Seltsamerweise findet sich im allwissenden Netz keine Definition der Musiktruhe an sich, so dass sich diese der Unkundige aus den Bildern erschließen muss: Ein möbelförmig gestalteter Klangkörper, der die verfügbaren Musikwiedergabetechnologien in einer wohnzimmer- und geschmackskompatibel-furnierten Weise truhenmäßig integriert, um einen ziemlichen Wums zu erzeugen ... (oder so ähnlich).
Eine Tagung im Deutschen Museum, getragen von der Carl-von-Linde-Akademie der TU München und kenntnisreich moderiert von dem Philosophen Klaus Mainzer, lieferte Einblicke in die Gedankenwelt der Wissenschaftler, die sich mit Risiken, extremen Ereignissen und deren Statistik befassen.
Dass Finanzmathematiker ein Gespür für die Größe ihrer Aufgabe haben, zeigten nicht nur biblische Metaphern, wie sie offenbar in der Zunft gebräuchlich sind. Da ist vom Noah-Effekt die Rede, wenn unerwartete, monströse Geschehnisse eintreffen, und vom Josef-Effekt, wo langfristiges Denken gefragt ist, in Anspielung auf die sieben fetten und die sieben mageren Jahre aus dem Alten Testament. "Natürlich hat die Finanzkrise auch im Milieu der Finanzmathematiker zu denken gegeben", erklärte der Berliner Mathematiker Hans Föllmer. Und mehrmals war auf dem Symposium zu hören: "Alle Modelle sind falsch."
... Klüppelberg präsentierte ausgefeiltere Methoden für die Statistik von Extremwerten, betont jedoch, dass auch neue Rechenverfahren grundsätzlich auf der Basis von Daten aus der Vergangenheit geschätzt werden müssten. Das schließt naturgemäß Einflussfaktoren aus, die jenseits des aktuellen Vorstellungsvermögens liegen. Oder wie sie der Philosoph Bertrand Russell mit einer Metapher vom Truthahn illustrierte: Das tägliche Füttern festigt in dem Tier ein Weltbild, das an Weihnachten plötzlich revidiert werden muss.
... dürfte es ein grundsätzliches Problem mathematischer Modelle sein, dass sie Präzision suggerieren, auch dort, wo die (laut Gebrauchsanweisung) nötigen Voraussetzungen für ihre Gültigkeit weggefallen sind. So wie in der Klimaforschung bunte Weltkarten mitunter den Eindruck erwecken, die klimatische Zukunft des Planeten lasse sich auf Jahrzehnte hinaus berechnen, können auf Prozentbruchteile bezifferte Risikoangaben einem Finanzhändler falsche Sicherheit vorgaukeln. "Modelle können wie Scheinwerfer wirken", sagt der Berliner Hans Föllmer, sie beleuchten manches, aber anderes hüllen sie erst recht in Dunkelheit...
... Die TDCS ist eine Form der Hirnstimulation, bei der Elektroden an der Kopfhaut angelegt werden und über einen bestimmte Zeitraum die Aktivität von Hirnzellen hemmen oder aktivieren. Schon seit längerem wird diese Methode genutzt, um etwa Patienten mit neurologischen Störungen nach Schlaganfällen zu behandeln.
In der neuen Studie stimulierten die Forscher mit der TDCS Regionen im Scheitellappen des Vorderhirns, die für das numerische Verständnis wichtig sind. Diese Areale wurden bei den Probanden sechs Tage lang jeweils rund zwei Stunden lang unter Strom gesetzt, während sie verschiedene Lernaufgaben durchführen mussten.
Es zeigte sich, dass die so Behandelten noch bis zu sechs Monate später besser lernen konnten als zuvor...
Die Meldungen passen auch deshalb so gut aneinander, weil die eine Spezies immer so aussieht, als trüge sie die Scheitellappen des Vorderhirns außen. - Ist dann auch einfacher, die unter Strom zu setzen (... oder wer war jetzt der Finanzmathematiker?)
Die Fleischindustrie in Deutschland erlebt echte Wirtschaftswunderzeiten. In ganz Europa werden Schlachthöfe dichtgemacht und in die Bundesrepublik verlagert. Nicht, weil die deutschen Schlachter die besten oder schnellsten wären. Nein, Deutschland lockt mit Rahmenbedingungen, mit denen der Rest Europas nicht mithalten kann: Kein Mindestlohn, keine Tarifbindung und nur wenig Kontrollen. Mit diesen „Vorzügen“ ist Niedersachsen zum Zentrum der europäischen Fleischindustrie geworden.
Tausende Billigarbeiter aus Osteuropa schuften dort in Tiermästereien, Schlachthöfen und Zerlegebetrieben zu Löhnen von teilweise unter 5 Euro, bis zu 12 Stunden am Tag. Alleine Dänemark hat in den letzten Jahren 6000 Jobs nach Deutschland verlagert. Der größte Schweineexporteur der Welt, Danish Crown, gab letzte Woche bekannt, einen weiteren Schlachthof in Niedersachsen übernehmen zu wollen. „Unsere über Jahrzehnte gewachsene Fleischindustrie bricht zusammen“, klagen die dänischen Gewerkschaften, „weil Deutschland Löhne auf dem Niveau von Polen oder Ungarn zahlt.“ Auch in Frankreich, Belgien und den anderen Nachbarstaaten ist die Wut auf das deutsche Lohndumping groß.
Meine LieblingsHAZ leistet sich heute auf Seite 1 des Lokalteils ein sehr schönes Beispiel für ein werbewirksames Berichterstattungsumfeld oder besser: ein potentiellen Werbekunden (hier VWN Hannover) angenehmenes Umfeld oder auch nur Signal an VWN oder eine Hand wäscht die andere oder Journalismusbestattung, wenn ein Herr Sch. von der hannoverschen Leopardenfellunterhosenband Scorpions (die seinerzeit mit Ilse Werner, Juri Gorbatschov und Gerhard Schröder den Kommunismus zu Fall brachte), ein VW Amarok und offensichtlich ein Fotograf der HAZ den Kaliberg in Wunstorf-Bokeloh besteigen, damit Herr Sch. ebendort „Hammer! Wahnsinn! Tierisch!“ ausruft, um dabei zu Werbezwecken fotografiert zu werden, um das Ganze dann als redaktionelle Meldung mit Großbild ins Blatt zu heben.
Mit dem Amarok tritt Volkswagen erstmals in der Liga der Pick-Ups an, die wie ich kürzlich las in den USA eher dinosauriermäßig gerade ausstirbt und die ansonsten beherrscht wird von japanischen Herstellern, wobei ich immer das Bild der massenhaft Toyota-fahrenden Taliban in Erinnerung habe. Ebenso gelungen: Der Amarok durchbricht erstmals die in dieser Klasse als Schallmauer geltende CO2-Emissionsgrenze von unter 200 g/km. Das drückt ja den Flottenverbrauch fulminant in Richtung der Selbstverpflichtung der deutschen Automobilhersteller von 1998!
Noch gelungener ist das Rockstarmobil, das Herrn Sch. von VW Nutzfahrzeuge zu Werbezwecken vermacht wurde, - ein fahrbarer Skorpion mit 164 PS, Airbrush-Bemalung und einem blinkenden Stachel. „Das ist Rock ‘n‘ Roll!“, erläuterte Schenker.
Anfang des Jahres träumte der Musiker laut von einem Scorpions-Auto. In Braunschweig machten sich VW-Tüftler an die Arbeit, schließlich hatte ein Rockstar gesprochen. Der Stachel des im Forschungslabor entstandenen Rockstarmobils wird vom Aschenbecher per Knopfdruck gesteuert. Er kann mit 125 LED-Birnen blinken, leuchten und ein- und ausgefahren werden.
Nur abschleppen, könne man damit niemanden, so die Entwickler. Schenkers Lebensgefährtin Tanya Sazonova will das Auto auch lieber für Picknickausflüge nutzen. Aber auch dafür ist der Stachel ja irgendwie geeignet: als Haltevorrichtung für den Picknickkorb.
Abgesehen davon, dass es LED-Birnen nicht gibt und Baby that is rock'nroll keine Erläuterung ist, sondern früher mal ganz was anderes war, und man sich fragen muss, was die im VW-Forschungslabor so machen, wenn dabei herauskommt, das ein Stachel vom Aschenbecher per Knopfdruck ein- und ausgefahren werden kann, so dass Frau Sazonova ihren Picknickkorb daran aufhängen kann, bleibt eigentlich nur noch die Frage, was der alte Porsche und der Führer dazu gesagt hätten!
Wenn Sie mehr erfahren wollen, müssen Sie hier NTV-Russia sehen ...
Der türkische Botschafter in Österreich, Kadri Ecved Tezcan, im Interview mit der Presse/Wien (bemerkenswert: bis dato 3001 Kommentare - und in Österreich ein mittlerer Skandal):
... Aber Politiker müssen doch zum Beispiel das Recht haben zu sagen, dass sie keine Zwangsheiraten wollen ...
Natürlich. Wir wollen auch nicht, dass unsere Töchter zwangsverheiratet werden.
Und man kann von Türken auch verlangen, dass sie Deutsch lernen.
Definitiv, ich sage meinen Leuten immer: Lernt Deutsch und haltet euch an die Regeln dieses Landes!
Warum also klappt es nicht?
Sie haben es selbst sehr offen gesagt: Die Leute wollen hier keine Frauen mit Kopftüchern sehen. Ist das denn gegen das Gesetz? Nein, ihr habt da nichts zu sagen. Es steht jedem frei, was er auf dem Kopf trägt. Wenn es hier die Freiheit gibt, nackt zu baden, sollte es auch die Freiheit geben, Kopftücher zu tragen. Wenn jemand die Leute zwingt, Kopftücher zu tragen, dann sollte der Rechtsstaat intervenieren. Dasselbe muss für jene gelten, die sich weigern, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Wir haben ein Problem mit Mädchen, die mit 13 nicht mehr in die Schule gehen.
Sie haben auch das Problem, dass zu wenige Frauen arbeiten gehen.
Sie liegen falsch, die türkischen Frauen arbeiten.
Ja, aber zu Hause. Die Beschäftigtenquote bei türkischen Frauen beträgt nur 39 Prozent.
Hausfrau zu sein ist auch ein Job.
Migranten, die zu Hause bleiben, sind Teil des Integrationsproblems.
Ja, aber wenn Sie mein Freund sein wollen, sollten auch Sie etwas dafür tun...
Fühlen Sie sich zuhause in Deutschland?
In mein Ghetto, normal. Aber wenn ich aus mein Ghetto rauskomme, dann wird’s schwer, weisstu?
Diese Ghettoisierung ist angeblich einer der Hauptgründe für die schleppende Integration. Wo stehen Sie in der Integrationsdebatte?
Äh… vorne.
Der Diskurs richtet sich gegen Leute wie Sie, gegen junge Halbkriminelle mit Migrationshintergrund.
Weisstu, das Ding ist, die Leute mucken alle so auf, sie sagen: ‚Öh, die Jugendlichen mit Mutationshintergrund, die machen den Dicken‘. Die sollen in mein Ghetto kommen und dann machen wir so Backgammon-Abend, weisstu, oder wir spielen Malefiz ohne Würfel. Und dieser Jarrazin … ich sag schon, Jarazin, Sarrazin, Jarrazin …Yarakzin ... Yarakzin, der soll auch kommen, wir machen so Beulerei-Karussell: Kollege gibt mir Faust. Ich geb’ Yarakzin Faust, er gibt Kollegen Faust, er mir, ich ihm, er ihm, er mir, ich mir, er sich. Das Ding ist, Yarakzin, erst so Beulerei, dann Diskussion, dies das, weisstu?!
Was ist Ihre Meinung zur Kopftuchdebatte?
Keine Angst vor Kopftuch, er beißt nicht!
Was halten Sie vom bedingungslosen Grundeinkommen?
Ja, also, jeder braucht ein Grund auf jeden Fall, für alles in Leben, weisstu? Wenn ich, Beispiel, ich komm Party nicht rein, dann gibt es ein Grund dafür, weisstu?! Und Einkommen? Normal! Ohne Einkommen, kein Grund, weisstu, was ich meine? ...
1931 drehte der amerikanische Kult-Regisseur Tod Browning den bis heute legendären (Ur-)„Dracula“ mit Bela Lugosi. Darauf folgte 1932 „Freaks“ – ein Horrorstück (?? - GBlog), auf das sowohl das Publikum als auch die Kinobetreiber größtenteils mit Entsetzen reagierten. Die Zuschauer verließen empört die Filmtheater. Die meisten amerikanischen Kinoinhaber verbannten ihn schnell aus dem Programm, weil er so schlecht lief, und in den britischen Kinos erhielt „Freaks“ sogar 30 Jahre lang Aufführverbot.
Die Darsteller für seinen Film „Freaks“, von 1932, rekrutierte Regisseur Tod Browning direkt an der Quelle, bei den Freak-Shows, die damals quer durch die USA tingelten. Freak-Shows waren Wander-Zirkusse auf denen Menschen mit außergewöhnlichen Behinderungen zur Schau gestellt wurden, die so genannten „Freaks“. Aber anders, als das vielleicht klingen mag, wurden die Freaks in ganz Amerika, wie echte Stars behandelt. Manche ließen sich sogar zum Freak „umbauen“. „Omi, der Zebra-Mensch“ war ein Schottischer Aristokrat, von Kopf bis Fuß tätowiert. In den 60er Jahren wurden die Freak-Shows schließlich verboten. Ihre Stars sind bis heute eine Referenz für Outsider geblieben. ARTE TV
Freaks (1932)
Ein Film von Tod Browning
Mit Wallace Ford, Leila Hyams, Olga Baclanova
Ich vermute, dass in Zeiten des akzeptierten Tabubruchs, um endlich die kulturelle Hegemonie der Gutmenschen und ihrer politischen und pädagogischen Correctness zu brechen, also im Zuge der Renaissance der Schwarzen Pädagogik ganz unbefangen damit experimentiert wird, Schülerinnen und Schüler, die sich nicht benehmen können, denen es also an Sozial- und Selbstmanagement-Kompetenz fehlt, quasi prangermäßig in einen schulöffentlichen Trainingsraum zu schicken (Jungen in der ersten und zweiten Stunde; Mädchen in der dritten und vierten, damit da gendermäßig nichts durcheinander geht). Die Freigabe erfolgt dann wie angekündigt.
(Auf Nachfrage: die dürfen da in einem abgezäunten Arreal Fußball spielen ...)
Der große Vorteil der Vinylschallplatte gegenüber der CD oder gar der vollends flüchtig gewordenen MP3-Datei war es, dass Kunstschaffende oder auch nur Designer einfach mehr Platz hatten, der musikalischen Ware eine mehr oder weniger passende Hülle zu verpassen: The size of the typical cardboard LP sleeve cover is 12.375 inches square. Man kann im Netz viele schöne Hüllen betrachten, z.B. hier oder hier : The Album Cover Art Gallery.
Wegen ihres besonderen Erinnerungswerts (nicht aufgrund ihrer ästhetischen Qualität) seien hier drei Cover von Samplern der späten 60er ausgewählt, deren Erinnerungsauthorität darauf beruht, dass sie für Neunmarkachtzig (statt 19 Mark für eine LP) Lust machten auf etwas, das die Marketingstrategen von CBS und Elektra "Underground" nannten ...
Die Schallplatten in den cardboard LP sleeves sahen so aus:
Taken directly from the Fill Your Head With Rock double album, hence the quality - A lovesong about an apple and an orange written by AI Stewart: Said the apple to the orange: "Oh I wanted you to come Close to me and kiss me to the core Then you might know me like no other orange Has ever done before"
Dazu noch das wahrscheinlich beste Cover eines Rock-Albums (aber darüber kann man streiten):
«Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christliche-jüdische Tradition. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland ( …) Gott schütze Deutschland.»
Im 21. Jahrhundert soll sich die Nation also über die verschiedenen Auslegungen eines bronzezeitlichen Kultes definieren. Kulturevolutionär waren wir da doch schon mal etwas weiter, oder?
Imagine there's no heaven, above us only sky...
Wohl richtig, aber furchtbarer finde ich die unerträgliche Grausamkeit, die darin liegt, dass hier - und in den folgenden "Debatten" - von Bürgern des Rechtsnachfolgers des Deutschen Reiches eine christlich-jüdische Tradition halluziniert wird, deren einziger Zweck es ist, in dem Begriff verschwinden zu lassen, dass mit der industriell betriebenen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas die Angehörigen dieses Rechtsnachfolgervolkes jedes Recht verwirkt haben, jemals auf jüdische Tradition sich beziehen zu dürfen, geschweige denn diese durch Eingemeindung in eine "christlich-jüdische" auch noch für sich zu reklamieren. Dabei macht es - was die Ekelhaftigkeit der Argumentation angeht - keinen Unterschied, ob diese damit in Stellung gebracht wird gegen den Moslem oder ob dieser auch noch eingemeindet werden soll ...
Wie sagte mal jemand: Manchmal kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte ...
[Update 1.11.10]
Auf ihrem gestrigen Parteitag hat die Christlich-jüdisch Soziale Union einen 7-Punkte-Integrationsplan beschlossen, der das Konstrukt deutlich herabstuft:
Integration heißt nicht nebeneinander, sondern miteinander leben auf dem gemeinsamen Fundament der Werteordnung unseres Grundgesetzes und unserer deutschen Leitkultur, die von den christlich-jüdischen Wurzeln und von Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist. Dies ist der Maßstab für gelingende Integration, für eine starke und soziale Gemeinschaft und für den Zusammenhalt in Deutschland aus innerer Überzeugung.
Wenn ich das richtig verstehe, sind Wurzeln doch wohl von geringerer Relevanz für eine (Leit-)Kultur als Traditionen: Wurzeln hat, wenn man denn einer biologistischen Weltsicht anhängt, irgendwie alles, da kann man nichts machen; Traditionen muss man schon annehmen und pflegen, sonst sind sie keine. Andererseits scheint man - das signalisiert der bestimmte Artikel - genau zu wissen, was das für Wurzeln sind, und zu unterstellen, auch alle anderen wüssten es (denn sonst hätte man ja formulieren können: ... von christlich-jüdischen Wurzeln und von C,H&A geprägt - wobei mir auffällt, dass es eigentlich treffender wäre, eine deutsche Leitkultur als von C&A und H&M geprägt zu beschreiben, weil das sehr schön die Symbiose von rheinisch-katholischem Konservatismus mit auch, wenn nicht überwiegend türkisch-russischer Kundschaft und skandinavisch-globalistischer Modernität mit auch, wenn nicht überwiegend prekaritätsbedrohter Mittelschichtskundschaft mit der Illusion, Designerklamotten zu tragen, zum Ausdruck bringt, die - die Symbiose wie die Illusion - doch eigentlich, wenn man denn sowas braucht, die deutsche Leitkultur ausmacht. Der Eindruck drängt sich mir jedenfalls auf, wenn ich - was selten vorkommt - eine sogenannte Innenstadt betrete).
Interessant ist überdies, dass die christlich-jüdischen Wurzeln nicht in die engere Aufzählung der die Leitkultur prägenden bzw. geprägt habenden Einflüsse aufgenommen wurden (also etwa: die von christlich-jüdischen Wurzeln, Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist), sondern durch das erste und von der offenbar doch enger verbundenen Schwurbelgruppe C&H&A getrennt wurden.
Dass das von der Tradition zur Wurzel degradierte Christlich-Jüdische auch noch in einer Volksgemeinschafts-Wortkotze schwimmen muss (miteinander, gemeinsam, unseres, unserer, Gemeinschaft, aus innerer Überzeugung), markiert offenbar den Unterschied zwischen zivilisiert-niedersächsisch-christlicher (Osnabrück = Westfälischer Friede!) und roh-bajuwarisch-christlicher (München = Marsch auf die Feldherrenhalle!) Grausamkeit der Angehörigen dieses Rechtsnachfolgervolkes.
[Nachtrag 10.11.10] Gedenktag 9. November Der Missbrauch der Juden durch die Politik
Ein Kommentar von Heribert Prantl
Heuchelei beim Gedenken an die Pogromnacht: Muslime werden im Namen christlich-jüdischer Tradition ausgegrenzt. Doch was Politiker gerne beschwören, gibt es so nicht. ..
Die christliche-jüdische Geschichte besteht vor allem in der Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden und in der Verketzerung des Talmud. Und wo es gemeinsame Wurzeln gab, hat die Mehrheitsgesellschaft sie ausgerissen. Wenn Juden anerkannt wurden, dann nach ihrem Übertritt zum Christentum. Und dieses Christentum hat bis in die jüngste Vergangenheit nicht die Gemeinsamkeit der Heiligen Schrift, sondern den Triumph des Neuen über das Alte Testament gepredigt.
Ist die Geschichtsvergessenheit des Gemeinsamkeitgeredes womöglich ein neuer Akt der Wiedergutmachung, eine philosemitische Fiktion aus schlechtem Gewissen? Handelt es sich um den Versuch, nachträglich alles richtig zu machen? Es wäre schön, wenn es nur so wäre. Beim Reden von der christlich-jüdischen Tradition handelt es sich aber um eine gewaltige Heuchelei. Die deutsche Politik drückt die alte, früher stigmatisierte Minderheit der Juden an die Brust, um die neue Minderheit, die Muslime, zu stigmatisieren. Die Juden werden missbraucht, um die Muslime als unverträglich zu kennzeichnen...
[Nachtrag 15.12.10/17.04.15]
words and music by Joni Mitchell and Charles Mingus
He is three
One's in the middle unmoved
Waiting
To show what he sees
To the other two
To the one attacking--so afraid
And the one that keeps trying to love and trust
And getting himself betrayed
In the plan--oh
The divine plan
God must be a boogie man!
One's so sweet
So overly loving and gentle
He lets people in
To his innermost sacred temple
Blind faith to care
Blind rage to kill
Why'd he let them talk him down
To cheap work and cheap thrills
In the plan--oh
The insulting plan
God must be a boogie man!
Which would it be
Mingus one or two or three
Which one do you think he'd want the world to see
Well, world opinion's not a lot of help
When a man's only trying to find out
How to feel about himself!
In the plan-oh
The cock-eyed plan
God must be a boogie man!
Joni Mitchell - Guitarra , Teclados, Voz
Wayne Shorter - Saxo Soprano
Herbie Hancock - Piano eléctrico, Teclados
Jaco Pastorius - Bajo, Horns
Peter Erskine - Batería
Don Alias - Congas
Emil Richards - Percusión
Charles Mingus - Voz
So you think you're having good times
With the boy that you just met
Kicking sand from beach to beach
Your clothes all soaking wet
But if you look around and see
A shadow on the run
Don't be too upset because it's just a paper sun
Ahh Paper Sun, Ahh Paper Sun
In the room where you've been sleeping
All your clothes all thrown about
Cigarettes burn window sills
Your meter's all run out
But then again it's nothing
You just split when day is done
Hitching lifts to nowhere, hung up on the paper sun
Standing in the cool of my room
Fresh cut flowers give me sweet perfume
Too much sun will burn!
When you're feeling tired and lonely
You see people going home
You can't make the train fare
Or the six pence for the phone
And icicles you're crying
From your cheek have just begun
Don't be sad, good times are had
Beneath the paper sun
Daylight breaks while you sleep on the sand
A seagull is stealing the ring from your hand
The boy who had given you so much fun
Has left you so cold in the paper sun
Traffic - Live BBC Session 1967:
Sollten Urheberrechte verletzt werden, bitte ich um Mitteilung, um den Track sofort zu löschen!
BILD – Knapp zwei Drittel der Deutschen sehen in Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ein Vorbild für die Politiker in Deutschland. Das ergab eine Umfrage im Auftrag der ARD-Sendung „Hart aber fair”.
Da sollen sich größere Teile der Befragten so geäußert haben, dass Adel Führungsqualität vermuten lasse, was insofern erstaunlich ist, als in dieser Woche doch gerade im Zusammenhang mit der Klarstellung, dass das Amt eine verbrecherische Organisation war, auch deutlich wurde, dass der seinerzeit dort tätige Adel nicht nur an der industriellen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas, sondern auch gern an der Konstruktion der Gründungs-(und weiterer)mythen der BRD mitgearbeitet hat. Volker Zastrow nennt in der FAS von heute u.a. Richard von Weizsäcker, Marion (Gräfin) Dönhoff und Hartmut von Hentig.... Vgl.: Die schwarzen Neztwerke.
Nun weiß ich eigentlich überhaupt nicht, was Adel ist, aber zu zu Guttenberg bzw. zum Adel fällt mir immer ein:
Johann Gambolputty de von Ausfern-Schplenden-Schlitter-Crasscrenbon-Fried-Digger-Dingle-Dangle-Dongle-Dungle-Burstein-von-Knacker-Thrasher-Apple-banger-Horowitz- Ticolensic-Grander-Knotty-Spelltinkle-Grandlich-Grumblemeyer-Spelterwasser- Kurstlich-Himbleeisen-Bahnwagen-Gutenabend-Bitte-Ein-Nürnburger-Bratwustle- Gerspurten-Mitz-Weimache-Luber-Hundsfut-Gumberaber-Shönedanker-Kalbsfleisch-Mittler-Aucher von Hautkopft of Ulm
Oder bereits etwas früher der SPIEGEL (3/1961) zum Thema:
Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, 39, CSU-Bundestagsabgeordneter, oberfränkischer Weinbauer, ließ Bundeskanzler Adenauer sechs Flaschen Spitzenweine aus verschiedenen Jahrgängen zwischen 1893 und 1959 zukommen: Seine, Guttenbergs, Weine seien doch wohl besser als der vor kurzem vom Kanzler gepriesene Dollendorfer aus Rhöndorfs Nachbarschaft .
Kostproben: ... “Bildung” war für das deutsche Bürgertum meistens nicht viel mehr als ein Mythos; man hatte Bildung und konnte trotzdem grundblöd und moralisch unter aller Kanone sein. Aber der Mythos funktionierte, als Ritus und Zeremonie vor allem. Glauben wir also immer weniger an die Riten und Zeremonien der Demokratie und zweifeln noch mehr an den sozialen und moralischen Regeln, so muss noch mehr der Mythos her.
Jeder Held im Mythos ist zugleich die Wiederkehr und der Erlöser, das Alte und das mehr oder weniger rebellisch Neue, Jesus, Ödipus, Lady Gaga. Wir haben uns an den “Helden light” gewöhnt: Freiherr von und zu Guttenberg ist so ein Held light, derzeit. Seine Botschaft lautet: Haar-Gel...
Es war aber nicht so, dass Haar-Gel etwa “seriös” geworden wäre, ganz im Gegenteil: Über das Haar-Gel eignete sich die Bürgerkultur des Neoliberalismus einen sozialen und sexuellen Anspruch der “Halbwelt” an. Gegeltes Haar hieß nichts anderes als die Fantasie, das “Böse” zugleich bewahrt und kontrolliert zu haben. Und Haar-Gel sagte: Eure Armut kotzt mich an. Haar-Gel war die mythische Erzählung vom verbürgerlichten Gangstertum, von der Erlaubnis zur Gier, vom Einverständnis mit der “wahren Natur” des Kapitalismus. Und natürlich bedeutete es auch die – abgesehen von Neonaziglatzen – radikalste Abkehr von den “natürlichen” Mähnen der Hippies...
... Der Gazprom-Gerd und der Turnschuh-Fischer, der Onkel Bräsig – und wie hieß der noch einmal, der mit seiner Gräfin im Schwimmbad? Das waren Leute, die sind von unten gekommen, und dann haben sie einen Mordsspaß gehabt mit den feinen Anzügen und den Düsenflugzeugen und Kaviar zum Frühstück und alles, aber so ist das heute nicht mehr. Die waren so stolz darauf, wie sie nach oben gekommen sind, dass sie uns da unten wie das Letzte behandelt haben. Und wie ihnen das Spaß gemacht hat, das Regieren und das Verantwortung-Tragen. Die Angela, die hat keinen Spaß beim Regieren, das darf die gar nicht, schon wegen ihrer Religion. Auch keine Verantwortung tragen. Das ist jetzt alles wissenschaftlich und religiös. Der Roland, also gut, der lässt wahrscheinlich einen Kaviar nicht stehen, aber der hat es auch nicht nötig, den täten sie überall nehmen, wo es um ein Geld geht. Der könnte seinen Kaviar auch mit dem Geld aus der Wirtschaft bezahlen. Der Gutti sowieso.
Wir brauchen feinere Leute, weil: Wir sind uns selber nicht mehr fein genug. Da kann man nichts machen. Manchmal wundere ich mich über mich selber. Meine Mutter hätte mich schön verhauen, wenn ich das gesagt hätte, was heute alle sagen. Und wie wir immer so herumlaufen. (Also, ich bin ja gegen Kopftücher, wegen der Demokratie und dem Christentum, obwohl meine Oma, die ist ja auch nie ohne Kopftuch aus dem Haus gegangen. Manchmal beneide ich die Türken richtig, ehrlich wahr, weil es ist zwar das Falsche, aber die können wenigstens noch wissen, was sich gehört.)
Also das mit dem Volk, das regiert, das ist ein Schmarrn. Aber das darf man natürlich nicht laut sagen. Deswegen sage ich so: Politiker müssen was besseres sein. Irgendwie. Und genau das ist die Kunst in der Politik: Auf die richtige Art was besseres sein. Ich weiß gar nicht, ob man so was lernen kann, wenn man nicht protestantisch ist, wie die Angela, oder ein Designer-Baby wie der zu Guttenberg. Gutti, wie wir sagen.
Schwerverbrechen (1)
10. September, "Dresdner Neueste Nachrichten":
Wegen Lebensmitteldiebstahls hat die Polizei in der Nacht zu Freitag zwei junge Männer aus Radebeul festgenommen. Die 19 und 21 Jahre alten Männer hatten versucht, vom Gelände eines Supermarktes in der Leubnitzer Straße in der Dresdner Südvorstadt bereits entsorgte Lebensmittel zu stehlen. Wie die Beamten am Freitagnachmittag mitteilten, hatten Anwohner die Ordnungshüter verständigt. Diese fanden schließlich das Duo, das auf dem umzäunten Gelände die weggeworfenen Lebensmittel aus Containern entnommen hatte. Beide wurden vorläufig festgenommen.
via
... dort auch folgende Meldung:
Schwerverbrechen (2)
20. September, www.israelnetz.com:
Auf den Verkauf von palästinensischem Land an Israelis steht in den palästinensischen Autonomiegebieten die Todesstrafe. Dieses geltende Gesetz hat ein palästinensisches Gericht am Sonntag bestätigt. Zuvor hatte ein anderes Gericht befunden, ein solcher Landverkauf sei kein "großes Vergehen". Dieses Urteil hatte der palästinensische Generalstaatsanwalt Ahmed al-Mughni angefochten. Das nächsthöhere Gericht stimmte seiner Argumentation zu, wonach der Verkauf von Land an Israelis ein "großes Vergehen" sei, das mit der Todesstrafe geahndet werden könne. Dem Gericht zufolge gelte dies auch für den Verkauf oder den versuchten Verkauf von Grund und Boden an ein anderes Land. Al-Mughni betonte nach der Urteilsverkündung, die Entscheidung erinnere die Palästinenser an das Gesetz, welches den Verkauf von Land an Juden verbiete. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hatte das Landgesetz zunächst von Jordanien übernommen. Später hatte sie es durch ein eigenes Gesetz mit dem Titel "Eigentumsrecht für Ausländer" ersetzt. Darin heißt es unter anderem, der Verkauf von Land an "Besatzer" gelte als "Nationalverrat".
Herr G. wird morgen 62, Chris Farlowe wurde vor einer Woche 70 und John Lennon wäre 70 geworden und Jim Morrison würde demnächst 67; kürzlich sah ich Leonard Cohen (76) und Steve Gibbons (69) auf der Bühne und ich freue mich auf Ray Davies (66) in Kürze erscheinendes Album, finde Elton Johns (63) The Union mit Leon Russell (68) nicht schlecht und auch Claptons (65) Clapton nicht, wo ich ja schon Brian Wilsons (68) Re-Gershwin empfahl und Jeff Beck (66) für den Meister überhaupt halte; - so stellte sich mir die Frage, ob es überhaupt noch vergleichbar charismatische jüngere Musiker gibt, die sich in diese Hall of Fame aufnehmen ließen.
Tom Robinson (b.1950) is a bisexual songwriter & broadcaster based in London, UK. Known in the 1970s as an anti-racist and gay rights campaigner he released 19 albums with various bands between 1975 and 2001. Since 2002 he's worked full-time as a radio presenter introducing new bands and recording artists at BBC 6 Music.
Auf seiner hervorragenden Seite finden Sie alles, was Sie über Tom Robinson wissen müssen. Sie können seine Sendung Fresh On The Net (immer aktuell mit dem BBCplayer) hören, seine interessante Bio- und Discographie erforschen: Robinson hat fast alle seiner Album zum freien Download ins Netz gestellt - und es gibt fast kein Lied, das den Download nicht lohnen würde!!
Zum aktuellen Kirchenstreit sei empfohlen:
... und mit Bezug zu meinen einleitenden Bemerkungen müssen Sie noch Days That Changed The World hören und sich an TRB's 2-4-6-8 Motorway erinnern (oder es kennenlernen!):
It was in the days of discontent
Of anarchy and rage
When Babylon was burning
That the music came of age
The bands were fast and furious
Commitment was the word
The future still unwritten
In the days that changed the world
It started out by word of mouth
That great unholy din
From auntie's midnight rambler
And the NME within
An empire seemed to tremble
As the revolution stirred
The pistols they were loaded
In the days that changed the world
Days that changed the world...
The days that changed the world...
The pistols they were loaded in
the days that changed the world
When Ziggy got his big idea
And Slowhand showed his cards
We rallied to the carnival
And partied in the parks
Fat Martin and his bullyboys
From marching were deterred
When black and white united in
The days that changed the world
But later on the telethon
The stars came out to play
The global conscience came alive
To feed the world that day
And after famous, rich and laid
The saint became a sir
He earned his reputation in
A day that changed the world
The days that changed the world...
A day that changed the world...
He earned his reputation in
a day that changed the world
The songs have been forgotten
And the Verses have been burned
While dirty Mags and Rupert's rags
Have left no stone unturned
With talking vermin crawling out
In colours new unfurled
Like you and I they all survived
The days that changed the world
Now Johnny's wearing Mambo suits
With thinning orange hair
And Joseph in his combat coat's
a denim millionaire
And me - so glad to be a dad
and living with a girl -
I hardly ever think about
The days that changed the world
Days that changed the world...
The days that changed the world...
I hardly ever think about
The days that changed the world
But sometimes in the dead of night
I dream of other men
Of Rolan Adams, Rodney King
and Jean Marie Le Pen,
The many friends who passed away
Whose voice was never heard...
Humanity's still waiting for
The days that change the world
Days that change the world...
The days that change the world...
Humanity's still aching for
The days that change the world
Anlässlich der Sarrazin-Folgedebatten über die Integrazzion unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der deutschen Sprache erinnere ich mich, dass Jurek Becker in seinen Frankfurter Vorlesungen 1989 unter dem Titel "Warnung vor dem Schriftsteller" zu dem Problem auf eine Weise sich geäußert hat, die einen zutiefst verstören kann, wenn man den Text genau zu lesen bereit ist:
Anfangen ... will ich mit einer eher privaten Mitteilung, mit der Darlegung eines Sachverhalts, der Ihnen nebensächlich erscheinen mag, der für mich jedoch, für mein Verhältnis zu Literatur ebenso wie für mein Bild von Sprache, größte Bedeutung hat: Deutsch ist nicht meine Muttersprache, ich komme vom Polnischen her. Erst mit acht, fast neun Jahren fing ich an, Deutsch zu lernen, mein Polnisch war da aber ganz und gar nicht das eines Neunjährigen. Es war im Sprachumfang eines Vierjährigen stecken geblieben, denn in diesem Alter wurde ich Umständen ausgesetzt, in denen Sprache so gut wie überflüssig war. Die ersten deutschen Vokabeln, an die ich mich erinnere, stammen aus jener Zeit: „Alles alle“, „Antreten - Zählappell!“ und „Dalli-dalli“.
Ich habe also die Sprache, die heute meine einzige ist, nie mit der Muttermilch, wie es heißt, eingesogen. Ich lernte sie nicht nebenbei, nicht beim Kinderspiel, nicht von Jahr zu Jahr entsprechend den Altersbedürfnissen, sondern als Resultat einer organisierten Anstrengung, so schnell wie möglich. 1946, mit neun Jahren, ging ich zum erstenmal in die Schule, einen Kopf größer als alle anderen. Für keine schulische Leistung belohnte mein Vater mich so reichlich wie für gute Noten bei Diktat und Aufsatz. Wir entwickelten gemeinsam ein übersichtliches Lohnsystem: Für eine geschriebene Seite gab es im Idealfall fünfzig Pfennig, jeder Fehler brachte einen Abzug von fünf Pfennig. So lernte ich nebenbei rechnen. In der ersten Zeit verdiente ich kaum etwas, obwohl ich in so großen Buchstaben schrieb, daß es an Betrug grenzte. Aber ich bin ehrgeizig. Manche Fehler konnte ich nicht vermeiden, weil ich es einfach nicht besser wußte; doch für die, die ich aus Vergeßlichkeit oder aus Flüchtigkeit beging, haßte ich mich. Ich konnte das jeweils nächste Diktat kaum erwarten, natürlich ging es von Mal zu Mal besser. Bald wurde die Sache meinem Vater zu teuer, und er handelte mich auf zehn Pfennig pro Fehler und später noch weiter nach oben.
Allerdings ging es mir nicht nur ums Geldverdienen. Je weniger Fehler ich beim Schreiben und beim Sprechen machte, umso mehr stieg mein Ansehen in der Schule. Oder genauer gesagt: um so mehr nahm die Verachtung ab. Es war ja nicht eben prestigeträchtig, zu den gestern noch Verfolgten zu gehören, und wenn man dazu noch als einziger weit und breit nicht richtig sprechen konnte und wenn man zu allem Unglück die Klassenkameraden - richtiger müßte ich sagen: die Klassenfeinde - um ein hübsches Stück überragte, dann brauchte man nicht lange nach Problemen zu suchen. Es war für mich beinahe eine Existenzfrage, so schnell wie möglich mein Deutsch zu verbessern: Je eher ich die Fehler ausmerzte, umso seltener wurden die anderen darauf gestoßen, daß ich ein Fremder war. Und wenn die Fehler ganz und gar aufhörten, würden sie mich eines Tages, wenn auch fälschlicherweise sogar für einen der ihren halten. Daß mein Vater die Sache auch noch hoch subventionierte, beschleunigte den Lernprozeß. Schon in der dritten Klasse machte ich nur noch solche Fehler, die keinem auffielen. Einmal habe ich in einem Interview kühn behauptet, diese Art des Lernens habe bei mir zu einem besonders bewußten Verhältnis zur Sprache geführt; wo andere plapperten, wo sie ihre Rede gleichsam bergab rollen ließen, da müßte ich mit einem gewissen Aufwand an Bewußtheit Regeln befolgen. Für einen Schriftsteller, so wagte ich zu schlußfolgern, sei das wahrscheinlich kein Nachteil. Heute weiß ich, daß ich Unsinn redete. Heute halte ich einen anderen Aspekt für erheblicher: daß es mir in der Schulzeit das größte Sprachglück bedeutete, Fehler zu vermeiden. Ich wollte ständig unter Beweis stellen, wie gut ich meine Lektion gelernt hatte, niemand sollte mich bei Unkorrektheiten ertappen und seine Schlüsse daraus ziehen.
Daß die Norm auch wie ein Vorhang sein, daß die Abweichung von der Norm auch etwas sichtbar machen kann das vorher regelrecht verdeckt war, kam mir natürlich nicht in den Sinn. Und heute habe ich Angst, daß dieser frühe Ehrgeiz mir so in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß ich ihn nicht mehr loswerde. Das wäre für einen Schriftsteller nun der schrecklichste Nachteil. Ich liebe ja solche Autoren, die Regeln verletzen, die Sprache zerbrechen, wie um nachzusehen, was drin ist. Das liegt mir nicht, und wenn ich es doch versuche, habe ich das Empfinden, mich zu verstellen. Mich packt der blanke Neid, wenn meine Frau zu mir sagt, ich solle endlich aufhören, sie zu bevormuttern...
Georg Seeßlen sieht das ( Z)erbrechen der Sprache aus anderer Perspektive:
Wir hören indes das Sprechen unserer Politikerinnen und Politiker und stellen fest: Weder beherrschen sie die Sprache, noch lieben sie sie. Ihr Jargon ist fremder noch als es jede fremde Sprache sein könnte, nämlich bezogen auf die Sprachlosigkeit der Leitmedien für die Leitkultur, BILD-Zeitung und Fernsehen. Da für sie die Sprache kein Verständigungs-, sondern ein Überredungsmittel ist, der Sprech-Gestus also bedeutender, die Sprache selber unwichtiger wird (man könnte sagen, es bliebe in dieser Performance gar nichts anderes übrig als der Akzent der Interessen), könnte man vom Sprechen unserer politischen Sprache wohl sagen, es sei ein umfängliches Projekt der Sprachzerstörung. Wenn Migranten so deutsch sprechen lernen sollten, wie es unsere Politiker tun, könnten sie das gleich vergessen. Dann lernten sie statt sprechen nichts sagen.
Doch die Leerheit der Unterwerfungspose „Sprache“ zeichnet sich erst durch die Umkehrung ab: Wie lernt man eine Sprache? Jeder Urlaubsreisende weiß es: Dadurch, dass man sie praktiziert, und dadurch, dass dieses Praktikum der fremden Sprache (komplett mit allen möglichen Akzenten) Spaß macht. Migranten in einem Land, die dessen Sprache nur unvollkommen oder widerwillig benutzen, sagen in allererster Linie etwas über dieses Land selber aus.
Und deutsch, das scheint eine Sprache, die nicht gesprochen werden will. Von „Fremden“ nicht, aber von Deutschen erst recht nicht.
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Erinnerungen: Frankreich 1971: Ich hatte in den Semesterferien während meiner Arbeit bei der Bahnpost (Pakete in Waggons stapeln - übrigens ein interessantes Bewältigungsmuster, das uns schnell beigebracht wurde: einen Waggon zu beladen geht wesentlich schneller, indem man neben der Waggontür eine Mauer aus Paketen baut und dann die übrigen dahinter schmeißt, als alle sorfältig zu stapeln ...) Studenten der Universität von Aix-en-Provence kennen gelernt, denen ich nach Beendigung unserer Stapelarbeiten nach Aix folgte. Hier waren noch Semesterferien, die französischen Kommilitonen mussten - schon damals - zu Prüfungen zurück - und so konnte ich mit Leos alter Simca Ariane in der Umgebung von Aix lustwandeln, während Leo seine Prüfungen vorbereitete. Die Ariane verbrauchte mehr Öl als Benzin, aber das Wunderbare, das sie mir eröffnete, war in Dörfern vor der BarTabac zu parken, reinzugehen und ein Bier oder einen Pastis zu bestellen und dann (jetzt bin ich wieder bei Seeßlen), weil man ja draußen meine Ariane mit der 13er Nummer sah, damit fertig werden zu müssen, dass der Wirt oder der Gast neben mir an der Theke die letzten Neuigkeiten aus dem Dorf erzählte. Was ich als erstes lernte, war mein Schulfranzösisch von "oui" auf das provencalische "uoai" zu elaborieren ... Einige Tage später war ich schon in der Lage, mich in der SNCF auf der Rückfahrt von Marseille nach Aix mit einem Schaffner zu streiten, der einen jungen Algerier (wie ich annahm, heute würde man erstmal nur von einem Migrationshintergrund ausgehen) aus dem Zug werfen wollte. Das war keine Großtat und vielleicht auch falsch, weil der Bengel immer schwarz gefahren ist und irgendwann mal lernen musste, dass man Pakete gleich hinter der Tür stapelt und nicht an der Wand.
Aber Seeßlen hat recht: es muss Spaß machen, eine Sprache zu lernen - sonst wird das nichts. In diesem Sinne:
Chris Farlowe: lead vocals
Gert Lange: rhythm guitar & lead vocals
Clem Clempson (Colosseum, Humble Pie, Jack Bruce): lead guitar & backing vocals
Michael Becker: bass & backing vocals
Adrian Askew: Hammond B3, moog, keyboards
Hans Wallbaum: drums & backing vocals
Zum Geburtstag mein Farlowe-Lieblingslied:
Into The Night - Chris Farlowe And The Thunderbirds -von dem Album "Born Again" von 1986, als CD veröffentlicht auf Uwe Tessnows legendärem Line-Label:
Sollten Urheberrechte verletzt werden, bitte ich um Mitteilung, um den Geburtstagsgruß sofort zu löschen!
"Es gibt so viele Arschloch-Typen wie es menschliche Funktionen, Tätigkeiten und Interessengebiete gibt. Und auf jedem Gebiet kann das Verhältnis von AQ zu IQ ein anderes sein. Kein noch so kopfdenkerisches Verhalten bei einem Thema bietet Gewähr dafür, dass nicht schon beim nächsten der Arschdenk mit voller Wucht einsetzt."
Charles Lewinsky, Der A-Quotient
Wise Man Says II
"The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater."
Frank Zappa
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