Subalterner, die sich mangels Beschäftigung zu Tode langweilen und von denen einer den Titel König führt. »Die Sozialisierung marschiert«, sagten die Genossen Minister der Noskezeit, und vor ein paar Jahren waren die Kommunisten witzig genug, im preußischen Landtag einmal die Anfrage zu stellen, wohin die Sozialisierung denn marschiert sei. Niemals ist eine Antwort erfolgt.

Eines unterscheidet den Kapitalismus allerdings sehr gründlich von seinen Gegenspielern: er handelt nur nach den Geboten kältester Zweckmäßigkeit. Er kennt nicht Sentimentalität, nicht Tradition. Er würgt, wenn es sein muß, schnell und sicher den Verbündeten von gestern ab und fusioniert sich mit dem Feind. Die beiden Riesenbanken, die sich jetzt zu gemeinsamem Tun zusammengeschmolzen haben, waren intime Konkurrenten und standen sich herzlich schlecht. Abneigungsgefühle haben sie nicht gehindert, das Hausinteresse dem größern Gebilde zu opfern. Könnte dieser Vorgang nicht beispielhaft wirken? Der Kapitalismus erhöht und verstärkt seine Bollwerke, denn er hat alles zu verlieren, und seine einzelnen Glieder verzichten klug auf die Eigensüchte des Moments. Aber die Andern, die nichts zu verlieren haben als ihre Ketten und über nichts verfügen als über eine Reihe umstrittener Ideologien, die raufen sich um ihre Dogmatik, die spalten und splittern sich in kleinste Teile, so daß sie nicht einmal mehr durch Quantität zu wirken vermögen.
[...]

Nachtrag:
Man kann nicht lernen, nicht zu lernen
via dctp.tv

Trackback URL:
https://gebattmer.twoday.net/stories/18110364/modTrackback

Wise Man Says

"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt." Charles Lewinsky, Der A-Quotient

Wise Man Says II

"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater." Frank Zappa

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